Mehr digitale Innovationen made in NRW – damit die Wirtschaftsregion Rheinland im internationalen Wettbewerb zukunftsfähig bleibt, steht die Förderung von Start-ups zunehmend auf der Agenda. Digitaler Pacemaker in Düsseldorf ist vor allem der digihub. Er unterstützt Gründerteams bei der Ideenvalidierung, Prototypenentwicklung und Markteinführung ihrer digitalen Produktinnovationen.

digihub-Geschäftsführer Peter Hornik

© Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

Mit einem großen Netzwerk aus unterschiedlichen Akteuren wie Städten und Gemeinden, IHKs, Mittelstand und Corporates, Co-Working-Spaces,
Finanzinstituten, Hochschulen und Business Angels werden vielversprechende Ideen konzeptionell und finanziell gepusht. Wir besuchten digihub-Geschäftsführer Peter Hornik, der gemeinsam mit Dr. Klemens Gaida Geschäftsführer des digihub ist, im Co-Working-Space an der Speditionstraße im Düsseldorfer Medienhafen und unterhielten uns mit ihm über Start-ups und Fördermöglichkeiten sowie spannende neue digitale Produkte in Zeiten von Corona.

Ihr Slogan lautet: Wir digitalisieren NRW. Doch was macht der Hub eigentlich?

Peter Hornik: Wir bringen die richtigen Leute zusammen. Wir sind Matchmaker zwischen Start-ups, etablierten Unternehmen aus Mittelstand, Industrie und Dienstleistung, der Wissenschaft und Investoren. Mit dem klaren Ziel, dass neue digitale Produkte entstehen oder Start-ups eine Finanzierung bekommen. Gleichzeitig haben wir ein Start-up-Förderprogramm, in welchem digitale Produkte bis zur Prototypen-Reife entwickelt werden. Das Programm dauert fünf Monate und wird dreimal pro Jahr aufgelegt. Mit jeweils fünf bis sechs Start-ups in jeder Klasse fördern wir 15 bis 18 Start-ups pro Jahr. 

Wie sieht das in der Praxis aus?

Peter Hornik: Wir sind eine Veranstaltungsmaschine. In der Vergangenheit haben wir natürlich überwiegend physische Events veranstaltet – von klein bis groß. Das beginnt mit unserem monatlichen Gründerfrühstück, wo normalerweise jeden Monat 40 bis 60 Personen zusammenkommen, um sich über Thema Gründung, über unser Förderprogramm und über das Gründerstipendium NRW auszutauschen. Wir können aber auch groß, wir haben innerhalb von vier Jahren Deutschlands größte Start-up-Veranstaltung für den Bereich Industrial Tech entwickelt, den digital demo day. Im Februar dieses Jahres haben wir das unverschämte Glück gehabt den digital demo day auf dem Areal Böhler noch regulär durchführen zu können. Hier sind 175 Technologie-Start-ups auf fast 4.000 Besucher getroffen, d. h. sie haben sich Unternehmenseigentümern, Geschäftsführern, Vorständen und Investoren präsentiert, mit dem Ziel, Pilotprojekte zu realisieren, gelisteter Lieferant zu werden oder ein Investment zu bekommen. Die nächste Ausgabe planen wir für Juni 2021 – natürlich in einer coronakonformen Umgebung. 

Angenommen ich bin Gründer und habe eine tolle Idee, wie komme ich mit Ihnen zusammen?

Peter Hornik: Sie finden unsere Angebote unter digihub.de und dort stehen auch die Kontaktdaten von mir und meinen Kollegen. 

Wie hoch sind denn die Fördersummen, die der digihub ermöglicht?

Peter Hornik: Jedes Start-up, das in unser Förderprogramm aufgenommen wird, erhält eine Förderung von bis zu 25.000 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus einem Teil, der für die „Onboarding Woche“ vorgesehen ist, in der gemeinsame Coachings und Mentorings stattfinden. Und einem Teil – üblicherweise ist das ungefähr die Hälfte – den sie einsetzen können, um einen Prototypen zu bauen. Dass sie wirklich etwas bauen können, ist auch die große Besonderheit des digihubs gegenüber anderen Programmen. 

