MentForMigra – das Integrationsprogramm für die ganze Familie

Es begann 2010 mit einem wöchentlichen Lesetermin von Dorothee Kettner mit Moubarak, dessen Eltern aus Togo kommen. Daraus entstand 2015 eine Elterninitiative, die sich seit 2018 professionalisiert hat. Dafür hängte die Initiatorin des Mentoring- Programms MentForMigra ihren Beamtenstatus als Grundschullehrerin samt Pensionsansprüchen an den Nagel. Kettner ist Organisatorin und mit ihrem Team Ansprechpartnerin für 106 Schützlinge (Mentees) in Düsseldorf, über 110 Mentoren und Mentorinnen sowie für Grundschulen und Gymnasien.

Die gemeinnützige Unternehmergesellschaft MentForMigra gUG hilft Kindern mit Gymnasialempfehlung von der Grundschule beim Übergang in die höhere Schulform. Ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren begleiten die Schullaufbahn solange die Kinder Unterstützung benötigen. Wir trafen die Pädagogin mit einer Mentorin und zwei Mentees im Humboldt-Gymnasium in Düsseldorf-Pempelfort.

MentForMigra schlägt Wellen
2023 erhielt das Bildungsprogramm den Multi-Kulti-Preis. 2024 wurde Dorothee Kettner wegen ihres ehrenamtlichen Engagements von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue eingeladen. Warum ist das Programm so erfolgreich und die Nachfrage so groß Der kritische Punkt in der Schulkarriere ist laut Kettner der Wechsel zum Gymnasium. Waren die Kinder während der Grundschulzeit in der offenen Ganztagsschule nicht mit Hausaufgaben belastet, ändert sich das schlagartig mit der fünften Klasse. Auf einmal müssen Klassenarbeiten vorbereitet und umfangreiche Hausaufgaben zu Hause erledigt werden. Und die Deutschkenntnisse der Eltern reichen in der Regel nicht aus, um ihren Kindern zu helfen. Deshalb setzt Kettner den Hebel bereits in den Grundschulen an. Allein in diesem Schuljahr hat sie an 20 der 90 Grundschulen in Düsseldorf ihr Programm präsentiert. „Seitdem nennen uns die Lehrer viel mehr Kinder, die das Zeug fürs Gymnasium haben“, bilanziert sie. Und das Programm funktioniert. Ihr erster Mentee Moubarak ist mittlerweile 23 Jahre und studiert Logistikmanagement. Das erste MentForMigra- Mädchen macht in diesem Jahr Abitur am Humboldt-Gymnasium und möchte Zahnmedizin studieren.

Göksu weiß genau, was sie will.

Engagement auf ganzer Linie
Göksu ist elf Jahre alt und wird von ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder begleitet. Es ist genau der vierte Jahrestag, an dem die Familie aus Bingöl in Ostanatolien nach Deutschland kam. Göksus Vater arbeitet auf dem Bau. Morgens besucht er einen Deutschkurs, dann geht er zur Arbeit. Seine Frau wartet noch auf die Anerkennung ihres Asylantrags, bringt sich selber Deutsch bei und hat zum Interview eine türkische Spezialit.t mitgebracht. Göksu besucht die 5. Klasse des Luisen-Gymnasiums und freut sich jede Woche auf das Treffen mit ihrer Mentorin. G.ksus Lieblingsfächer sind Sport und Deutsch. Sie möchte Ärztin werden. Omar kam Anfang 2016 aus Afghanistan nach Deutschland. Da war er sieben. Seine Mutter hat nie eine Schule besucht. Mittlerweile ist sie alphabetisiert und besucht einen Integrationskurs. Die siebenköpfige Familie wohnte fünf Jahre in einer Flüchtlingsunterkunft. Für Omar keine leichte Zeit, weil er weder Platz noch Ruhe zum Lernen hatte. Aber seine Grundschullehrer hatten sein Potenzial erkannt und Unterstützung bei MentForMigra erhalten. „Ich habe mit meinem Mentor in der Stadtbücherei Hausaufgaben gemacht. Außerdem gehört zum Programm, dass man jeden Tag eine halbe Stunde ein Buch liest.

Mein letztes Buch war Tschick von Wolfang Herrndorf“, erzählt Omar. Mittlerweile hat die Familie eine Wohnung in Garath gefunden. Sein Vater hat eine Ausbildung als Schweißer angefangen und Omar besucht das Schloß- Gymnasium. Er spielt in der Kreisklasse B1 beim TV-Urdenbach und träumt davon, Fußballprofi zu werden. Eine Mentorin ist auch zum Interview gekommen. Michaela Mäger ist seit 2022 dabei. Einmal in der Woche trifft sich die Richterin mit ihrem Mentee in der Zentralbibliothek im KAP1. Auch Göksu hat sie schon einmal betreut.

Omar kam mit 7 Jahren nach Deutschland und konnte kein Wort Deutsch. Heute ist er Gymnasiast.

Spenden willkommen
Soeben hat Dorothee Kettner erfahren, dass die Stadtsparkasse Düsseldorf MentForMigra mit 10.000 Euro unterstützt. Damit setzten die Sparkasse und ihr Vorstandsvorsitzender Dr. Stefan Dahm auch ein gesellschaftliches Zeichen: „Wir engagieren uns jährlich für rund 700 Projekte in Düsseldorf. Indem wir Talente aus Migrantenfamilien fördern, aktivieren wir ein intellektuelles Potenzial, das am Ende dem Gemeinwesen zugutekommt.“ Die Spendengelder steckt Dorothee Kettner in die Organisation. Am liebsten möchte sie ihr Projekt in alle Grundschulen und in den Gymnasien in NRW bekannt machen, aber dafür braucht es Manpower.

Sie rechnet je nach Größe der Kommunen mit einer halben bis zwei Stellen. Dann könnte das Leuchtturmprojekt aus Düsseldorf NRW und Deutschland erreichen. Voraussetzung hierfür wären Fördermittel vom Land oder Bund, Stiftungen sowie Spenden von Unternehmen. Kettner weiß, dass sie mit den begabten Kindern nur die Spitze des Eisbergs im Blick hat. Denn auch Real- und Hauptschulkinder aus Migrantenfamilien würden von einem integrativen Bildungsprogramm profitieren: „Aber irgendwo müssen wir ja anfangen.“

Göksu, die in Ostanatolien zur Welt kam, möchte Ärztin werden.

Eine Stunde pro Woche
Der Einsatz ist gering, die Wirkung enorm. Rund eine Stunde ihrer Zeit investieren die Mentorinnen und Mentoren in der Woche. Um Mentoren und Mentees zu schützen, werden Mädchen grundsätzlich von Mentorinnen begleitet, deren Anteil liegt bei 75 Prozent. Bei den Treffen geht es darum, Lesefreude zu entfachen und den Wortschatz der Kinder zu erweitern. Aufmerksamkeit wird aber auch den Eltern gewidmet, um sie bei schulischen Terminen und dem Schriftverkehr zu unterstützten. „Neben Engagement der Mentees ist die Integrationsbereitschaft der Eltern wichtig“, erklärt Kettner.

Die Familien kommen aus über 30 Ländern. Mentorinnen und Mentoren kommen zum Teil aus der Elternschaft, darunter pensionierte Lehrer und Menschen, die der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten. Voraussetzung ist ein erweitertes Führungszeugnis. Ins kalte Wasser wird niemand geworfen. In fünf Abendschulungen á zwei Stunden bekommen die Mentoren einen Leitfaden für die Praxis an die Hand. Für die Mentees ist der Arbeitseinsatz um ein Vielfaches höher. Vor dem Schulwechsel aufs Gymnasium werden sie in Intensivkursen für die neue Schulform fit gemacht. „Die Kinder sind mit Feuereifer dabei, Abbrecher haben wir so gut wie nie“, freut sich Dorothee Kettner.

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Infoveranstaltung

Am 18. April findet von 19:00 – 21:00 Uhr im Humboldt-Gymnasium, Pempelforter Straße 40, eine Info-Veranstaltung für interessierte Mentorinnen und Mentoren statt.

 

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