„Am Ende sind Vorstände auch nur Menschen“
Dr. Stefan Dahm leitet als neuer Vorstandsvorsitzender seit Anfang dieses Jahres die Geschicke der Stadtsparkasse in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Wir trafen ihn nach seinen ersten 100 Tagen zum persönlichen Interview. Er erschien bestens gelaunt, hoch motiviert und ohne Krawatte.
Was hat Sie in den letzten 100 Tagen am meisten beschäftigt?
Unseren Strategieprozess weiterzuentwickeln und auf den Weg bringen. Da ich bereits seit zwölf Jahren in der Stadtsparkasse Düsseldorf tätig und seit 2016 Mitglied des Vorstands bin, war die Situation etwas anders, als es die klassischen ersten 100 Tage meist sind. Oftmals dient diese Zeit ja zunächst dazu, sich einen Überblick zu verschaffen, bevor man an die Umsetzung neuer Pläne gehen kann. Auch unser neues Vorstandsmitglied Michael Röttgen ist schon seit vielen Jahren bei der Stadtsparkasse. Daher konnten wir uns in der neuen Vorstandskonstellation bereits vor meinem Antritt in den letzten Monaten umfassende Gedanken machen, welche Themen wir anpacken wollen. Dabei war von Anfang an klar, dass wir keine radikale Kehrtwende machen werden, denn wir sind sehr gut aufgestellt. Jedoch wollen wir in einigen Bereichen jetzt mehr Tempo machen und eine schnellere Evolution ermöglichen. Dazu haben wir verschiedene Arbeitspakete entwickelt.
Worum geht es dabei vordringlich?
Wir wollen neue Karriereperspektiven für unsere Mitarbeitenden eröffnen, indem wir vermehrt auf erweiterte Karrierepfade setzen. Nicht jede Mitarbeiterin oder Mitarbeiter möchte sich auf den Pfad zur Führungskraft begeben, der ein eher hierarchischer Weg ist, d. h. man muss sich über Jahre durch die Führungskaskaden „hochdienen“. Stattdessen wollen wir parallel verstärkt auf Fachlaufbahnen oder Projektlaufbahnen setzen. Also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihrem Karriereweg fördern, die sich durch ihr Fachwissen in besonderen Bereichen wie z. B. Digitalisierung, KI, im Vertrieb oder durch Erfahrungen in der Steuerung von großen und komplexen Projekten hervortun. Durch diese Neuorientierung wollen wir attraktiver für junge Menschen werden, dem Fachkräftemangel entgegensteuern und unsere Mitarbeiterbindung stärken. Um junge Leute zu erreichen, nutzen wir vermehrt die sozialen Netzwerke. So betreiben wir mit smoney den deutschlandweit reichweitenstärksten Bankenkanal auf TikTok, der über 3,5 Millionen Zugriffe verzeichnet, und bieten ein umfassendes Konzept zur Financial Education. Wir lassen uns ständig etwas Neues einfallen, wie z. B. den Teenstag, der kürzlich erstmalig stattfand, bei dem wir Schülern einen Blick hinter die Kulissen boten.
Welche Themen stehen noch auf Ihrer Agenda?
Besonders wichtig ist uns auch der Ausbau unserer Omnikanalstrategie. Das heißt, ganz gleich über welchen Weg unsere Kunden unsere Beratung und unsere Angebote wahrnehmen, ob über unser Online-Portal oder die Filiale, zielen wir auf einen nahtlosen Service ab, der genau dort ansetzt, wo zuvor der letzte Kontakt stattfand. Deshalb ist die Kundenreise, also der Weg des Kunden von der ersten Online-Recherche bis hin zum Vertragsabschluss, ein zentraler Punkt. Gerade bei Abschlüssen von komplexen Produkten gehen oft viele Kundenkontakte voraus – und das über verschiedenste Kanäle und Endgeräte. Die Kundenreise im Omnikanal-Banking wird also immer umfangreicher und komplizierter. Umso wichtiger ist es, dass wir diese optimal gestalten. Im Privatkundenbereich gelingt uns das schon sehr gut, aber im Geschäftskundenbereich, wo die Prozesse noch komplexer sind, wird sich noch einiges tun und wir uns entsprechend weiter entwickeln.
