Fotoklau im Internet, Love-Scam und die Folgen

Mit dem Begriff Love Scam wird eine Form des Heiratsschwindels bezeichnet, bei der Fake-Profile mit gestohlenen Profilbildern in Singlebörsen dazu benutzt werden, den Opfern Verliebtheit vorzugaukeln, um eine finanzielle Zuwendung zu erschleichen. Für die Witwe Rita R* bedeutete die neue Bekanntschaft vor allem Hoffnung auf ein neues Leben in liebevoller Zweisamkeit. Sie hatte den Love Scammer über eine Online-Kontaktbörse kennen und lieben gelernt. Aus den ersten Mails wurde ein reger und intimer Austausch. Nur als es um ein persönliches Treffen ging, traten plötzlich Probleme auf. Mit ihrem Geld sollte Rita ihm aus der Klemme helfen. Was Rita dann auch tat. So verlor sie mehrere 10.000 Euro.

Wie die Sehnsucht nach Nähe im Online-Zeitalter ausgenutzt wird

Folgende Geschichten sind dabei typisch und natürlich alle frei erfunden: Der erfolgreiche Geschäftsmann hat mit seiner Firma, z. B. in den USA, Geschäftskunden in Deutschland teure Industriemaschinen oder -güter geschickt. Doch leider verlangt der deutsche Zoll Einfuhrgebühren in Höhe von mehreren Tausend Euro. Hier werden absichtlich unrunde Beträge genannt, wie 5.490 Euro, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Leider würde die Geldanweisung aus den USA zu lange dauern, also wird die deutsche Geliebte bzw. das Opfer lieb gefragt, ob sie mit diesem Betrag aushelfen könnte, da sonst der gesamte Deal platzt. Das Geld soll dann per Western Union gesendet oder in bar einer „Vertrauensperson“ übergeben werden. In anderen Fällen wird behauptet, dass man überfallen worden wäre und alle Kreditkarten gestohlen wurden. Man bräuchte nun Geld, um die Mitarbeiter zu bezahlen, die ihre Familien versorgen müssen. Die Opfer zahlen meist
bereitwillig. 

Wie die Masche funktioniert

Am wichtigsten ist dabei zunächst einmal ein wirkungsvolles Fake-Profil mit einem überzeugenden Profilbild. Die finden kriminelle Organisationen zuhauf im Netz. Und sie gehen dabei so perfide vor, dass sie gezielt nach Personen Ausschau halten, die ein besonders vertrauenserweckendes Image haben. Das Bild wird aus deren Accounts bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Co. einfach heruntergeladen und im Profil des Scammers verwendet. So werden auch die Menschen, denen das Profilbild gestohlen wird, zum Opfer. Denn was passiert, wenn eine Frau, mit der du dir als Mann vermeintlich seit mehreren Monaten geschrieben hast, und ohne Grund den Kontakt abgebrochen hast, dich plötzlich auf der Straße erkennt?  

So erging es dem Best Ager-Model Bernd aus Düsseldorf, der plötzlich in der Straßenbahn in Düsseldorf von einer Frau niedergeschrien wurde, die er gar nicht kannte. „Wir kennen uns doch! Wo bist du denn gewesen? Du hast mir doch so viel geschrieben. Warum hast du dich nicht mehr gemeldet?“ 

Wir sprachen mit Bernd über seine Erlebnisse. Der gebürtige Hannoveraner, der seit 11 Jahren in seiner Wahlheimat Düsseldorf lebt, arbeitet neben seiner Tätigkeit im Bereich Versicherungen als Best Ager-Model.

Wie sieht deine Arbeit als Model aus?

Ich werde viel als Arzt oder Apotheker gebucht, meine Ähnlichkeit zu Peter Lustig gibt mir oftmals Gelegenheit als Handwerker o. ä. aufzutreten. Seit einigen Monaten arbeite ich als Influencer für Kopfbedeckungen bzw. Hüte.

Du stellst Ärzte und Apotheker dar, also siehst du wohl sehr vertrauenserweckend aus?

Das kann man natürlich selbst schlecht beurteilen, aber es ist wohl so, dass ich seriös wirke. 

Wie kam das, dass deine Fotos anderweitig verwendet wurden?

Ich hätte das nie für möglich gehalten, dass so etwas passieren kann. Es fing alles mit einer Dame an, von der ich plötzlich auf XING angeschrieben wurde. Sie sagte, dass ich wohl mehrere Persönlichkeiten habe und sie gerade als Ingenieur kontaktiere, der in Istanbul festsäße und von ihr Geld verlangte, nachdem er wochenlang mit ihr hin und her geschrieben hätte und sie sich in ihn verliebt hatte. Ich dachte zuerst, die will mich wohl veräppeln oder das ist ein Irrtum, aber nein, dann schickte sie mir auch den Link und dann habe ich gesehen, dass dort meine Bilder verwendet wurden. 

Und wie ging es weiter?

Es meldeten sich immer mehr Damen mittleren Alters bei mir, die anscheinend in irgendeiner Form, durch fiktive Gestalten, die meine Bilder verwendeten, geködert wurden. Die sich halt verliebt hatten in „mich“ bzw. meine Bilder und irgendwann dann um Geld angegangen wurden. In der Regel war es so, dass die Fake-Personen sich als Witwer ausgaben, die beruflich unterwegs waren, z. B. auf Ölplattformen, auf irgendwelchen Baustellen in Europa und die irgendwann die Damen soweit hatten, dass man sich einmal treffen wollte und dann kam immer irgendetwas dazwischen. Sie saßen am Flughafen fest, die Kreditkarte war gesperrt oder ein Pass muss ausgelöst werden. Die Kerle haben immer gesagt, ich bin auf dem Sprung zu dir, aber ich kann gerade nicht, du musst mir schnell Geld überweisen, damit ich zu dir kommen kann. Das waren wohl erst kleine Summen und dann wurde es immer mehr und mehr. 

