Deutschlands erste Bundeskanzlerin wird persönlich
Dass sie nichts mehr mit aktiver Politik zu tun haben möchte, machte Merkel RP-Chefredakteur Moritz Döbler gleich zu Anfang unmissverständlich klar. Zu Donald Trump merkte sie strukturelle Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Amtszeit an, zu laufenden Gesprächen der aktuellen Regierungsbildung gab sie keinen Kommentar. Zur letzten Wahl stellte sie fest, dass die politische Mitte nicht gestärkt worden sei und die Ampel Verdruss erzeugt habe. Eine nüchterne Bestandsaufnahme der aktuellen Lage – ganz ohne Pathos. Aber auch ohne ein Gefühl dafür, dass sie dem Verlust der politischen Mitte in ihrer 16-jährigen Regierungszeit den Boden durch den gefühlten Linksruck in der eigenen Partei bereitet hatte.

Angela Merkel und RP-Chefredakteur Moritz Döbler beim Düsseldorfer Ständehaus Treff, Fotos: Meike Schrömbgens
Europa, Deutschland und das politische Erbe
Ein zentrales Thema des Abends war die finanzielle Zukunft Deutschlands. Merkel hat keine Probleme mit dem geplanten „Sondervermögen“ in Höhe von rund einer Billion Euro und plädierte für eine Reform der Schuldenbremse, um mehr finanzielle Flexibilität zu ermöglichen. Sie betonte: „Wir werden mit zwei Prozent des Bruttosozialprodukts nicht auskommen.“ Es gehe um Deutschland und Europa in diesen Tagen, betonte die Ex-Bundeskanzlerin.
Neben den großen politischen Linien wurde es an diesem Abend auch persönlich. „Für uns im Osten hatte sich nach der Wende alles geändert.“ War in der DDR immer der Staat an allem Schuld, merkte man nach der Wende, dass es mit der eigenen Großartigkeit auch nicht immer weit her war. Andererseits wird sie noch nach 36 Jahren emotional, wenn sie sagt: „Wir waren auch Deutsche und kein Ballast.“ Süffisant kommentierte sie den Unterschied zwischen Kanzlerschaft und Journalismus: „Ich bin die Prototypin, er natürlich nicht.“ Ein Seitenhieb gegen Döbler, der für Lacher im Publikum sorgte.
Warum sie nicht mehr mitspielt auf dem politischen Parkett? „Die Leute hatten genug von mir“, sagte sie trocken. Für die über 400 Gäste des Ständehaus Treffs traf das auf jeden Fall nicht zu. Und auch die Tatsache, dass Merkels Buch im letzten Jahr das erfolgreichste Deutschlands war, lässt darauf schließen, dass sie noch viele Fans hat.