Wie Altersvorsorge sexy wird

Die Vorsorgelücke lässt sich nicht wegdiskutieren. Wer im Alter finanziell gut aufgestellt sein möchte, sollte sich nicht allein auf die gesetzliche Rente verlassen. Denn diese reicht in den seltensten Fällen aus, um seinen bisherigen Lebensstandard zu halten. Obwohl sich jedoch laut Umfragen junge Menschen häufig vor Altersarmut fürchten, bleiben viele tatenlos. Wir sprachen mit Stadtsparkassen Privatkunden-Vorstand Dr. Michael Meyer und Regionalmarktleiter Armin Majic.

// Warum scheuen sich die Menschen, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern?

Dr. Michael Meyer (MM): Viele junge Leute sagen: Das geht mich nichts an, weil es noch ganz weit weg ist. Das ist der erste große Fehler, weil sie es natürlich am einfachsten haben, etwas zu tun. Denn je früher sie anfangen, desto mehr Zeit haben sie, um den Zinseszinseffekt wirken zu lassen. So können sie mit kleineren Beträgen, auch mit 50 Euro im Monat, substanziell etwas heben. Das ist für jemanden, der mit 50 erst anfängt, natürlich eine deutlich schwierigere Ausgangssituation, weil er nicht so viel Zeit hat.

// Wodurch ergibt sich denn überhaupt die Versorgungslücke?

M. M.: Zunächst gibt es ja per se zwischen dem, was man netto verdient und der gesetzlichen Rente eine Differenz und die wird perspektivisch eher größer als kleiner. Hinzu kommt, dass in einer dramatisch älter werdenden Bevölkerung die Jüngeren in einem umlagefinanzierten Rentensystem eine immer größere Last tragen müssen. Ob das politisch dauerhaft durchhaltbar ist oder ob durch regulatorische Änderungen, also Gesetzesänderungen, die Lücke nicht sogar noch größer wird, ist fraglich. Und das muss man absichern.

 Viele junge Leute sagen: Das geht mich nichts an, weil es noch ganz weit weg ist.

Dr. Michael Meyer

Vorstandsmitglied der Stadtsparkasse Düsseldorf

// Welche Rolle spielt die Inflation?

M. M.: Die gute Nachricht ist: Wir haben wieder Zinsen. Wir haben aber auch wieder Inflation, die wir lange nicht kannten. Und wenn man über eine Lücke nachdenkt, die man in 30 Jahren hat, darf man die zu erwartende Inflation nicht vernachlässigen. Wenn wir mit einem Guthaben von 25.000 Euro starten und eine Inflation von 2 Prozent unterstellen, beträgt der Kaufkraftverlust 11.363 Euro. Auf 30 Jahre bedeutet dies eine kumulierte Inflation von ca. 45,45 Prozent.

// Stichwort Zinsen. Früher gab es das klassische Sparbuch, das zur Zeit der Nullzinsperiode „eingemottet“ wurde. Was empfehlen Sie heute?

Armin Majic (AM): Ich glaube, es kommt dar- auf an, wofür man spart, wie lang der Anlagehorizont ist und was man für eine Risikobereitschaft hat. Wir haben eine Phase erlebt, wo Sparen auf Einlageprodukten überhaupt keinen Sinn gemacht hat. Insbesondere für nicht sehr risikoorientierte Kunden mit einer mittleren Anlagedauer kann man da jetzt differenzierter draufschauen. Wir haben Anlageprodukte, bei denen wir unseren Kunden rund die drei Prozent bei der entsprechen- den Bindung bieten. M. M.: Das kann durchaus eine Option sein, wenn man für ein paar Jahre Geld anlegen will und wirklich sicher sein will, dass man einen bestimmten Betrag zurückbekommt. Je länger der Betrachtungszeitraum wird und je mehr man Vorsorgesparen fürs Alter macht, setzt das auch einen langen Sparprozess voraus. Dabei sollte unbedingt auch der Kapitalmarkt berücksichtigt werden. Denn eine Anlageform, die am Ende die Aktienmärkte außen vor lässt, ist aus meiner Sicht falsch, wenn man über einen längeren Zeitraum anlegt.

