Reich an Erfahrung aber um tausende Euro ärmer

Coaching boomt. Allerdings ist nicht jeder, der sich als Coach bezeichnet, auch seriös. Besonders bei so genannten Business-Coachings oder -Consultings gerät man über Online-Werbung, wie etwa auf Youtube, schnell an Angebote, die einfach zu gut sind, um wahr zu sein. Aber wer möchte als Selbstständiger oder Start-up nicht schnell und vor allem dauerhaft 10.000, 20.000 oder 50.000 Euro und mehr monatlich umsetzen – vor allem in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten? Mehr Kunden, bessere Bezahlung, planbar wachsen und die Neukunden-Akquise automatisieren? Ein Traum für jeden Selbstständigen. Doch was steckt dahinter? Ich habe einer so genannten „Agency Consulting“* auf den Zahn gefühlt.

Coaching-Abzocke: Daten und Fakten

Beim Europäischen Verbraucherzentrum haben Betroffene im letzten Jahr Verluste in Höhe von über 250.000 Euro durch Coaching-Betrug gemeldet. Die Geschäftsmodelle verändern sich ständig: ob Verkauf von Domains, Kryptowährungen, geschäftliche Neuausrichtung oder Ausbildung zu Coaches, die wiederum andere Coaches und Closer für Schneeballsysteme werben. Die Websites, auf die man stößt, protzen mit unglaublichem Einkommen, geben aber keine konkreten Informationen preis.

„Coach“ ist keine geschützte Bezeichnung

Jeder in Deutschland darf sich Coach nennen. Hierzulande gibt es etwa 14.000 ausgebildete und professionelle Coaches, dazu kommen rund weitere 50.000**, die sich selbst so nennen. Darunter gibt es alles, was das Herz begehrt: Vom Achtsamkeits- über das Businesscoaching bis hin zu so schwammigen Bezeichnungen wie ganzheitliches Self-Coaching ist alles mit dabei. Eine einheitliche Ausbildung, Kontrolle oder Aufsicht gibt es nicht. Dadurch ist natürlich auch eine Abgrenzung zu seriösen Coaches schwierig.

Perfide Strategien

Kaum andere verstehen es so gut, soziale Medien zu nutzen, um Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, wie die selbst ernannten Business-Coaches. Darunter gibt es viele Ausrichtungen. Auf YouTube, TikTok und Instagram wird zumeist auf ein junges Publikum abgezielt. Die Abzocker nutzen das Potenzial einer emotionalen und persönlichen Ansprache auf den sozialen Medien geschickt aus und sprechen niedere Instinkte an. Die Protagonisten sind laut, stellen gern ihren vermeintlichen Reichtum zur Schau. Großspurige Videos gefilmt in Luxusvillen in Dubai, am Hotelpool oder in einem dicken Sportwagen sitzend mit einer jungen attraktiven Frau auf dem Beifahrersitz. Das sind die typischen Szenarios. Meistens sind es dementsprechend auch junge Leute, die dem Hype aufsitzen, der als Coaching-Programm basierend auf langjährigen Erfahrungen oder als „einzigartige“ Investitionsmöglichkeit daherkommt. Die Pseudo-Coaches kennen die Sprache der Zielgruppe und machen sie sich zu nutze. Beim Blick auf die Webseiten der Anbieter offenbart sich, dass es sich oft um Mittzwanziger handelt, die bereits mit jahrelanger Berufserfahrung prahlen. Anstatt das zu hinterfragen, bestärkt die Jugendlichkeit bei den Opfern die Hoffnung, ebenfalls schnell reich zu werden.

Gespielte Seriosität

Aber nicht nur die plakative Protz-Masche scheint gut zu ziehen, manche Coaches geben sich auch den Anstrich der Seriosität, nennen sich hochtrabend Unternehmensberatung oder Consulting und suggerieren so vermeintliche Glaubwürdigkeit. Bei meinen Recherchen stoße ich auf eine so genannte „Agency Consulting“, die ihren Kunden verspricht „automatisiert, zuverlässig und skalierbar neue Kunden zu gewinnen – trotz hoher Konkurrenz und auch, wenn du nur wenig Zeit für dein eigenes Marketing hast“. Das hört sich doch super an. Noch besser liest es sich als Unternehmer, wenn „7-stellige Gewinne im Jahr“ in Aussicht gestellt werden. Das geht ganz einfach durch „automatisierte Prozesse und Funnels“ und erzeugt „bessere Kundenergebnisse, mehr Weiterempfehlungen und weniger Arbeit für dich“. Ist ja auch vollkommen logisch, dass „erhöhte Wertschätzung und bessere Bezahlung dafür sorgt, dass du mehr Zeit hast“. In einem solchen „Pseudo-Business-Sprech“ verklausuliert, klingt das auch nicht ganz so marktschreierisch und durchschaubar wie die „Poser-Kollegen“ auf TikTok, Instagram und Co. 

