Sie setzen Modetrends, prägen den „Social Lifestyle“ und verändern gesellschaftliche Rollenbilder. Sie kontrollieren sich und ihr Image und müssen sich immer wieder neu erfinden: die Influencerinnen und Influencer, deren Arbeitsplatz das World Wide Web ist. Wissenschaftler schreiben die Erfindung dieses Berufsbildes übrigens der amerikanischen Insta-Ikone Kim Kardashian zu. In den sozialen Medien werden sie verehrt, gefeiert, bewertet, verurteilt, beleidigt und gehasst. Was Influencerinnen und Influencer an Performance an den Tag legen, ist jedoch nicht nur „nice“ und „easy“, sondern harte Arbeit. Nur vier Prozent der rund 440.000 Influencer in Deutschland können davon leben. Im Gegensatz zu Sportlern oder Schauspielern steht eine Influencer-Karriere prinzipiell allen offen – und ist für viele junge Menschen der Stoff, aus dem die Träume sind. Bei der Premiere der Nibelungenfestspiele im letzten Juli in Worms lernte ich Eva Benetatou kennen. Sie saß in der ersten Reihe und stellte sich im Pausengespräch als Reality-TV-Star aus Düsseldorf vor. Wir verabredeten uns für eine Home-Story.

Eva öffnet die Tür. Sie trägt ein Bauchfrei- Sportoutfit, das ein Tattoo auf ihrem rechten Rippenbogen offenbart: “I am the master of my fate: I am the captain of my soul.” Die beiden Verse stammen aus dem Gedicht “Invictus” des englischen Schriftstellers William Ernest Henley (1849-1903), bei dem im Alter von zwölf Jahren Knochentuberkulose diagnostiziert wurde. Bekannt wurden diese Zeilen, als Coldplay-Frontman Chris Martin diese in einem Song für Prinz Harrys Invictus Games vertonte. Wie passt das zu dem Gossip aus den Reality-TV-Formaten, in denen Eva seit 2019 mitspielt? Ihre Schauspielkolleginnen und -kollegen scheuten sich nicht, sie als „kleine Schlampe, Lügnerin oder Miststück“ zu beschimpfen. „Mich macht es ein bisschen traurig, dass alle, die einmal im Reality-TV waren, in eine Schublade gesteckt werden.“

2019 startete deine TV-Karriere. In „Der Bachelor“ bist du auf Platz zwei gelandet. