Die Energiewelt der Zukunft wird aus Erneuerbarem Strom, grünem Wasserstoff und moderner Bioenergie bestehen, so lautet die Einschätzung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA). Auf den Finanzmärkten ist die Energiewende bereits angekommen. Wer dort „Kohle“ machen will, setzt auf Dekarbonisierung. Ebenfalls auf die Energiewende und eine Dekarbonisierungsstrategie setzt der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper. Das Unternehmen ist vor fünf Jahren als „Bad Bank“ von Eon an die Börse gegangen. Heute ist es Vorreiter des europäischen Kohleausstiegs und weltweit Pionier der grünen Wasserstofftechnologie. Wir sprachen mit Andreas Schierenbeck, dem Vorstandsvorsitzenden von Uniper.

Das Zeitfenster für das 1,5°C-Ziel des Pariser Klimapaktes schließt sich. Die IRENA spricht von einer Gratwanderung. Uniper hatte bei der vorletzten Bilanzpressekonferenz im März 2020 angekündigt, die europäische Stromerzeugung bis zum Jahr 2035 CO2-neutral zu gestalten. Wie sieht das ein Jahr später aus?

Wir haben unsere Hausaufgaben sogar besser gemacht als angekündigt. Durch die konsequente Umsetzung des eigenen Kohleausstiegplans sowie weiterer Maßnahmen werden wir über 50 Prozent dieses Ziels schon bis 2030 erreichen, also fünf Jahre vorher. Das heißt, es gelingt uns da gerade eine zeitliche Beschleunigung der Energiewende, die von der IRENA übrigens soeben als wichtigster Parameter eingefordert wurde. Im Dezember 2020 haben wir uns mit unserem Mehrheitsaktionär Fortum auf gemeinsame Nachhaltigkeitsziele für beide Unternehmen geeinigt. Ein wesentlicher Punkt ist dabei, beide Unternehmen bis 2050 CO2-neutral zu stellen – unser Beitrag zum Pariser Klimaabkommen. 

Der globale Stromverbrauch soll sich bis 2050 verdreifachen. Erneuerbare Energien werden bei 90 Prozent aller Dekarbonisierungslösungen eine Rolle spielen in Form von Direktversorgung mit kostengünstigem Strom, Effizienz, Elektrifizierung mit erneuerbaren Energien im Endverbrauch sowie grünem Wasserstoff. Aber es gibt noch andere Farben beim Wasserstoff, wofür stehen die? 

Die Farbpalette reicht von grau über blau und türkis bis zu grünem Wasserstoff. Mit Ausnahme des konventionellen, mit fossilen Brennstoffen erzeugten grauen Wasserstoffs, der derzeit noch vornehmlich eingesetzt wird, die Umwelt jedoch mit CO2 belastet, sprechen wir uns für eine möglichst große Farbenfreude aus. Unsere Nachbarländer arbeiten beispielsweise derzeit an blauen Wasserstoffprojekten, bei denen das CO2 gespeichert wird und nicht in die Atmosphäre gelangt. Hier in Deutschland setzt man auf grünen Wasserstoff. Geforscht wird derzeit auch im Bereich des türkisen Wasserstoffes, der bei der Methanspaltung entsteht. Dieser ist energetisch sehr interessant, weil dabei reiner, pulverförmiger Kohlenstoff und Wasserstoff entstehen, wobei der Kohlenstoff z. B. für die Reifenindustrie genutzt werden kann. Aber derzeit gibt es noch kein Unternehmen, das diese Spaltung, die so genannte Methanpyrolyse, effizient und wirtschaftlich betreiben kann. Das ist also noch Zukunftsmusik. Klar ist demnach: Wir werden es in den nächsten Jahrzehnten mit einer bunten Vielfalt an Wasserstoff-Produktionsverfahren zu tun haben, um die Nachfrage decken zu können. Und für den grünen Wasserstoff müssen wir auch erst noch die Basis legen.