Haben die Damen denn auch Geld bezahlt?

Ja, viele, ich hatte Kontakt zu einer Dame aus Brasilien, die hat über 300.000 Dollar gezahlt im Laufe der Zeit. Ich habe mich in den letzten Jahren  mit dem Thema auch sehr stark auseinandergesetzt, es ist also wirklich eine Pest. Es ist eine Mafia, die dahinter steckt. Die halt die Damen und auch Herren ausquetschen, teilweise sogar bis in den Selbstmord treiben. Da gibt es ganz furchtbare Schicksale. Und jeder, mit dem man darüber spricht, denkt, wie kann man nur so blöd sein, für jemand völlig Fremdes zu bezahlen. Aber dahinter stehen immer sehr einsame Frauen, die von den Betrügern ganz gezielt ausgesucht werden, Witwen oder alleinstehende Frauen. Irgendwann verlieben sie sich und glauben an den Menschen und dann bezahlt der ein oder andere auch. Also ich würde es nicht machen, glaube ich jedenfalls, aber man weiß es nicht, wie man reagieren würde in der Situation.

Und das ging jetzt über Jahre?

Ja und das geht auch immer noch so weiter. Ich bin auf Instagram sehr aktiv. Das muss ich auch sein durch meinen Beruf, weil ich auch darüber einige Kunden generiere und ich erzähle mit den Bildern auch viele Geschichten aus dem Leben. Das passt dann natürlich perfekt in das Beuteschema von solchen kriminellen Vereinigungen. Die können dann irgendwelche Geschichten erfinden und meine Bilder nutzen.

Gibt es eine Möglichkeit sich vor Fotoklau zu schützen?

Ganz am Anfang regte meine Freundin an, geh damit zur Polizei. Die meinten dann, dass mir kein persönlicher materieller Schaden entstanden sei, da könnten sie nichts machen. Irgendwann habe ich den Tipp bekommen zum WDR zu gehen. Der hat dann eine Reportage mit mir über das Thema gedreht. Da habe ich dann auch erfahren, dass da wirklich eine Mafia dahintersteckt aus Afrika, Indien und Russland. Die betreiben eigene Call-Center mit Jungspunden, die teilweise drei bis vier Frauen am Start haben, die sie bespielen und dann irgendwann Geld rauspressen.

Was würdest du Menschen raten, die im Internet auf Kontaktsuche gehen?

Einfach misstrauisch bleiben, vieles hinterfragen, man kann auch eine Bildersuche im Internet durchführen, was viele Frauen auch gemacht haben. Viele sind zum Glück misstrauisch geworden, haben mich dann über die Google-Suche gefunden und mich auf Instagram oder Facebook angeschrieben. Bis heute werde ich noch regelmäßig kontaktiert. Mindestens ein- bis zweimal in der Woche schreibt eine Frau mir  „wusstest du, dass deine Bilder manipuliert wurden?“ Ich kann dann immer nur die gleichen Entschuldigungstexte schreiben.

 © Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

Best Ager-Model Bernd, seine Bilder dienen als Vorlage für Fake-Profile.

Love Scammers: Wer dahinter steckt

Hinter dieser Masche stehen leider nicht der Traumprinz oder die -prinzessin, sondern professionell organisierte Banden. Diese kommen sehr häufig aus westafrikanischen Ländern wie Nigeria oder Ghana oder aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder ehemaligen Sowjetrepubliken. Die Banden beschäftigen gewerblich mehrere Mitarbeiter im Schichtsystem, sodass jederzeit auf die Nachrichten der Opfer reagiert werden kann. In der Regel wechseln sich die Personen hinter dem seriösen Geschäftsmann oder der attraktiven Dame im 4-Stunden-Rhythmus ab. In Befragungen geben die Akteure an, dass sie die Opfer nicht als solche sehen, sondern eher als „Kunden“, weil sie ja schließlich eine Geschäftsbeziehung pflegen würden. Reue oder ein schlechtes Gewissen sind kaum vorhanden.

Welcher Schaden verursacht wird

Finanziell kann es sich um mehrere Tausend Euro pro Opfer handeln. Häufig versuchen die Kriminellen die Opfer auch dazu zu bewegen, Kredite aufzunehmen oder sich Geld im Verwandtenkreis zu leihen. Schließlich würde ja alles zurückgezahlt werden, sobald man erst in Deutschland zusammenlebe. Doch die tatsächliche Zahl liegt im Dunkeln. Nicht jeder Fall wird zur Anzeige gebracht. Zu groß ist die Scham sich Freunden oder der Polizei zu offenbaren. Laut Recherchen des ZDF sind allein in Sachsen im Jahr 2019 3,5 Millionen Euro Schaden durch die „digitalen Heiratsschwindler“ entstanden.

Wie man sich schützen kann

Die Polizei hat online einen ganzen Leitfaden zusammengestellt mit Hinweisen zum Vorgehen der Täter, Tipps wie man sich schützen kann und was man tun sollte, wenn man bereits Opfer geworden ist:

Alexandra von Hirschfeld

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