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Geld-zurück-Garantie?

Der Praxistest

Ich mache die Probe aufs Exempel und melde mich online für ein kostenloses Beratungsgespräch bei der „Agency Consulting“ an. In der Zwischenzeit fördert die Recherche Hinweise darauf zu Tage, dass das Unternehmen möglicherweise bereits in Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Coaching-Abzocke verwickelt ist. Auf der Website von Rechtsanwalt Bernhard Schulte aus Frechen bei Köln, der sich intensiv mit dem Thema Coaching-Abzocke beschäftigt, wird das Unternehmen in seiner Gegnerliste veröffentlicht. Allerdings mit dem Hinweis: „Die Gegnerliste ist nicht mit einer Wertung verbunden, insbesondere nicht zu einer Wertung über die Seriosität der genannten Anbieter.“ Dennoch lässt mich diese Blacklist aufhorchen. Als potenzielle Kundin wäre ich jetzt natürlich verunsichert und würde die Seriosität in Frage stellen. Also sage ich den Termin per E-Mail mit eben dieser Begründung ab. Ich gehe aber davon aus, dass sie mich trotzdem kontaktieren, schließlich wollen sie mich ja als Kundin.

Der erste Telefonkontakt

Tatsächlich ruft mich zum vereinbarten und von mir abgesagten Telefontermin ein gewisser Clemens von der „Agency Consulting“ über eine Mobilfunknummer an. Ich weise ihn darauf hin, dass ich den Termin nicht mehr wahrnehmen möchte, weil ich die Firma für unseriös halte. Clemens fällt aus allen Wolken, „Warum ich das denn denke?“, fragt er mich und ich antworte wahrheitsgemäß, weil ich das Unternehmen in der Blacklist des Anwaltes für Coaching-Abzocke gefunden habe. Das kann Clemens sich gar nicht vorstellen. Er würde aber gern wissen, wer dieser Anwalt sei, dann könne er das intern weitergeben. Ich nenne ihm Rechtsanwalt Schulte. Clemens entschuldigt sich und meint, es gebe auch unter den Kunden immer wieder schwarze Schafe, die die Coaching-Inhalte nicht richtig umsetzen oder faul seien und dann ihr Geld zurückhaben wollten. Aber ihre Methode sei auf jeden Fall wirkungsvoll und er garantiere mir, dass ich innerhalb eines Monats das Investment wieder raushabe und spätestens innerhalb von drei Monaten meine Umsatzzahlen erreiche. Und wenn das nicht so sei, könne ich mein Investment komplett zurückerhalten.

Die vermeintliche Geld-Zurück-Garantie verspricht Sicherheit

Schöne Versprechen, die verlockend klingen und vermeintliche Sicherheit suggerieren: „Nach spätestens 90 Tagen: Du hast 20.000 Euro mehr Umsatz durch unsere Strategien erzielt. Falls nicht, geben wir dir die Investitionssumme in uns zurück und überweisen dir zusätzlich 10.000 Euro“, verspricht die „Agency Consulting“ auf ihrer Website. Aber das ist natürlich an Bedingungen geknüpft, wie z. B., dass man zusätzlich noch mindestens 1.800 Euro für Social Media-Werbung ausgegeben hat, 300 Anrufe, E-Mails oder Nachrichten durchgeführt hat und viele weitere Auflagen, die sich nicht gerade nach weniger Arbeit anhören, sondern eher nach mehr und wahrscheinlich gar nicht umsetzbar sind. 

By the way: Warum soll ich denn noch zusätzlich Geld für Online-Werbung ausgeben, wenn die Kunden doch durch automatisierte Sales-Funnels von allein zu mir kommen?

Wie hoch ist das Investment?

Ich frage konkret nach. Clemes sagt: „6.000 Euro für einen Zeitraum von sechs Monaten.“ „Oh, ein echtes Schnäppchen“, denke ich ironisch und antworte: „Das wären ja dann 1.000 Euro im Monat bei einer sechsmonatigen Laufzeit.“ Aber Clemens erklärt: „Am günstigsten ist natürlich eine Komplettzahlung. Wenn man den Betrag nicht auf einmal zahlen kann, bieten wir auch eine Ratenzahlung an, aber die ist dann deutlich teurer.“ Ich heuchele dennoch Interesse, sage aber, dass ich gerade keine Zeit mehr habe, um das Gespräch fortzuführen. Sofort schlägt mir Clemens einen neuen Telefontermin noch am selben Tag vor. Ich willige ein. 