Wie funktioniert das?

Uniper wird in den nächsten vier Jahren den Aufbau von Solar- und Windenergie vorantreiben. Damit legen wir die Basis, um auf den sich entwickelnden globalen Märkten für grünen Wasserstoff erfolgreich zu wachsen. Um die Klimaziele sektorenübergreifend  erreichen zu können – vor allem in der energieintensiven Industrie, aber auch im Verkehr –, braucht es CO2-armen Wasserstoff. Uniper ist auf allen Stufen der Wasserstoff-Wertschöpfungskette präsent und ermöglicht in mehr als zehn Projekten –  auch solchen Industriesektoren wie Stahl, Chemie oder Wärme – Wege zur Dekarbonisierung, die für grünen Strom schwer oder nur eingeschränkt erreichbar sind. Am Standort Hamburg-Moorburg läuft ein Projekt mit der HH2e, der Siemens Energy, der HHLA, Airbus und der Stadt Hamburg, um grünen Wasserstoff sowie grüne Prozess- und Fernwärme zu erzeugen und bereitzustellen. Außerdem bauen wir dort eine Wasserstoff-Handelsplattform auf. Im Hafenbetrieb Rotterdam planen wir 2035 eine Wasserstoffanlage für die Produktion von grünem Wasserstoff. Die Machbarkeitsstudie hierfür wird in diesem Sommer vorliegen. In Schweden läuft in Zusammenarbeit mit Fortum ein Projekt zur Herstellung von nachhaltigem Methanol mit erneuerbarem Wasserstoff, mit dem das Chemieunternehmen Perstorp dabei unterstützt werden soll, seine CO2-Emissionen in Schweden deutlich zu reduzieren. Unser Ziel ist es, in jeder Branche Projekte durchzuführen und entlang der kompletten Wertschöpfungskette tätig zu sein. Der Einsatz lohnt sich nicht nur für die Energiewende, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Dieser Markt kann bis 2050 ein Marktvolumen von 820 Mrd. US-Dollar erreichen und wir tragen maßgeblich zur Entwicklung dieses Zukunftsmarktes bei.

Sie sind 2020 ins Gremium des Nationalen Wasserstoffrats berufen worden. Wie ist Deutschland in dieser Technologie derzeit aufgestellt? 

Aktuell ist Deutschland Vorreiter in puncto Wasserstofftechnologie. Der Nationale Wasserstoffrat möchte natürlich, dass das auch so bleibt. Wirtschaft, Wissenschaft und Politik arbeiten mit Hochtouren daran, Wasserstoff als tragende Säule der Energieversorgung nutzbar zu machen. 

Hat sich durch Corona etwas an Ihren Plänen verändert?

Corona hat uns allen gezeigt, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind. Wie eng wir zusammenleben und zusammenarbeiten in Europa. Eine nie dagewesene Herausforderung wie eine Pandemie können wir nur gemeinsam und international abgestimmt in den Griff bekommen.

Uniper ist im Medienhafen mittlerweile fest verankert. Sie sind als Sponsor beim Düsseldorf Marathon eingestiegen, sie fördern u. a. ein Onkologie-Sportprojekt der Kinderklinik der Heinrich-Heine-Universität. Corporate Citizenship gehört zu Ihrer Unternehmens-DNA. Welche Auswirkungen hat die Aufstockung des Mehrheitsaktionärs Fortum auf den Düsseldorfer Standort?

Fortum hat zugesagt, zumindest bis Ende 2021 keinen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorzusehen und betriebsbedingte Kündigungen bis 2026 auszuschließen. Dies sind wichtige, positive Signale an unsere Belegschaft. Und wir haben da durchaus einen Ruf zu verlieren, denn Uniper ist kürzlich unter den deutschen Energieversorgern von Kununu als bester Arbeitgeber ausgezeichnet worden. Allein im Jahr 2020 haben wir über 700 neue Talente für uns gewinnen können.  

Susan Tuchel

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