Werden weitere Filialen geschlossen?
Nein, eher im Gegenteil. Wir arbeiten an neuen smarten Filialkonzepten, mit denen wir unsere Flächenpräsenz in Zukunft wieder ausweiten können. Früher ging es in der Filiale am Schalter vordringlich darum, Geld abzuheben oder einzuzahlen. Heute spielt Bargeld nur noch eine untergeordnete Rolle. Stattdessen steigt der Beratungsbedarf zu komplexeren Finanzfragen wie Anlage, Vorsorge oder Kredit. Alles andere funktioniert mittlerweile bequem und flexibel per Online-Banking. In der Filiale der Zukunft, unser Zielbild, das wir anstreben, profitieren die Kunden von einem erweiterten Serviceangebot. Experten aus unterschiedlichen Disziplinen können jederzeit virtuell zugeschaltet werden – natürlich auch zu Hause. Die Beratung erfolgt dann via Video-Screen. Das heißt, man hat dann auch einen geringeren Personalaufwand. Vor Ort ist beispielsweise nur noch ein Concierge am Empfang nötig. Die technischen Voraussetzungen dazu haben wir mit unserem Video-Beratungsservice ELSA zum Teil schon geschaffen.
Fotos: Jochen Rolfes
Dr. Stefan Dahm, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Düsseldorf
„Mein persönliches Desaster in zeitlicher Hinsicht war meine Doktorarbeit. Ich habe vier Jahre daran gearbeitet und am Ende fehlten mir drei Tage.“
Hat sich aus Ihrer Sicht der Führungsstil der Stadtsparkasse in den letzten Jahren gewandelt?
Es ist natürlich schwer, das „out of the box“ zu betrachten, wenn man selbst involviert ist, aber ich denke schon, dass sich das Führungsverständnis im Laufe der Zeit verändert hat. Weg von starren Hierarchien, hin zu Problemlösungen, einem offenen Diskurs und einer konstruktiven Fehlerkultur. Im letzten Jahr haben wir eine Fuckup Night eingeführt. Nicht nur um eine fehlerfreundliche Kultur zu etablieren, sondern auch um die Innovationsfähigkeit und die gegenseitige Akzeptanz zu steigern. Dabei soll vor allem Mut gemacht werden, offen mit Missgeschicken umzugehen, nach deren Ursachen zu suchen und sie als Chance für Wachstum zu verstehen. Zu erfahren, dass andere auch Fehler machen, führt dazu, mit Konflikten und Misserfolgen im Team oder in der Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen besser umzugehen. Für unser offenes Verständnis von Führung spricht auch unser neues Recruiting-Konzept. Dabei stellen sich unsere Führungskräfte potenziellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf LinkedIn vor. So kann bereits im Vorfeld geklärt werden, ob die Chemie stimmt und ob man sich vorstellen könnte zusammenzuarbeiten.
Was war denn Ihr persönliches Fuckup-Erlebnis?
Mein katastrophales Zeitmanagement bei meiner Doktorarbeit. Ich habe mir vier Jahre lang damit Zeit gelassen und dann fehlten mir am Ende drei Tage bis zur Abgabe. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet, um sie noch pünktlich fertig zu bekommen, ich war so erschöpft, dass ich Farben gesehen habe, wo keine waren. Am Ende musste ich die Abgabefrist verlängern. Ich träume heute noch manchmal davon. Aber es hat mir die Erkenntnis gebracht, wie wichtig es ist, von hinten nach vorne zu planen. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mir ab und zu immer noch passiert, dass die Zeit nach hinten raus knapp wird.
Dr. Stefan Dahm, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Düsseldorf
„Es war von Anfang an klar, dass wir keine radikale Kehrtwende machen, denn wir sind sehr gut aufgestellt.“
Wie gehen Sie heute mit dem Zeitdruck um?
