Erbschaftsauseinandersetzungen werden in der Regel von keiner Rechtsschutzversicherung abgedeckt. Umso wichtiger ist es, sein Erbe und seinen Nachlass rechtzeitig zu regeln, damit nach der Zeit der Trauer nicht die Zeit des bösen Blutes kommt. Denn neben einem Berg an Formalitäten, die erledigt werden müssen, steht oft die Teilung des Erbes an. Wie belastend ein plötzlicher Todesfall ist, bei dem nichts geregelt ist, hat die Rechtsanwältin Dörte Berendes-Schaefer am eigenen Leib erfahren. Wir besuchten sie in ihrer Kanzlei in Düsseldorf-Oberkassel.
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„Erben ist sehr emotional.“
Dörte Berendes-Schaefer, Rechtsanwältin
Sie haben Ihren langjährigen Teilzeit-Job als Juristin bei den Stadtwerken vor einien Jahren gekündigt, um sich voll und ganz Ihrer Erbrechtskanzlei widmen zu können. Das ist fast so, als ob jemand einen Beamtenjob kündigt …
Dörte Berendes-Schaefer: Stimmt, die Entscheidung zu 100 Prozent selbstständig zu sein, ist mir auch nicht leichtgefallen, weil mir Sicherheit sehr wichtig ist. Aber ich bin auch gerne unabhängig und treffe meine eigenen Entscheidungen. Und es gab einen konkreten Auslöser. Mein Vater ist 2017 mit 77 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben und ich war plötzlich Teil einer Erbengemeinschaft, in der nichts geregelt war, keiner einen Einblick in seine Vermögenssituation hatte und keiner wusste, was zu tun ist.
Und was haben Sie getan?
Dörte Berendes-Schaefer: Zunächst einmal haben wir uns darüber als Patchworkfamilie kennengelernt. Vorher kannten mein Bruder ich unseren Halbbruder aus der zweiten Ehe meines Vaters kaum. Mein Vater war selbst- ständig, er hatte ein Antiquitäten- und Restaurierungsgeschäft in München. Wir drei Erben haben über 100 Ordner durchgesehen und wussten bis zum Schluss nicht, ob es nicht doch ein Testament gibt und natürlich mussten wir in der Zeit auch die laufenden Kosten für das Geschäft etc. begleichen und das Geschäft abwickeln. Das alles neben dem eigenen Leben mit Job und Familie – meine Zwillinge waren zu dem Zeitpunkt noch im Kindergartenalter – war sehr aufwändig und komplex. Die Abwicklung hat mich ein Jahr gekostet. Und danach hat mich das Thema Vorsorge und Nachfolgeplanung einfach nicht mehr losgelassen. Das war die formale Seite. Die emotionale Seite war, dass mir sehr bewusst wurde, dass das Leben endlich ist und offene Fragen ungeklärt bleiben. Ich hätte auch gerne gewusst, was meinem Vater wichtig gewesen wäre, was er hinterlassen wollte und – auch ganz einfach – wie und wo er bestattet werden wollte.
Und dann haben Sie juristisch umgesattelt?
Dörte Berendes-Schaefer: Zunächst hatte ich die Idee, einen digitalen Berater für Erben zu entwickeln, der sie dabei unterstützt, ihren Nachlass abzuwickeln. Da ich nach meiner Elternzeit nur noch in Teilzeit gearbeitet habe, konnte ich – zusammen mit meinem Mann, der Steuerberater ist, – in das Ignition Accelerator Programm vom digihub in Düsseldorf und damit in die Start-up Community einsteigen. Das war eine spannende Zeit, aber am Ende stand die Erkenntnis, dass das Erbrecht einfach zu komplex ist und die Menschen persönlichen Rat und Begleitung brauchen und keinen Chatbot. Es geht auch nicht immer nur um die juristisch richtige Lösung,sondern um die Geschichte dahinter. Fachlich bin ich immer tiefer ins Erbrecht eingetaucht, habe einen Fachanwaltslehrgang im Erbrecht, einen Testamentsvollstreckerlehrgang und viele weitere Fortbildungen absolviert. Am Anfang habe ich Freunde und Familienmitglieder beraten. Das hat sich schnell herumgesprochen und so kamen immer mehr Mandate hinzu, so dass ich schließlich den Entschluss gefasst habe, mich auf Rechtsberatung rund um Erben und Vererben zu fokussieren.

Foto: Jochen Rolfes
„Ich sehe mich als empathische Anwältin und Mitstreiterin für meine Mandanten.“
Dörte Berendes-Schaefer, Rechtsanwältin
Was fasziniert Sie am Erbrecht?
Dörte Berendes-Schaefer: Die Themen Vorsorge, Erben und Nachlass sind für alle Beteiligten sehr emotional und vielleicht gerade deswegen zu meiner Passion geworden. Jeder Fall ist persönlich und berührt mich. Letztens bin ich als Schriftzeugin zusammen mit meinem Mandanten auf der Palliativstation im Krankenhaus gewesen. Die Mutter des Mandanten war unheilbar an einem sehr schnell fortschreitenden Krebs erkrankt und nicht mehr in der Lage einen Sitft zu halten. Im Beisein eines Notars konnte sie kurzfristig noch ein Testament errichten und eine Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung erteilen.