Unser Credo: Machen, anfangen. Es ist nie zu spät. Ob jung oder alt.

Armin Majic

Reginoalmarktleiter, Stadtsparkasse Düsseldorf

 // Und das Risiko?

M. M.: Das Risiko ist aus unserer Sicht eines, das sich über die Länge des Zeitraums glättet. Sie haben zwei Effekte, wie Sie das Risiko bei einer am Ende aktienorientierten Anlage verringern. Das eine ist, wenn Sie wirklich kontinuierlich ansparen. Ich nehme einmal das Beispiel jeden Monat 100 Euro. Das heißt, Sie kaufen zu hohen Kursen ein, Sie kaufen zu niedrigen Kurven ein, am Ende kaufen Sie zu einem Durchschnittssatz ein. Das zweite ist: Je länger Sie drin sind, desto mehr haben Sie die Chance, dass die Schwankungen raus nivellieren.

A. M.: Wenn Sie heute 10.000 Euro für drei Jahre in Aktien anlegen, ist das eher mit einem hohen Risiko behaftet. Wenn Sie es heute anlegen und Sie wollen es in 50 Jahren zurückbekommen, ist das eine relativ sichere Sache, weil die Schwankungen sich über die Jahre immer wieder ausgleichen. Dazu gibt es auch empirische Untersuchungen. Je länger Sie anlegen und je mehr Sie tatsächlich einsparen, desto sicherer ist am Ende auch die wertpapierorientierte Anlage.

// Was würden Sie denn jemandem raten, der schon etwas älter ist und in der Altersvorsorge noch nicht die entsprechenden Rücklagen geschaffen hat, Stichwort 50 plus?

M. M.: Es wäre falsch, komplett vor dem The- ma wegzutauchen, weil es auch mit 50 noch Möglichkeiten gibt. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, wenn man dann mit 50 Jahren anfängt und spart monatlich 50 Euro, wird man natürlich nie die Beträge erreichen, die ein 20-Jähriger erreicht, der 30 Jahre vorher angefangen hat. Aber es lohnt sich immer aktiv zu werden.

A. M.: Das ist auch genau unser Credo: Machen, anfangen. Es ist nie zu spät. Ob jung oder alt. Wir haben aber auch die Problematik, dass die jungen Leute nicht so richtig aus dem Quark kommen wollen, weil die Sachen auch tendenziell zu kompliziert anmuten.

Das Thema Altersvorsorge braucht einen Übersetzer.

Armin Majic

Reginoalmarktleiter, Stadtsparkasse Düsseldorf

// Welche Instrumente bieten Sie den Kunden zur Altersvorsorge? Wie sieht es z. B. mit Lebensversicherungen aus? Die waren ja auch schon einmal „vom Tisch“ …

M. M.: Auch Versicherungen sind wieder Thema. Sie können auch über einen Lebensversicherungsmantel in den Aktienmarkt investieren. Und die steuerlichen Vorteile, die mit einer Lebensversicherung zusammenhängen, nutzen. Details kann man im Kundengespräch immer individuell anschauen, weil wir natürlich keine Steuerberater sind. Manchmal gibt es auch Aspekte, die über die reine Altersvorsorge hinausgehen. Für einen jungen Familienvater hat natürlich eine Versicherung auch Absicherungsaspekte für den Todesfall. Deswegen schauen wir uns immer den Einzelfall an. Wir kennen das Spektrum der Möglichkeiten und finden dann gemeinsam heraus, was die beste Antwort auf das Thema ist.

A. M.: In der Beratung gehen wir stets ergebnisoffen vor. Entscheidend sind die persönlichen Bedürfnisse. Es gibt auch ganz moderne Möglichkeiten, z. B. kann man einen Robo Advisor seine Altersvorsorge steuern lassen. Insgesamt ist das Thema Altersvorsorge viel- schichtiger und auch in vielerlei Hinsicht komplizierter geworden. Es braucht einen Übersetzer. Wir nehmen die Leute an die Hand, möchten es ihnen einfacher machen.

