Einmal bei Germany´s Next Topmodel dabei zu sein und zu gewinnen ist seit Jahrzehnten ein Mädchen- und ab diesem auch ein Jungentraum. Im zweiten Anlauf überzeugte die Wahldüsseldorferin Lea Oude die Jury beim Finale der 19. Staffel. Wir trafen sie hoch oben auf der 13. Etage des Düsseldorfer Stadttors. Da wussten wir noch nicht, dass Lea Höhenangst hat.
Sie erschien fünf Minuten vor der Zeit, unterwegs mit der Straßenbahn und zwei Wechseloutfits in ihrer Umhängetasche. Wie sahen deine ersten Erfahrungen mit Mode aus? Lea Oude: Mein Vater war Filialleiter bei einem Schuh- und Modeunternehmen. Meine Schwester und ich haben es geliebt, nach Ladenschluss in viel zu großen Stöckelschuhen durch die Gänge zu stolzieren. Mein Vater sah das nicht so gerne, weil er an unsere Füße dachte.
Lea Oude im gläsernen Treppenhaus des Düsseldorfer Stadttors auf der Etage der Rechtsanwälte Kapellmann und PartnerFotos: Jochen Rolfes
Eine internationale Karriere als Model wäre schon cool!
Du hast bis zu deinem 20. Lebensjahr in Nordhorn in Niedersachsen gelebt. Was hat dich geprägt?
Lea Oude: Definitiv die katholischen Zeltlager von St. Marien. Meine Kindheit war behütet. Ich war viel draußen unterwegs, habe Handball gespielt, bin geritten, war beim Bodenturnen und bin Trampolin gesprungen. Woran ich mich auch erinnere ist, dass ich mir auf dem Spielplatz immer gerne unter einem Gerüst eine Wohnung eingerichtet habe. Vermutlich bin ich deswegen später auf die Idee gekommen, Architektur zu studieren.
Vor dem Abitur mit 16 Jahren hast du dich bei Germany´s Next Topmodel beworben, warum?
Lea Oude: Ich habe alle Staffeln geguckt und fand toll, was die Mädels da alles gemacht haben. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben alle immer gesagt: Du bist so groß und so schlank. Willst du das nicht einmal ausprobieren? Die Idee gefiel mir und wir fingen an Fotos zu machen. Das hat aber nicht geholfen, ich bin gleich in der ersten Runde ausgeschieden.
Was hast du stattdessen gemacht?
Lea Oude: Nach dem Abi habe ich ein freiwilliges soziales Jahr in einer Werkstatt für psychisch behinderte Menschen gemacht. Zusätzlich zu diesen 40 Arbeitsstunden habe ich noch jede Woche zehn bis 15 Stunden bei Rewe an der Kasse gesessen, weil ich zum Studium unbedingt nach Düsseldorf ziehen wollte. Als ich für das Architekturstudium an der Hochschule Düsseldorf keinen Platz bekam, habe ich erstmal im Einzelhandel gearbeitet. Meinen Eltern wollte ich auf keinen Fall auf der Tasche liegen. Ich finde, dass man mit 18 Jahren alt genug ist, um seinen Kram selbst regeln zu können.
Ich liebe es zu essen – vor allem süß und fettig.
Seit 2020 lebst du in Düsseldorf-Pempelfort, doch statt Architektur studierst du an der Hochschule Düsseldorf Retail Design. Was lernt man in diesem Studiengang?
Lea Oude: Inhaltlich geht es um Kommunikationsdesign, Innenarchitektur und Store-Design. Den Studiengang gibt es erst seit ein paar Jahren und nur in Düsseldorf. Ich habe alle Credits zusammen und schreibe jetzt meine Bachelorarbeit.
Falls es mit dem Modeln doch nicht klappt?
Lea Oude: Im Moment sieht es sehr gut aus. Ich bekomme viele Anfragen und habe erste Kontakte zu Modelagenturen geknüpft. Ich habe mich im Juli mit meinem Gewerbe selbstständig gemacht und die 100.000 Euro aus dem Wettbewerb schon in ETFs angelegt. Natürlich strebe ich als Germany’s Next Topmodel eine internationale Modelkarriere an, aber mein Studium liebe ich genauso. Langfristig werde ich versuchen, diese beiden beruflichen Stränge miteinander zu verbinden. Ich habe immer viel gearbeitet. Während des Studiums habe ich bei einem Solaranlagenhersteller mit Sitz in Berlin remote als Werkstudentin angefangen. Ich bekam dann als erste mit einem nicht-technischen Studium eine Schichtleitungsposition und hatte am Ende ein eigenes Team als Junior Business Developerin.
