Geschüttelt, gepresst und prämiert

Es ist Erntezeit für die Oliven auf der Finca Treurer in Algaida, einer Gemeinde im südöstlichen Teil der Baleareninsel. Ich stehe neben dem Olivenbaum, als die Vibrationsmaschine in nur drei Sekunden die Früchte vom Baum schüttelt. Die kleinen grünen Oliven werden vom Auffangschirm sogleich in riesige grüne Behälter umgefüllt. Traktoren fahren diese dann zu einem schattigen Platz neben der Olivenölmühle, wo sie verarbeitet werden. Weitere 20 Minuten später fließt das erste, goldfarbene und kalt gepresste Olivenöl aus der Mühle – ein Meisterwerk deutscher und italienischer Maschinenbaukunst.

Bilder: Susan Tuchel

Für diese Finca aus dem 16. Jahrhundert mit 23,5 Hektar Grund und Boden hatte Joan Miralles vor 24 Jahren alles auf eine Karte gesetzt. Er wollte zurück zu seinen Wurzeln, zurück zur Landwirtschaft und etwas Kostbares schaffen, das dem Charakter der Insel entspricht. Joan wuchs in einfachen Verhältnissen in Montuïri zwischen Palma und Manacor auf. Er war der erste in der Familie, der studierte und Ende der 60er Jahre in die Tourismusbranche ging. Vor 17 Jahren pflanzte Juan auf seiner Finca, die einst als Schatzhaus (Tresoré) für Steuereinnahmen diente, 3.000 winzige Olivenbäume der Sorte Arbequina, eine typische mallorquinische Olivenbaumsorte. „Die erste Ernte war 2010. Wir pflückten die Oliven mit der Hand. Es war eher ein Familienfest“, erinnert sich sein Sohn Miguel Miralles.

Joan Miralles überwacht den Herstellungsprozess

Heute können bei einer guten Ernte 12.000 bis 15.000 Liter Olivenöl aus den kleinen, grünen Früchten gewonnen werden. Jeder Baum ergibt rund vier bis fünf Liter. Geerntet wird seit sieben Jahren mit einer neuen Vibrationstechnik, die die Wurzeln der Bäume nicht schädigt und die Erntezeit von 30 auf 20 Tage reduziert. 

Vor drei Jahren entschlossen sich Miguel und seine Frau, ihre Berufe zugunsten der Olivenfarm aufzugeben. Miguel ist Wirtschaftswissenschaftler und arbeitete zuvor als CFO im Krankenhaus in Palma, seine Frau ist Krankenschwester. Gelebt haben sie mit ihren drei Kindern schon vorher auf der Finca. Nun sind ihre Arbeitswege kurz, aber die Arbeitstage länger. Im letzten Jahr haben die beiden auf der Finca ein 5-Sterne-Hotel mit neun Zimmern eröffnet – gefrühstückt und im Pool gebadet wird mit Blick auf den Olivenhain und den angrenzenden Wald.

Miguel Miralles und das erste Olivenöl der Saison 2024

„Auch wenn die Oliven an erster Stelle stehen, ist die Ernte immer ein wirtschaftliches Risiko“, weiß der Ökonom. Als Olivenölbauer möchte Miguel aber nicht nur Zimmer vermieten, sondern seine Gäste daran teilhaben lassen, was das Leben auf der Finca ausmacht. Die Bezeichnung Agroturismo trägt die Finca zu Recht. Sie steht für ein Stück „echtes“ Mallorca, fernab von Ballermann und Schinkenstraße. Miguel und Juan bieten ihren Gästen Führungen auf dem Gelände an, auch zur Erntezeit. Außerdem gibt es für Gäste und Besucher Olivenöltastings und von Dienstag bis Sonntag kann man im Restaurant ein Dinner mit dem bekannten Koch José Cortés buchen.  

Frühe Ernte für beste Qualität

„Wer später erntet, erzielt mehr Liter Olivenöl, aber die Qualität ist nicht dieselbe“, erklärt Miguel. Auf der Finca Treurer setzt man bewusst auf eine frühe Ernte im Oktober, um das bestmögliche Aroma und die wertvollen Inhaltsstoffe der Oliven zu bewahren. Seit 2022 verarbeitet die Finca die Oliven in einer eigenen Ölmühle. Das spart nicht nur Transportwege, sondern stellt auch sicher, dass zwischen Ernte und Produktion nur wenige Stunden vergehen und die Oliven nach der Ernte zu keiner Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Die Kriterien sind streng. „Die Oliven dürfen niemals den Boden berührt haben. Was herunterfällt, wird nicht verarbeitet“, erklärt Joan.

Die Vibrationstechnik macht es möglich, die Oliven innerhalb weniger Sekunden zu ernten.