Mit ihrem Kostenmodell entspricht die Business Consulting genau dem, was Rechtsanwalt Schulte über die Preise der Coaching-Betrüger sagt: „Aus meiner Sicht fallen unseriöse Anbieter von Coaching-Verträgen insbesondere dadurch auf, dass sie für ihre Coaching-Angebote einerseits sehr hochpreisige Entgelte verlangen. Preise im vier- bis fünfstelligen Bereich, von z. B. 2.000,00 EUR, 6.000,00 EUR oder bis zu ca. 10.000,00 EUR sind hier keine Seltenheit. Oft wird dem potenziellen Kunden ein schneller wirtschaftlicher Erfolg suggeriert, falls sich der Kunde exakt an die Anleitungen und Anweisungen des Online-Coaches hält.“ Auch das trifft eins zu eins auf die „Agency Consulting“ zu.

Der zweite Telefonkontakt

Pünktlich auf die Minute ruft Clemens mich wieder an. Ich lasse es erstmal klingeln, bin schließlich gerade „very busy“. Zwei-, dreimal ruft er an, ohne dass ich abnehme. Nach einer Viertelstunde rufe ich zurück, entschuldige mich für die Verspätung. Für Clemens ist das gar kein Problem und schon sind wir wieder im Verkaufsgespräch. Er befragt mich zu meinen Zielen, gewünschten Umsätzen und meinen Schwerpunkten. Ich gebe an, dass ich monatlich mindestens 50.000 Euro Umsatz erwirtschaften möchte und erkundige mich, ob das mit ihrem System möglich sei. „Das ist auf jeden Fall möglich“, sagt Clemens, „alles hängt nur von der richtigen Positionierung ab.“ Diese würden wir zusammen erarbeiten und dann kämen die Kunden von selbst. Auf der Website der „Agency Consulting“ heißt es: „Durch eine organische und bezahlte Akquise, u. a. mit Zielgruppen Besitzern kommen regelmäßig Anfragen von deinen Wunschkunden.“ Was das nun bedeuten soll, kann oder will Clemens mir auch nicht sagen, aber immerhin so viel, dass ich dabei begleitet und unterstützt werde, um meine Ziele zu erreichen. Viel wichtiger ist für ihn jedoch die Frage, ob der Investitionsbetrag für mich tragbar sei, was ich bejahe. „Wenn dann bei dir weiteres Interesse besteht, können wir ja den nächsten Schritt machen und eine Videokonferenz vereinbaren, in der wir mehr Zeit haben, um in die Details zu gehen“, meint Clemens. Ich erkläre mich einverstanden. Frage aber noch nach den genauen Konditionen einer möglichen Ratenzahlung. „Das sind bei drei Raten 6.600 EUR und bei sechs Raten 7.200 Euro (netto! Anm. der Red.)“, erklärt Clemens. Rechtsanwalt Schulte meint dazu: „Ob diese erheblichen Preisunterschiede nur für eine Ratenzahlung gerechtfertigt sind, ist aus meiner Sicht zweifelhaft.“ Ich frage bei Clemens nach, warum die Ratenzahlung denn so viel teurer ist. Er antwortet „Weil wir ja auch unser Risiko minimieren müssen. Wir erbringen ja schließlich auch die volle Leistung.“ Ich gebe mich verständnisvoll.

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Umsatzsteigerung?