Können Sie uns Beispiele nennen von Produkten, die Ihre Start-ups entwickelt haben?

Peter Hornik: Geben Sie mir mal eine Sekunde, da habe ich nämlich die Expertin direkt nebenan sitzen, Uljana Engel, unsere Senior Accelerator Managerin.

Uljana Engel:  Wir haben jüngst einen 3D-Drucker gehabt, der in Serie produzieren kann. Dafür musste eine Spezialsoftware entwickelt werden. Schwerpunktthema war dabei die Fehlervermeidung bzw. schnelle Anomalie-Detektion von Abweichungen, damit die Produktion weiterlaufen kann und Ausschuss reduziert werden kann. Die Anomalie-Detektion funktioniert unabhängig von dem eingesetzten Material, ist also selbst bei Metall-3D-Druck möglich. Mit dem Drucker werden jetzt beispielsweise Kunststoff-Gesichtsmasken und andere medizinische Produkte hergestellt.

Ein weiteres gutes Beispiel ist eine App zur Vorbeugung oder Unterstützung von Menschen mit der Krankheit Fatigue, also schneller Ermüdung. Die App unterstützt sie über eine SmartWatch, indem man zum Beispiel beim Fitnesstraining gewarnt wird: „Wenn du jetzt noch zehn Minuten weiterläufst, ist es wieder schlechter um deinen Gesundheitszustand bestellt. Wir empfehlen dir jetzt dich hinzulegen oder eine Pause einzulegen.“ Eine weitere App aus dem medizinischen Bereich unterstützt pflegende Angehörige. Sie hilft dabei, dass ich beispielsweise kontrollieren kann, ob meine Oma ihre Medikamente einnimmt. Ich kann ihren Gesundheitszustand über die App überprüfen und überwachen. Dabei werden die Vitaldaten bis hin zum Sturz erfasst, so dass ich sofort Zugriff darauf habe und ggf. einen Notruf absetzen kann. 

Wie viele Start-ups haben Sie bereits begleitet?

Peter Hornik: Wir unterstützen pro Jahr fünf bis sechs Teams, also 15 bis 18 Start-ups. Insgesamt haben bereits 55 Start-ups erfolgreich unser Programm durchlaufen. Darüber hinaus sind wir eine akkreditierte Stelle für das Gründerstipendium NRW, da geht es um Einzel-Stipendien für Gründer, die das Land Nordrhein-Westfalen vergibt. Das sind 1.000 Euro Grundsicherung pro Monat für 12 oder aktuell 15 Monate. Das Stipendium ist auch kombinierbar mit unserem Start-up-Programm. Dahinter steckt der Gedanke des Wirtschaftsministeriums: Es gründet sich erfolgreicher, wenn ich weiß, dass die Miete bezahlt und der Kühlschrank voll ist. Insgesamt haben wir bislang Empfehlungen für 120 Einzelstipendien ausgesprochen.

Wie viele Start-ups werden denn tatsächlich erfolgreich?

Peter Hornik: Nur ein bis zwei von 20 Start-ups werden richtig erfolgreich. Im Schnitt sind 80 bis 90 Prozent aller Technologie-Start-ups nach 18 Monaten nicht mehr da. Weil das Produkt doch keiner gebraucht hat, weil man zu früh oder zu spät war, weil es technologische oder regulatorische Hürden gab, die nicht zu nehmen waren. Das ist vollkommen normal und auch wir können das nicht aushebeln. Wenn man sich einmal die Investoren anschaut: Diese investieren mit ihrem Fonds üblicherweise über eine Spanne von fünf Jahren in 20 bis 25 Start-ups. Bei jeder Investitionsentscheidung glaube ich, das wird das nächste Google, aber nach drei Monaten sieht die Welt schon ganz anders aus. Die Mathematik dahinter sieht so aus: Gehen wir mal von 20 Start-ups aus. Rund 16 davon werden nach drei Jahren weg vom Markt sein. Zwei davon werden vielleicht solide Mittelständer. Und ein bis zwei muss man immer im Portfolio haben, die die Totalverluste der anderen komplett rausreißen und den Investoren eine vernünftige Verzinsung bieten. 