Bevor der Traktor die Früchte in die Mühle kippt, wird die Temperatur der Oliven gemessen. Sie darf nicht mehr als 27 Grad betragen. Während des Herstellungsprozesses herrschen konstant 23 Grad, die durch eine Außenkühlung garantiert werden. „Ließe man die Maschinen heißer laufen, hätte man mehr Öl, aber eine schlechtere Qualität“, so Juan. Gesteuert wird alles per Computer. Durch Drehbewegungen setzt sich das Öl von der Maische ab. Dann läuft das Öl durch die Filtermaschine und wird in große Edelstahl-Tanks geleitet, wo es bei konstanten 16 Grad verbleibt. „Wir füllen erst in dem Moment ab, wenn eine Bestellung rausgeht. Eine unserer ältesten Kundinnen ist übrigens Carmen Stappen aus Düsseldorf. Wir liefern an kleine Distributoren und Endverbraucher nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz, nach Belgien, Holland, Schweden, nach England, in die USA, nach Dubai, Singapur und Japan“, zählt Miguel auf. 40 Prozent des Treurer-Öls bleibt auf Mallorca, 60 Prozent gehen in den Export. Gelabelt wird jede Flasche mit der Hand. Das Standardpaket umfasst sechs Flaschen à 500 Milliliter – eine Menge, die für den Verbrauch von vier Wochen ausgelegt ist. Denn nur dann bleibt das Olivenöl frisch und behält seine Aromen. „So kann ich garantieren, dass meine Kunden exakt die gleiche Qualität bekommen wie ich selbst, wenn ich mir eine Flasche für zuhause abfülle“, so Miguel.

Aromen wie bei einem edlen Wein

Olivenöl wird seit Jahrtausenden als „flüssiges Gold“ bezeichnet. Experten begutachten die Qualität des Öls nach den Kriterien Frische, Bitterkeit und Schärfe. „Die Aromen von Tomate, grünem Gras, grüner Mandel, Artischocke oder sogar grüner Banane machen die Kopfnote des Olivenöls aus“, erklärt Miguel. Die Sorgfalt im Produktionsprozess zahlt sich aus: 2023 und 2024 wurde das Olivenöl von Treurer für seine außergewöhnliche Frische von Iber Oleum mit dem ersten Preis für ganz Spanien ausgezeichnet. Auch international feiert das native Olivenöl extra, das einen Fettsäuregehalt von 0,8 Prozent nicht überschreiten darf, Erfolge. Die Wände in der Produktionshalle sind voll mit Urkunden und Auszeichnungen wie den Gold Award von New York und Los Angeles und die Olive Japan.

Der Olivenhain in Algaida

Nachhaltigkeit und Respekt vor der Natur

„Bei uns kommt alles in den Kreislauf zurück“, so Miguel. Anstatt Blätter und Holz vom Rückschnitt zu verbrennen, wie es auf Mallorca üblich ist, werden sie auf der Finca als natürlicher Bodenbelag für die Gehwege genutzt. Auch die Maische, die nach der Ölgewinnung übrigbleibt, wird kompostiert und nach vier bis fünf Monaten als Dünger in den Hainen ausgebracht. Diese nachhaltige Praxis reduziert den CO₂-Fußabdruck der Finca erheblich. Trotz des Einsatzes von Maschinen und Traktoren bindet der Olivenhain mehr CO₂ als er verursacht. Solarpanels sorgen für Strom. Nur die Traktoren sind bisher noch nicht elektrisch – ein Punkt, den Miguel gerne ändern möchte.

Für die Zukunft hat der Plantagenbesitzer klare Ziele: Er möchte das Bewusstsein für nachhaltigen Olivenanbau weiter stärken und plant, die Produktion noch effizienter und umweltschonender zu gestalten. Treurer bleibt damit ein Vorbild für qualitativ hochwertigen und ökologischen Olivenölanbau – und das weit über die Grenzen Mallorcas hinaus.

Warum Olivenöl gut für die Gesundheit ist

Die PREDIMED-Studie (Prevención con Dieta Mediterránea) ist eine klinische Studie aus Spanien, die zwischen 2003 und 2011 durchgeführt wurde und den Einfluss der Mittelmeerdiät auf die Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen untersuchte. Die Studie gilt als eine der wichtigsten Forschungsarbeiten, die den gesundheitlichen Nutzen der Mittelmeerdiät belegen. Dabei wurde vor allem die Rolle von nativem Olivenöl extra (extra vergine) hervorgehoben. Die Teilnehmer hatten im Vergleich zur Kontrollgruppe ein um 30 Prozent geringeres Risiko, schwere kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu erleiden, der Cholesterinspiegel stabilisierte sich und das Risiko für Typ-2-Diabetes wurde deutlich gesenkt. Die antioxidativen Eigenschaften von Olivenöl helfen laut Studie, oxidativen Stress zu reduzieren, der mit dem Alterungsprozess und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer in Verbindung gebracht wird.

Die PREDIMED-Studie empfiehlt täglich 30 bis 40 Gramm Olivenöl, das entspricht zwei bis drei Esslöffeln Olivenöl.

Pin It on Pinterest