Kein Galopp in den Sonnenuntergang
Leadership mit Pferden
Wirtschaftliche Unsicherheit, Effizienzdruck, Fachkräftemangel und neue Arbeitsformen verändern zunehmend die Anforderungen an Führungskräfte. Zu den zentralen Führungskompetenzen der Zukunft zählen vor allem Anpassungsfähigkeit, emotionale Intelligenz, Kommunikationsstärke, Vertrauensaufbau und souveränes Handeln in komplexen Situationen – so das Ergebnis des Global Leadership Forecast 2025 von Development Dimensions International (DDI). Um diese Kompetenzen gezielt zu fördern, gewinnen Formate an Bedeutung, die Verhalten nicht nur theoretisch vermitteln, sondern direkt erlebbar machen – wie das pferdegestützte Coaching. Im Interview erklärt Alexandra von Hirschfeld, zertifizierter Equine Leadership Coach, wie Führungsarbeit mit Pferden funktioniert – und wo sie sinnvoll eingesetzt werden kann.
Wie bist du zum Coaching mit Pferden gekommen?
Ich bin mit Pferden aufgewachsen – meine Familie kommt aus der Pferdezucht. Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder erlebt, wie viel mentale Stärke, Klarheit und Resilienz mir der Reitsport gegeben hat – besonders im Springreiten. Um im Wettkampf fokussierter zu werden, habe ich mich intensiv mit Mentaltechniken beschäftigt und festgestellt, dass ich auch beruflich davon profitiere. Gleichzeitig begleite ich meine Schwester, die eine Behinderung hat, regelmäßig beim therapeutischen Reiten. Dabei sehe ich, wie positiv Pferde wirken – auf Stimmung, Körperhaltung und Selbstbewusstsein. All das hat sich irgendwann verbunden: Ich stieß auf das Konzept des pferdegestützten Coachings, probierte es aus – und war selbst überrascht, wie tiefgreifend Pferde menschliches Verhalten und innere Muster spiegeln können. Für mich war schnell klar: Das will ich auch beruflich nutzen. Ich habe die Ausbildung zum Equine Leadership Coach absolviert – und arbeite heute mit meinen eigenen Pferden.

Wo wird gecoacht – und wie kommen die Pferde dabei ins Spiel?
Das Coaching findet im Roundpen, einem eingezäunten Außenbereich, oder in der Reithalle statt – vom Boden aus, ohne Reiten. Pferdekenntnisse sind nicht erforderlich. Ziel ist es, eine stimmige Verbindung von Haltung, Körperspannung und mentaler Ausrichtung zu entwickeln – zum Beispiel beim Weichenlassen des Pferdes auf Distanz oder beim Führen durch einen Parcours. Pferde reagieren fein auf innere Klarheit, Spannung oder Unstimmigkeit – und spiegeln dies durch ihr Verhalten und Mienenspiel. Diesen Prozess begleite ich mit gezielten Fragetechniken sowie durch die genaue Beobachtung und Interpretation des Pferdeverhaltens. Dabei wird gemeinsam reflektiert: Was ist stimmig? Wo gibt es Widerstände? Wie können diese überwunden werden? Welche Muster zeigen sich? Je nach Anliegen entwickeln wir individuelle Transferübungen mit konkretem Bezug zum Alltag.
Was sind typische Aha-Momente?

Kannst du ein Beispiel geben?
Zu einem Coaching kam eine Führungskraft, die Probleme damit hatte sich durchzusetzen. Sie war eine zierliche Frau, die großen Respekt vor Pferden hatte. Wir arbeiteten mit meinem Schimmel, einem imposanten, sensiblen Wallach, der in unbekannten Situationen oft skeptisch oder ängstlich reagiert. Zu Beginn war ihre Körpersprache zögerlich, das Pferd zögerte auch, doch sie ließ sich auf die Situation ein, vertraute dem Rahmen – und dem Pferd. Im Laufe der Übung geschah etwas Bemerkenswertes: Der Schimmel begann, ihr ruhig zu folgen, senkte den Kopf, passte sich ihr immer mehr an, machte sich kleiner für sie. Ein Zeichen von Vertrauen und Kooperationsbereitschaft. Für die Teilnehmerin war das ein Schlüsselmoment. Sie spürte, dass sie nicht laut oder dominant auftreten musste, um Wirkung zu erzielen, sondern nur konsequent und selbstsicher. Das hat ihrem Selbstvertrauen einen richtigen Kick gegeben.
Wofür lässt sich pferdegestütztes Coaching einsetzen?
Überall da, wo Führung und Selbstführung eine Rolle spielen. Es eignet sich für Einzelcoachings, zum Beispiel im Rahmen von Leadership-Development-Programmen, als Teil von Onboarding-Prozessen für neue Führungskräfte oder als Baustein in Assessment Centern. Auch für Teams, Change-Projekte oder zur Reflexion nach Restrukturierungen ist es ein starker Impulsgeber. Und persönlich: überall da, wo ich merke, dass ich an meine eigenen Grenzen stoße und neue Wege suche, diese zu überwinden.
Wissenschaftlich belegt: Die Wirkung pferdegestützten Coachings
// Das Herz eines Pferdes ist etwa fünfmal so groß wie das eines Menschen – und erzeugt ein starkes elektromagnetisches Feld, das bis zu fünf Meter weit reicht. Über dieses Feld nehmen Pferde feinste emotionale Signale wahr. Weil ihr Herz langsamer schlägt und sie deutlich ruhiger atmen als wir, bringen sie uns ins Gleichgewicht.
// Eine Untersuchung mit über 100 Teilnehmern (2019) ergab, dass das Vertrauen in die eigene Wirkung deutlich zunahm. Auch die nachträgliche Videoanalyse half, die eigene Ausstrahlung besser zu verstehen und weiterzuentwickeln. In einer weiteren Studie mit 100 Personen (2023) verbesserten sich bei den Teilnehmern u. a. der Umgang mit Emotionen, das Selbstvertrauen und die Fähigkeit, mit Stresssituationen umzugehen.
// Bereits eine einzelne, zweistündige Coachingeinheit führte laut einer weiteren Untersuchung (2023) zu spürbaren Veränderungen.

Kann Pferde-Coaching mehr bewirken als ein klassisches Führungstraining?
In vielen Fällen ja – weil es nicht primär auf kognitiver Ebene ansetzt, sondern über Erleben und Emotion wirkt. Kein Theorie-Input, keine Folien – sondern unmittelbare Erfahrung im Moment. Was im Kontakt mit dem Pferd spürbar wird, verankert sich emotional und lässt sich später leichter abrufen – vor allem in schwierigen Situationen. Pferde-Coaching ergänzt klassische Formate um eine entscheidende Dimension: die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Gerade sie bleibt im Führungsalltag oft unreflektiert. Spannend ist auch: Das instinktive Feedback eines Pferdes wird von vielen als wertfreier und ehrlicher empfunden als Kritik von Kolleginnen und Kollegen – und daher leichter angenommen.
Wie läuft der Einstieg ab – was erwartet mich beim Pferdecoaching?
Vorab gibt es ein kurzes Briefing – telefonisch oder per zoom-meeting. Vor Ort starten wir mit einer kurzen Einführung. Sicherheit steht an erster Stelle. Ich arbeite meist mit zwei Pferden, zuerst einzeln, später in Kombination – zum Beispiel, indem eines geführt wird und das andere frei folgen soll. Eine Session dauert in der Regel 60 bis 90 Minuten, abhängig von Zielsetzung und Verlauf. Auf Wunsch kann im Anschluss eine Videoanalyse erfolgen. Das Coaching findet wahlweise im Einzelsetting oder in kleinen Gruppen statt. Für Teams biete ich auch ein- oder zweitägige Seminare an.
Was gibst du Führungskräften mit, die unsicher sind, ob so ein Coaching etwas für sie ist?
Am besten ausprobieren. Man muss nichts können, nicht reiten, nicht besonders „emotional sein“. Es geht nicht um Esoterik, sondern um Wirkung. Und die zeigt sich in der Interaktion mit dem Pferd. Wer sich öffnet, erfährt in 90 Minuten oft mehr über sich selbst als in drei Tagen bei einem theoretischen Leadershipseminar.
Kennenlern-Workshop: Coaching mit Pferden erleben
- Einführung in die Methode des pferdegestützten Coachings
- Praktische Übungen mit dem Pferd – vom Boden aus, ohne Reiten
- Feedback zu Körpersprache, Präsenz und Wirkung
- Reflexion und Transfer in den beruflichen Alltag
Für wen geeignet?
- Führungskräfte, die neue Impulse suchen
- Teams, die ihre Zusammenarbeit stärken möchten
- Interessierte, die Coaching in besonderer Form erleben wollen
Rahmenbedingungen:
- Dauer: ca. 2 Stunden
- Ort: Gut Vogelbusch, Vogelbusch 26, 42579 Heiligenhaus
- Keine Pferdekenntnisse erforderlich
- Info und Anmeldung: avonhirschfeld@icloud.com