Woher kommen denn Ihre Fördergelder?

Peter Hornik: Die eine Hälfte unserer Fördergelder kommt vom Land Nordrhein-Westfalen. Die andere Hälfte muss von unseren Gesellschaftern und Partnern gespiegelt werden. Wir haben vier Gesellschafter, der größte ist die Landeshauptstadt Düsseldorf mit ihrer sehr aktiven Wirtschaftsförderung, die IHK Düsseldorf, der Rhein-Kreis Neuss und die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach. Zusätzlich haben wir ein so genanntes Club-Modell, also zahlende Unternehmenspartner oder Gebietskörperschaften, die Gelder an uns zahlen, weil sie in vielfältiger Art von der Zusammenarbeit mit uns profitieren.

Entstehen mehr digitale Ideen aufgrund von Corona?

Peter Hornik: Es entstehen nicht unbedingt mehr digitale Produkt-Ideen, dafür aber mehr coronaspezifische.

Uljana Engel: In der Gastronomie sind viele neue Lösungen entstanden wie z. B. die Registrierungsapp für Gäste „Gast-Ident“. Man muss also keinen Zettel mehr ausfüllen, sondern kann sich über die App registrieren. Die Speisekarte ist online, viele Lokale sind hingegangen und haben sich eine Website mit Online-Lieferdienst oder Abholservice aufgebaut. 

Peter Hornik: Ja, Registrierungsapps sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Es ist jedoch sehr schwierig damit tatsächlich Umsatz zu generieren, dass eben Gastronomen auch bereit sind für eine solche Leistung dauerhaft zu zahlen.

Uljana Engel: Interessant ist auch eine neue Plattform „Keepist“ zur Vermeidung von Retouren durch ein Belohnungssystem. Dazu wurde eine Seite ins Leben gerufen, auf der Stores hier aus der Region ihre Angebote online zu Verfügung stellen können und Gutscheine verkaufen können. Die haben einfach ihre Kontakte und ihr Netzwerk aus der Commerce-Branche, also aus den Shops genutzt, um die aus der Offline-Welt in die Online-Welt zu bringen.

Peter Hornik: Das Erschreckende an der Stelle ist, wie viele tolle Einzelhändler noch keinen kleinen Shop hatten und überhaupt nicht darauf vorbereitet sind, auch digital Geschäft zu generieren.

Uljana Engel: Ein weiteres spannendes Projekt ist eine neue Plattform, die Ärzte an Behörden vermittelt (behoerdenarzt.de). Mit ihrem Ärzte-Pool starten sie demnächst auch ein eigenes mobiles Corona-Testcenter. 

Netzwerktreffen und Gründer-Events sind ja momentan sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Wie gehen Sie damit um?

Peter Hornik: Wir haben natürlich alles an Online-Möglichkeiten ausprobiert, was geht, und dann für uns den Weg gefunden, wie wir sehr gute Online-Events machen können. Wichtig an der Stelle ist, man hat kaum weniger Kosten, auch wenn man bei der Location oder dem Catering spart. Wenn man ein professionelles Online-Event machen möchte, braucht man ein professionelles Studio, Equipment, Techniker im Hintergrund etc. Bei einem Hybrid-Event braucht man natürlich on top noch eine größere Location, weil man entsprechend mehr Platz pro Besucher einplanen muss. Und obwohl das alles gut funktioniert hat, stellen wir fest, dass persönliches Matchmaking nicht unbedingt online funktioniert, egal, was es gibt an Chat-Roulette oder sonstigen Speed-
dating-Möglichkeiten. Was online schon gar nicht stattfindet, ist das Zufallsprinzip. Die spannende Begegnung an der Kaffeemaschine oder mit dem Sitznachbarn zum Beispiel. Das ist das eigentliche Problem bei virtuellen Events. Etwas technisch abzubilden, tolle Inhalte zu liefern, das ist überhaupt kein Thema. Aber das wichtigste, was man bei solchen Veranstaltungen immer hinbekommen möchte, nämlich die richtigen Leute dazu zu bringen miteinander zu reden, damit ein Geschäft entsteht, das gelingt nicht wirklich.
Alexandra von Hirschfeld

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