Mit Brainwashing-Methoden den Auftrag „closen“

Zum Abschluss nordet mich Clemens noch einmal ein. „Im Videomeeting können wir ja noch ein paar Details der Zusammenarbeit und alle offenen Fragen besprechen und zum Ende, wenn dann alles klar ist, den Vertrag abschließen.“ Ich wende ein, dass ich mir nach dem Videomeeting aber noch etwas Bedenkzeit nehmen möchte. Doch damit ist Clemens überhaupt nicht einverstanden. „Wenn alle Fragen geklärt sind, muss es aber dann zu einem Vertragsabschluss kommen, sonst bist du ja noch nicht überzeugt und kannst ja weiter so lange Fragen stellen, bis du wirklich überzeugt bist.“ Ich solle seiner Meinung nach keinesfalls mit der Einstellung daran gehen, dass ich mir danach noch Bedenkzeit nehmen müsste. Mit erscheint es wie ein ziemliches Brainwashing-Programm, um die Kunden unter Druck zu setzen. Diese Vorgehensweise beschreibt auch Rechtsanwalt Schulte: „Unseriöse Anbieter zeichnen sich dadurch aus, dass beim Kunden ein bestimmter Druck zum Abschluss aufgebaut wird z. B. Zeitdruck, dass das Angebot nur zeitlich begrenzt sei, man nicht jeden nehme und/oder nur noch wenige Restplätze frei wären oder ähnlich. Ob dies wirklich so ist, kann durchaus bezweifelt werden. Letztendlich wollen euch die weniger seriösen Coaches meiner Meinung nach sofort zu einem Vertragsabschluss bewegen und so in die ,Vertragsfalle‘ locken.“ So auch bei der „Agency Consulting“.

Die Referenzen: Daten und Fakten oder vielmehr Lug und Trug?

Auf ihrer Website präsentiert die „Agency Consulting“ einige Beispiele von tatsächlich existierenden Unternehmen, die mit Hilfe des Erfolgskonzeptes angeblich ihre Umsätze steigern konnten. So auch die Marketing-Firma einer jungen Frau, die komischerweise genau die gleiche Leistung anbietet wie die „Agency Consulting“ selbst. „So gewinnst du automatisiert Kunden und Mitarbeiter“, heißt es auf ihrer Website. „Du hast keine Lust mehr auf verstaubte Akquisemethoden (…) willst endlich digital sichtbar werden, um auf moderne Art qualifizierte Fachkräfte und neue Aufträge zu gewinnen? 24 Stunden am Tag neue Anfragen erhalten, egal, wo du gerade bist und was du gerade machst…“ usw. Angeblich hat es das Unternehmen mit Hilfe der „Agency Consulting“ geschafft sechsstellige Monatsumsätze zu erzielen. Und das alles durch ein „großartiges Team und planbare Neukundengewinnung durch Online-Werbeanzeigen“. Mit sechsstelligen Umsätzen müsste die Firma mindestens 100.000 Euro im Monat bzw. 1,2 Mio. EUR im Jahr erwirtschaften. Die im Bundesanzeiger veröffentlichte Bilanz spiegelt das jedoch nicht wider. Bei weiteren Referenzunternehmen, die ich überprüfe, verhält es sich ähnlich. Die Zahlen der Bilanzen halten mit den angegebenen Umsatzmargen nicht mit.

Zudem ist auffällig, dass fast jedes Unternehmen die gleichen Leistungen anbietet: Umsatz steigern, neue Kunden gewinnen, Unternehmen skalieren durch Social Media und Online-Marketing oder Social Media Recruiting. Die Websites, die sich dahinter verbergen, sehen auch irgendwie alle gleich aus, schnell und billig mit demselben Baukasten erstellt, verfügen sie über wenig Inhalt und kein uniques Design, dafür sind die Aussagen alle ähnlich plakativ. Teilweise sind die Webseiten auch noch im Aufbau. Einige sind gar nicht erreichbar, was für Unternehmen, die angeblich Umsätze von 50.000 EUR im Monat mit Online-Services erwirtschaften, nicht plausibel ist. Manche Links führen auch auf die gleiche Website, obwohl es zwei verschiedene Unternehmens-Referenzen sind. Hier hat sich beim Fake-Profil wohl der Fehlerteufel eingeschlichen. Jede Website hat ein ähnliches interviewartiges Video fast immer in derselben Umgebung – und die Filmproduktion, die dafür verantwortlich zu sein scheint, wird auch gleich noch als Referenz aufgeführt. Klar, dass die Filmproduktion auch ihren Umsatz auf 30.000 EUR im Monat gesteigert hat und sie mit ihren Videos sofort mehr Kunden gewinnt. Bei einem anderen Referenzunternehmen heißt es: „Der Moment, als die ganze Zeit das Handy geklingelt hat, war unbeschreiblich. Es kam ein Lead nach dem anderen rein! (…) Wir müssen uns nicht mehr nur auf die Kaltakquise verlassen.“ Wiederum andere haben angeblich für namhafte E-Commerce-Unternehmen bereits mehr als 100 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz generiert. Auffällig ist auch, je weiter man die Referenzliste herunter scrollt, umso liebloser, kürzer und knapper werden die Fallbeispiele und Websites. Die Aussagen wiederholen sich, werden immer austauschbarer.

