Das Gefühl, routinemäßig durch den Joballtag zu jagen, kennt Dagmar Schulz nur allzu gut. Vor 12 Jahren kündigte sie ihren sicheren Job bei der Bank und stand erst einmal vor dem Nichts. Heute berät und begleitet die Unternehmerin Existenzgründer aus ganz NRW auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit.
Der Besuch in ihrem Büro im Zooviertel hat vor der Corona-Krise stattgefunden. Aktuell kann sich die Unternehmensberaterin vor Anfragen in Sachen Krisenbewältigung und Fördermitteln kaum retten. Am 30. März diskutierte sie mit Arbeitsminister Hubertus Heil bei „hart aber fair“ über die wirtschaftlichen Folgen der Krise für Unternehmen und Selbstständige.
Alle reden von Work-Life-Balance, aber laut der aktuellen Umfrage des Berliner Beratungsunternehmens Gallup machen drei von vier Arbeitnehmern „Dienst nach Vorschrift“, war das bei Ihnen auch so?Sagen wir so, ich habe perfekt funktioniert. Aber irgendwann habe ich mich gefragt, willst Du das wirklich bis zur Rente durchziehen? Das kann nicht alles gewesen sein. Gekündigt habe ich dann 2008 in der Lehman Brothers-Krise. Es war einfach nicht mehr meine Welt. Außerdem stieß ich mit meinem Temperament, meiner Durchsetzungsfähigkeit und meiner Freude am Business und Netzwerken immer öfter an die engen Unternehmensgrenzen.
Mit Ende 30 zählten Sie dann nicht mehr zu dem, was viele klassischerweise mit Start-ups verbinden, junge Wilde, die in der Garage der Oma ein cooles Business aufziehen …Das ist eine Vorstellung, die ohnehin komplett an der Realität vorbeigeht. Viele Gründer und Gründerinnen in Deutschland entschließen sich erst zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr dazu, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Viele wollen sich nicht mehr für andere verbiegen, möchten ihr eigenes Ding machen, ihr eigener Chef sein. Die wenigsten kommen aus der Arbeitslosigkeit.
Nicht nur Oberbürgermeister Thomas Geisel schafft es nebenbei Bücher zu schreiben, auch Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel „Existenzgründung 45plus“, wann eigentlich? Es hat schon ein paar Jährchen gedauert, dafür steckt mein komplettes Know-how aus meiner Beraterpraxis darin. Aber ich bin sehr froh, dass ich die vielen Abende und Wochenenden in dieses Projekt investiert habe. Das schönste, was mir eine Leserin geschrieben hat, war, dass sie mein Buch in einem Rutsch gelesen habe, weil es so spannend wie ein Krimi sei. Wer auch mit dem Gedanken spielt, aus dem Hamsterrad auszubrechen, am 9. Juni gibt es in der Mayerschen Buchhandlung auf der Kö eine Lesung zu dem Buch.
© Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de
Wie ist denn Ihre eigene Geschäftsgründung vor 11 Jahren abgelaufen? Ich habe mich hingesetzt und auf Karteikarten geschrieben, was ich gut kann, was ich machen möchte und was ich auf keinen Fall machen möchte. Da ich bei der Bank von der Kredit- bis zur Marketingabteilung viele Stationen durchlaufen habe, kam ich auf die Geschäftsidee, Gründer auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen. Denn Anträge zu stellen, Business-Pläne zu schreiben, Förderkredite zu beantragen und dann noch alle Versicherungsfragen zu klären, das gehört nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen von Menschen, die eine Geschäftsidee haben.
Wie vielen Menschen haben Sie seitdem in die Selbstständigkeit verholfen? Über 200 Gründungen habe ich seitdem begleitet, nicht nur in Düsseldorf, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen. Worauf ich besonders stolz bin: 19 Gründerinnen aus Düsseldorf konnte das Netzwerk Frauenbande von 2013 bis 2017 mit dem Düsseldorfer Unternehmerinnenpreis auszeichnen. Das Netzwerk hatte ich ins Leben gerufen. Dieser Wirtschaftspreis hat „Normalgründerinnen“ auf einmal ein ganz anderes Medienecho und Aufmerksamkeit beschert.
In der Humboldtstraße sind Sie seit einem Jahr. War es schwierig ein neues Büro zu finden und dazu noch im Hinterhof?Nennen Sie es Wünsche ans Universum schicken oder positive Affirmation. Fakt ist, ich habe mir eine Liste gemacht mit allem, was ich mir von einem neuen Büro wünsche: Hinterhof, Stadtteil, Erdgeschoss, idyllisch, ohne Makler und und und … und irgendwann stand ich hier im Hinterhof mit Gänsehaut und wusste, das ist es!
Gibt es schon Lieblingsorte für die Mittagspause? Die Rethelstraße ist einfach toll, gerne gehe ich zum Schmökern zu Bolland und Böttcher und zum Einkaufen zum Bauernladen Mertens oder in den Rewe von Sandy Krämer, die 2014 übrigens den Unternehmerinnen-Sonderpreis bekommen hat in der Kategorie „Unternehmerischer Mut“.
Was würden Sie sich für die Gründer und Gründerinnen der Stadt Düsseldorf wünschen? Dass normale Leute wie du und ich als Gründer von der Politik wahrgenommen werden. Ich wünsche mir einen Gründertag, bei dem auch die Gründerszene mitmachen kann, wie das in Köln und Neuss übrigens gang und gäbe ist.
Susan Tuchel