Aber das ist eher ein Extremfall, nehme ich an?
Dörte Berendes-Schaefer: Definitiv. Im besten Fall werde ich für meine Mandantinnen und Mandanten präventiv, also zu ihren Lebzeiten und in bester Gesundheit tätig und berate bei der Gestaltung der Vorsorge und der Nachfolgeplanung. Bei der Nachfolgeplanung geht es darum, gemeinsam mit dem oder den Mandanten ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Ziel ist es, die Wünsche des oder der Mandanten und – wenn gewünscht – weiterer Beteiligter unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie Steuern, Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten, Risiken von Sozialbehörden u. a. optimal umzusetzen. Neben einer Vielzahl von testamentarischen und vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten gibt es auch die Möglichkeit Vermögen bereits zu Lebzeiten zu übertragen und sich Nutzungen, wie zum Beispiel Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht ,vorzubehalten, Erb- und Pflichtteilsverzichte zu vereinbaren und vieles mehr. Wenn mich ein Mandant als Testamentsvollstreckerin bestimmt, kann ich sicherstellen, dass der Wille und die Wünsche des Erblassers über seinen Tod hinaus umgesetzt werden. Aber natürlich vertrete ich auch die Interessen meiner Mandanten in allen streitigen Sachen wie Erbstreitigkeiten oder Pflichtteilsprozessen.
Das klingt nach Ärger und Rechtsstreit …
Dörte Berendes-Schaefer: Das muss nicht sein. In vielen Fällen geht es auch um die juristische Beratung, weil die Rechtslage nicht immer allen klar ist und insbesondere bei Patchworkfamilien sehr schnell sehr kompliziert werden kann. Jeder Fall ist individuell. Von Anwälten erwarten die Mandanten immer eine Lösung, aber weil das Thema sehr viel mit der Familiengeschichte zu tun hat, habe ich eine Ausbildung als Mediatorin absolviert, die ich im letzten Oktober am INeKO in Köln abgeschlossen habe. Ich habe viel über Konflikte, den dahinter liegendenpsychologischen Konzepten und den Umgang mit Konflikten, sowie über Kommunikations- und Verhandlungstechniken gelernt. Dieses Wissen hilft mir auch bei meiner täglichen Mandatsarbeit und bei Gesprächen, bei denen sich meine Mandanten eine einvernehmliche Lösung wünschen. Während ich hauptsächlich als Rechtsanwältin im Erb- recht tätig bin, biete ich aber auch Mediation an. Als Mediatorin bin ich allparteilich, neutral und gebe keinen Rechtsrat. Ich unterstütze die Parteien im Rahmen eines strukturier- ten Prozesses dabei, ihre unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse zu identifizieren und selbst zu einer einvernehmlichen Lösung zu finden.
Auf welche Gemütslagen treffen Sie denn da?
Dörte Berendes-Schaefer: Bei den Erben kommt oft der Frust aus der Kindheit hoch, so unter dem Motto „Ich war immer die Doofe und jetzt bekomme ich auch nicht, was mir eigentlich zusteht.“
Was sind denn die häufigsten Irrtümer beim Thema Erben?
Dörte Berendes-Schaefer: Auf Platz eins rangiert: „Ich habe doch nichts, also muss ich nichts machen und „Die gesetzliche Erbfolge entspricht dem, was ich will.“ Dann wissen viele nicht, dass sie pflichtteilberechtigt sind, auch wenn sie enterbt wurden. Und bei Ehepaaren, die keine Kinder haben, wissen die Ehepartner nicht, dass nach der gesetzlichen Erbfolge die Eltern des verstorbenen Partners oder dessen Geschwister mit in der Erbengemeinschaft sitzen.
Gesetzt den Fall ein Testament, eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht liegen vor, wo sind sie am besten aufgehoben?
Dörte Berendes-Schaefer: Wenn jemand informiert ist, in welcher Schublade er die Unterlagen findet, ist das schon mal gut. Sicherer ist es, die Vorsorgevollmacht in Verbindung mit der Patientenverfügung beim Zentralen Vorsorgeregister zu registrieren und das Testament beim Amtsgericht zu hinterlegen.

Dörte Berendes-Schaefer
// Geboren und aufgewachsen in München, zog es sie zum Studium u. a. nach Freiburg, Leeds (England) und nach Christchurch in Neuseeland.
// Bevor sie sich selbstständig machte, war sie als Rechtsanwältin und Consultant tätig und bei den Stadtwerken Düsseldorf Projektleiterin/-juristin im Bereich Kooperationen/ Anteilskäufe und -verkäufe.
// Die Juristin hält Vorträge zum Thema Erbrecht bei Unternehmen, Organisationen und Vereinen. Sie ist Mitglied bei den Working Moms e.V., dem Deutschen Juristinnenbund und bei den Soroptimisten in Kaiserswerth aktiv.
// Dörte Berendes-Schaefer ist gerne in der Natur und hat gerade Tennis für sich wiederentdeckt. Seit 2007 wohnt sie mit ihrer Familie in Düsseldorf-Oberkassel.
https://kanzlei-dbs.de/