Die Frage nach dem Warum

Der Gründer der so genannten „Agency Consulting“ scheint ein wirklicher Gutmensch zu sein. So liest sich zumindest seine Geschichte. „Als er sich vor über vier Jahren als Webdesigner selbstständig gemacht hat, konnte er sein Unternehmen durch das Testen zahlloser Strategien und Techniken nach und nach auf hohe 6-stellige Gewinne skalieren, ein Team aufbauen und die Akquise automatisieren. Nun hilft er anderen Agentur-Inhabern, genau dies auch für sich zu erzielen.“ Und weiter: „Unsere Mission ist es, Unternehmer dabei zu unterstützen, ihr vollstes Potenzial auszuschöpfen, eine erfolgreiche Agentur aufzubauen und zum High Performer zu werden. Dabei verstehen wir High Performance als die Fähigkeit, erstklassige Ergebnisse im Äußeren zu erzielen, während man tiefe innere Ruhe empfindet.“

Es macht mich jedoch eher unruhig, dass die Bilanzierung der „Agency Consulting“ keinen Beweis auf dauerhafte Umsätze im sechsstelligen Bereich liefert. Im Video verrät der Unternehmensinhaber, warum er die Beratung aufgebaut hat, wenn es doch vorher schon so gut lief. Seine Kernaussage: Ehrlichkeit und Transparenz sind ihm mega-wichtig und als er im Laufe der Zeit festgestellt hat, wie erfolgreich er wurde, hat er beschlossen diese Strategie einfach weiterzugeben. Total nett, oder?

Was kauft man für 6.000 Euro?

Mentoring mit Resultaten oder echte Ergebnisse durch erfolgsbasiertes Consulting – so lautet das Verkaufsversprechen. „Wir begleiten dich, bis deine Ziele erreicht wurden. Dabei können du und dein Team auf unsere revolutionäre E-Learning-Plattform und das Consulting zurückgreifen.“ Rechtsanwalt Schulte über die Methoden der vermeintlichen Coaches: „Zum Einsatz kommen z. B. Videokonferenztools. Oft werden ferner Beratungs- und Unterrichtsmaterialien (Schulungsunterlagen, Tutorials, Videos usw.) online über ein Portal des Anbieters im Rahmen eines persönlichen Zugangs zur Verfügung gestellt. Je nachdem um welche Art des Coaching-Vertrages es sich handelt, ist der Zugang zu diesem Portal zeitlich limitiert.“ Rechtlich handelt es sich laut Schulte bei einem Coaching-Vertrag zumeist um gemischte Verträge mit Schwerpunkt im Bereich des Dienstvertrages. Um einen Werkvertrag handele es sich in der Regel eher selten. „Das hat durchaus erhebliche Auswirkungen für den Kunden. Die für den Kunden im Werkvertragsrecht geltenden gesetzlichen Gewährleistungsansprüche gelten dann nämlich leider nicht“, so Rechtsanwalt Schulte.

Der entsprechende Passus in den AGB von Agency Consulting lautet: „Soweit nicht ausdrücklich schriftlich abweichend vereinbart, schulden wir auch insoweit nicht die Erbringung eines Werks. Dem Kunden ist bewusst, dass ein Erfolg von uns nicht geschuldet wird.“

Das Videomeeting

Der Tag des Videomeetings ist gekommen. Jetzt lerne ich Dominique kennen, der statt eingangs Clemens noch einmal versucht mir die Vorteile des Agency-Consultings nahe zu bringen. Doch alles ist sehr schwammig. Im Laufe des Gesprächs mit dem jungen, smarten, aber noch recht pausbäckigen Berater, der versucht mich mit Online-Marketingsprech um den Finger zu wickeln, stellt sich heraus, dass es doch wieder nur um altbewährte Vertriebspraktiken jedoch in neuem coolen Online-Marketing-Gewand geht. Als ich ihn frage, wie ich denn nun an neue Kunden komme und wie die Akquisestrategien konkret aussehen, lautet die Antwort. „Du hast viele verschiedene Möglichkeiten und kannst die nutzen, mit denen du dich am wohlsten fühlst. Du kannst Cold Calls machen, das mögen meist die Männer lieber, viele Frauen machen lieber Cold E-Mails, weil die Calls ihnen zu direkt sind.“ Ah so, Kaltakquise am Telefon! „Und woher bekomme ich die Adressen für die Cold E-Mailings?“, frage ich. „Och, die kann man ganz günstig im Netz kaufen“, sagt Dominique lapidar. „Dann schickst du deine E-Mailings automatisiert raus und schreibst die, die nicht reagiert haben, nach ein paar Wochen wieder an, das merkt eh keiner.“ Viele würden auch LinkedIn nutzen. Da wäre es wichtig mit einer klaren Positionierung direkt Vertrauen aufzubauen. Mit ihrer Strategie wären auch nur zwei LinkedIn-Mails nötig, um einen neuen Auftrag zu generieren. Mehr will er mir aber nicht verraten. Er verspricht mir umfassende Hilfe bei meinen Marketing-Aktivitäten. Ich kann mich mit anderen Unternehmern, die „auf der gleichen Reise sind“, im Chat austauschen oder ein Einzel-Coaching buchen.