Du bist 1,81 Meter groß und wiegst 57,5 Kilogramm. Das hört sich nach viel Sport, kulinarischer Askese an und maximal einem Apfel pro Tag …
Lea Oude: Ich weiß, dass es in der Modebranche nicht unbedingt üblich ist und fühle mich oft ganz schlecht, wenn ich sehe, was meine Kolleginnen so alles auf sich nehmen müssen, um gertenschlank zu sein oder zu bleiben. Ich habe die gleiche Statur wie mein Vater und offensichtlich auch seinen Fettstoffwechsel geerbt. Ich liebe es zu essen. Ich esse sehr gerne und sehr viel. Weil ich alles, was süß und fettig ist, liebe, habe ich gerade keine Süßigkeiten zu Hause. Aber wenn ich mit Freunden in meinem Viertel ausgehe, dann esse ich alles, auch Nachtisch. Ich stehe auf Spaghetti Carbonara im Em Brass und finde den Käse-Mandarinen-Kuchen im Café Kwadrat einfach großartig. Das ist sowieso mein zweites Wohnzimmer. Sport ist nicht so unbedingt meins. Hier und da versuche ich einen Online-Pilates-Kurs mit der Influencerin Pamela Reif durchzuhalten. Dafür gehe aber jeden Tag so zehn bis 15 Kilometer spazieren und Fahrrad fahre ich auch gerne.
Du hast einmal gesagt, mit 24 als Model zu starten, ist eigentlich ein bisschen spät …
Lea Oude: Klar ist vieles mit 17 oder 18 Jahren einfacher. Andererseits sollte man die psychische Seite in dem Job nicht unterschätzen, wenn man zum zehnten Mal abgelehnt wird, weil man zu groß, zu dick oder dies oder das ist. Und wenn man ganz ehrlich ist: Es heißt immer, dass es um die Personality geht, aber am Ende geht es doch nur ums Äußere. Das kann ich mit meiner Lebenserfahrung besser „wechseln“. Ich bin da entspannt.
Du trägst dein Haar so kurz, weil?
Lea Oude: Weil das beim Casting für Germany´s Next Topmodel auf Teneriffa so beschlossen wurde. Früher hatte ich Haare bis zum Po, dann bis zur Brust. Meine Haare waren auch schon mal kupferfarben, dann braun. Mit meinem kurzen Blondschopf bin ich happy, auch weil er mein Markenzeichen geworden ist ? wie meine helle Haut.
Stehst du für einen neuen Modellook?
Lea Oude: Zumindest insofern, weil ich mir keine Wimpern anklebe und meine Augenbrauen sind auch so wie sie nun einmal sind. Meine Nägel maniküre und pediküre ich selber. Nirgendwo komme ich so gut runter und spare natürlich auch gleich Geld damit. Aber ich merke gerade, dass mein neuer Beruf auch bedeutet, dass ich mein Verhalten hier und da überdenken muss. Das wurde mir letztens beim Inlineskaten bewusst und auch beim Sprung vom Dreier, bei dem ich mir einige blaue Flecken zuzog, die ihr eben überschminken musstet für das Foto mit dem Strickkleid.
Wenn du drei Wünsche frei hättest bei der berühmten Fee aus dem Märchen. Was würdest du dir wünschen?
Lea Oude: Als erstes, dass meine Familie gesund und zufrieden bleibt bis ins hohe Alter. Mein zweiter Wunsch wäre, dass ich glücklich und zufrieden bis zum Schluss bin und mein dritter Wunsch wäre, dass nicht so viel Übles in der Welt passiert.
Lea Oude heißt eigentlich Lea Oude Engberink und steht mit Zahlen nicht auf Kriegsfuß. Sie hatte Mathe, Physik und Kunst als Leistungskurs, war Gruppenleiterin im katholischen Zeltlager St. Marien. Vor zweieinhalb Jahren ließ sie sich „ohana“ auf den rechten Oberarm stechen, das heißt Familie auf Hawaiianisch. Lea liest viel, aber nur auf dem Handy. Für Bücher ist sie zu hibbelig, sagt sie. Lea hat Höhenangst und ekelt sich vor Motten, aber auch vor Schmetterlingen, die trotz der bunten Flügel wie Motten aussehen. In der Juli-Ausgabe von Harper´s Bazaar Deutschland war sie auf dem Titel. Am 21. September wird sie wieder auf Pro Sieben zu sehen sein. Mehr konnte sie uns leider noch nicht verraten.