Der Düsseldorfer Fotograf Alexander Vejnovic flog in die Ukraine, um
in Charkiw ein Seminar über Bewerbungsfotos zu halten. Zurück kam er mit einer Beziehung zu den Menschen der Stadt und Porträts aus der Armenküche.

Charkiw? Nie gehört. Das ging auch dem Düsseldorfer Fotografen Alexander Vejnovic nicht anders, als ihm der ehemalige Direktor des Nürnberger Hauses Anatolii Mozghovyi eine E-Mail schrieb. Dabei ist Charkiw nach Kiew mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine und mit 42 Universitäten und Hochschulen eine Bildungsmetropole, in der auch fleißig Deutsch gelernt wird. Viele Germanistikstudenten zieht es dann nach Deutschland, um z. B. ein Stipendium für einen Sommersprachkurs über den Deutschen Akademischen Austauschdienst  (DAAD) zu bekommen, den Master an einer deutschen Universität zu machen oder um hier zu arbeiten. Dazu braucht man aber vernünftige Bewerbungsbilder. 

Direktor Mozghovyi recherchierte im Internet und stieß auf den Artikel „Bitte nicht lächeln“ , klickte von da aus auf Vejnovics Homepage für Bewerbungsbilder und dann fragte das Kultur- und Bildungszentrum Nürnberger Haus bei dem Fotografen offiziell an, ob er in Charkiw ein Seminar über Bewerbungsfotos anbieten könne. Denn solche Fotos würde man in der Ukraine nicht kennen. 

Der Weg zur Armenküche

Alexander Vejnovic sagte zu, buchte einen Flug über Kiew nach Charkiw und porträtierte die Studenten im Nürnberger Haus. Neugierig auf Land und Leute fragte er in seinem Kurs an, wer mit ihm einmal durch die Stadt ziehen würde. Und so wurde Gleb Charenko sein privater Reiseführer durch die ukrainische Millionenstadt. Die Beiden landeten bei ihrer Sightseeingtour in einem Restaurant, das mittags Bedürftige beköstigt, auch ein Projekt des Nürnberger Hauses. „Als ich die Menschen dort sah, hatte ich nur einen Wunsch, sie porträtieren zu dürfen“, so Vejnovic. Gleb fragte die Menschen auf Russisch, ob sie fotografiert werden wollten, der Rest lief mit Zeichensprache zwischen Fotograf und Porträtierten ab. „Die Menschen freuten sich darüber, dass jemand aus dem reichen Deutschland kam und sich für sie interessierte“, erzählt der Fotograf. Am Ende hielt eine Ukrainerin eine Rede auf Russisch und bedankte sich bei dem Fotografen, Gleb übersetzte. 

Für Alexander Vejnovic, der 20 Jahre als Modefotograf tätig war, dann der Welt des schönen Scheins den Rücken kehrte und sich auf Porträtfotografie spezialisierte, war dieses Fotoshooting in der Armenküche ein ganz besonderes Erlebnis. „Wenn Menschen in Deutschland zu mir zum Shooting kommen, versuchen sie sich freiwillig zu nivellieren, also so auszusehen wie alle. Sie möchten einem Schönheitsideal entsprechen und verlieren dabei ihre Ausstrahlung und das Gefühl für ihre eigene Persönlichkeit, eigentlich für alles, was sie ausmacht.“ 

Die rund 40 Menschen in Charkiw, die sich täglich in dem Restaurant treffen, um eine warme Suppe und etwas Gemüse zu bekommen, genießen die Gesellschaft für ein, zwei Stunden, bevor sie wieder alleine zu Hause sind. Für diese kurze Zeit am Mittag haben sie das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein, dazuzugehören und gesehen zu werden. Diese Würde und dieser Stolz spiegelt sich in ihren Gesichtern, die vom entbehrungsreichen Leben in der Ukraine erzählen. 

Für den Fotografen ist das Kapitel Ukraine auch nach drei Jahren nicht abgeschlossen. Er plant eine Ausstellung mit den Fotos der Menschen aus der Armenküche und hat immer noch Kontakt zu einigen ukrainischen Studenten. Die promovierte Historikerin Viktoriia Svyrydenko traf Alexander Vejnovic zusammen mit seiner Frau in Budapest, sie kam in sein Studio nach Pempelfort und gemeinsam besuchten sie das Haus der Geschichte in Bonn. Was sein Fremdenführer Gleb Charenko so treibt, das erfährt der Fotograf auf Facebook.              

Susan Tuchel

© Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

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