Nun will Dominique aber unbedingt „closen“, d. h. mich zum Vertragsabschluss bewegen. Er schickt mir ein automatisiertes Angebot zu, das ich direkt online abschließen kann. So funktioniert also ein Sales-Funnel. Nach Vertragsabschluss erhalte ich auf der E-Learning-Plattform genaue Skripten und Anweisungen zur Erstellung meines eigenen Sales-Funnels.

Sonderkündigungsrecht statt Erstattung

Im Vertrag steht: „Sollten Sie nach 90 Tagen nach Beginn unserer Zusammenarbeit keinen Umsatz von mindestens 6.000 Euro (gemessen am Auftragsvolumen) erzielt haben, steht Ihnen ein Sonderkündigungsrecht zu.“ Und es folgt, wie bereits erwähnt, eine ganze Latte an Pflichten, die man zu erfüllen hat. Von Geld zurück oder 10.000 Euro extra als Entschädigung steht da aber nichts. Am Ende des Vertrages fällt mir noch der Hinweis ins Auge: „Bitte beachten Sie, dass die tatsächlichen Ergebnisse von zahlreichen Faktoren abhängen können, einschließlich der Qualität Ihrer Umsetzung der in den Modulen vermittelten Strategien und Techniken. Daher können wir keine Garantien oder Zusicherungen hinsichtlich spezifischer Ergebnisse machen.“

Vertragsabschluss mit CopeCart? Besser nicht.

Noch augenfälliger sind die Hinweise zum Vertragsabschluss über den Zahlungsdienstleister CopeCart in den AGB. „Ein Vertragsschluss kommt zustande, wenn der Kunde (…) nach Auswahl eines Produkts oder Pakets im Webshop des Anbieters und Weiterleitung auf den Zahlungsabwicklungsdienstleister https://www.copecart.com die dort zum Abschluss des Vertrages notwendigen Schritte durchläuft. Der Vertragsschluss auf CopeCart kommt (…) durch Klick auf den Button „jetzt kostenpflichtig bestellen“ zustande. Für Bestellungen über CopeCart gelten die AGB von CopeCart.“

Spätestens bei dem Hinweis auf CopeCart müssten jetzt überall die Alarmglocken läuten. Zuletzt hat der Satiriker Jan Böhmermann in der ZDF-Sendung Magazin Royale über das Thema berichtet. Youtube: ZDF MAGAZIN ROYALE: „SO machst DU Erfolgs-Coaches richtig ERFOLGREICH“. Dabei wird die Berliner Verkaufsplattform CopeCart als Steigbügelhalter der unseriösen Coaching-Szene kritisiert. CopeCart übernimmt die Vertragsabschlüsse und Verrechnung der Abos und spielt in der Szene eine sehr wichtige Rolle. Über 600 Beschwerdefälle zu CopeCart wurden bereits gemeldet, insbesondere weil CopeCart einen Ausschluss des Widerrufs in seine Verträge integriert hat. Dieser so genannte „Widerrufsrechtverzicht“ kann möglicherweise sogar rechtlich zulässig sein. Das heißt auch mit anwaltlicher Unterstützung kann es schwierig werden aus einem einmal geschlossenen Vertrag wieder herauszukommen. Und ob man sein einmal gezahltes Investment zurückerhält, ist mehr als fraglich.

Zu Dominique, der in unserem Video-Meeting noch immer alles dafür gibt, damit ich den Vertrag mit „Agency Consulting“ abschließe, sage ich, dass ich jetzt alle Informationen hätte und mir in Ruhe über eine mögliche Zusammenarbeit Gedanken machen würde. Dominique ist „not amused.“ Ich verabschiede mich und schließe das Browser-Fenster.

Alexandra von Hirschfeld

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