Mein Terminplan ist absolut voll. Neu daran ist, dass jeder noch so kleine Timeslot, also jede 10 bis 15 Minuten zwischen zwei Terminen, auch schnell vergeben sind, weil ständig jemand noch eben schnell Gesprächsbedarf hat. Das macht es mir natürlich schwer, Termine entsprechend vorzubereiten. Da hilft die Unterstützung durch mein starkes Team, um mich auf den neuesten Stand zu bringen.
Können Sie gut delegieren?
Ja. Wobei mir das früher nicht so leichtgefallen ist. Ich bin perfektionistisch veranlagt und musste mich erstmal davon freimachen, dass andere vielleicht einen anderen Weg wählen, um Dinge umzusetzen, aber ebenso gut ans Ziel kommen.
Mussten Sie in Ihren ersten 100 Tagen auch schwere Entscheidungen treffen?
Veränderung ist immer auch mit schwierigen Entscheidungen verbunden. Entscheidungen über Projekte, auf die wir uns konzentrieren wollen, heißt ja auch andere Projekte zu depriorisieren. Es fällt niemandem leicht, Enttäuschungen zu verursachen, z. B. indem Ideen nicht fortgeführt werden.
Unter Karin-Brigitte Göbels Vorstandsvorsitz gab es den so genannten Shadowing Day, an dem junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie einen ganzen Tag lang begleiten konnten. Führen Sie diese Tradition fort?
Ja, ich finde das eine sehr gute Idee. Tatsächlich hatte ich gerade meinen ersten Shadowing Day. Die Herausforderung dabei ist, dass man auch einen guten Tag erwischt, an dem man gemeinsam an vielen Terminen teilnehmen kann und wenig vertrauliche Gespräche stattfinden, wo der- oder diejenige dann draußen warten müsste.
Dr. Stefan Dahm, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Düsseldorf
„Wir wollen in einigen Bereichen jetzt mehr Tempo machen und eine schnellere Evolution ermöglichen als in den vergangenen Jahren.“
Und dann steht ja bald auch noch ein großes Jubiläum an …
Im nächsten Jahr feiert die Stadtsparkasse Düsseldorf ihr 200-jähriges Jubiläum. Das ist ein sehr wichtiges Thema für uns, um öffentlich zu zeigen, wofür wir stehen und wodurch wir uns eigentlich von einer „normalen“ Bank unterscheiden. Der Kern der Sparkassenidee ist von Anfang an ein Geschäftsmodell, das auf langfristiges Wirtschaften und lokale Vorsorge in regionalen Kreisläufen ausgerichtet ist. Schon in der Gründungsgeschichte der Sparkassen wurde vor über 200 Jahren das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit verankert. Ziel war und ist es heute noch, allen Teilen der Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Teilhabe zu ermöglichen und die Entwicklung vor Ort zu unterstützen. Gemeinwohl und langfristige Entwicklung stehen dabei stets über kurzfristiger Gewinnerzielung. Für das Jubiläumsjahr planen wir bereits verschiedene Highlights. Man darf also gespannt sein.
Über Dr. Stefan Dahm
Dr. Stefan Dahm, geboren 1968 in Würselen, promovierte 1998 in theoretischer Physik an der Universität zu Köln. Seine Karriere als Banker startete er bei der Sparkasse KölnBonn und wechselte später zur Raiffeisen-Landesbank Steiermark. Im Jahr 2012 kam er als Generalbevollmächtigter zur Stadtsparkasse Düsseldorf. 2016 wurde er in den Vorstand berufen, wo er die Bereiche Compliance, Gesamtbanksteuerung, Marktfolge Aktivgeschäft sowie Prozesse und Informationstechnologie verantwortete. In seiner Freizeit hält er sich mit Ausdauersport fit und kam vom Laufen zum Rennradfahren. Auch zur Arbeit fährt er morgens gern mit dem Rad und genießt dabei den Ausblick auf den Rhein.