// Wie wollen Sie das Thema vereinfachen?

A. M.: Wir haben neue Beratungskonzepte entwickelt und unsere Mitarbeiter speziell zum Thema Altersvorsorge geschult. Vor Kurzem wurden noch einmal 36 Kollegen vom Institut für Vorsorgeberater zertifiziert. Wir arbeiten auch viel mit Visualisierungen und versuchen ein Bewusstsein zu schaffen. Wenn Sie heute zweieinhalbtausend Euro netto haben und im Alter vielleicht nur noch 47 Prozent davon, dann klafft da eine Lücke, die wir offensichtlich machen wollen. Und dann möchten wir nicht einfach runterblättern, was es gibt, sondern über gezielte Fragestellungen die verschiedenen Bedürfnisse, Ziele und Wünsche ermitteln. Zum Beispiel das Thema Immobilie. Auch eine Immobilie kann eine Form der Altersvorsorge sein.

M. M.: Über 70 Prozent der Deutschen geben in Befragungen an, dass ihre Lieblingsform der Altersvorsorge die selbstgenutzte Immobilie ist. Das Problem ist nur, dass die Finanzierbarkeit heute eine andere ist. Vielleicht kann ein Zwischenschritt der Abschluss eines Bausparvertrages sein. Damit sichert man sich ein zinsgünstiges Darlehen und spart Eigenkapital an für den Erwerb einer Immobilie.

// Wie können junge Leute es heutzutage überhaupt noch schaffen, ein Haus oder eine Wohnung zu erwerben?

A. M.: Es gibt zwei Effekte. Zum einen sind die Zinsen gestiegen. Gleichzeitig sind durch die Inflation die Lebenshaltungskosten in die Höhe geklettert. Wir als Bank müssen darauf schauen, dass am Ende der Kreditnehmer nach dem Bezahlen der Rate noch Geld zum Leben hat. Das wird natürlich zunehmend schwieriger. M. M.: Das sehen wir auch in den Absatzzahlen der privaten Baufinanzierung, die wir verkaufen. Es gibt zwei Möglichkeiten. Das eine ist einfach ein kleineres Objekt, damit es bezahlbar wird. Wenn das nicht geht, dann auf der Finanzierungsseite gucken. Entweder erstmal ansparen, bevor man kauft. Oder vielleicht die zu erwartenden Erbschaften in Form von Schenkungen vorziehen.

// Über welche Kommunikationskanäle wird das Thema Altersvorsorge für die junge Generation kommuniziert?

A. M.: Wir haben einen Tik Tok-Kanal mit über 30.000 Followern unter unserer Marke smoney, über den wir junge Leute mit speziellen Videos und Infos abholen und eben Financial Education machen. Wir haben einen öffentlichen Bildungsauftrag. Mit smoney machen wir viele Veranstaltungen, dazu laden wir auch Schulen ein. Wir haben eineLandingpage, auf der man sich informieren kann. Dort gibt es einen Altersvorsorge- Rechner und immer wieder am Ende die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. M. M.: Wir sehen auch gerade, was in der jungen Zielgruppe funktioniert. Das gibt es relativ viele, die ETF basierte Sparpläne (ETF = „Exchange Traded Funds“, Amm. d. R.) nutzen. Anleger und Anlegerinnen zahlen in einen gemeinsamen Anlagetopf ein. In diesem werden einzelne Wertpapiere gesammelt, die die Entwicklung eines Index möglichst genau nachbilden. Als Anlegerin oder Anleger können Sie so auch mit geringem Startkapital in unterschiedliche Märkte investieren und langfristig Vermögen aufbauen. Unser eigenes ETF- Konzept, ein Robo-Advisor unter dem Namen Findus, spricht die jungen Leute an, weil sie ETFs und KI irgendwie sexy finden. Wenn man das auf den Kern reduziert, ist das eine kapitalmarktorientierte Anlage, die auf jährlicher Sparleistung basiert.

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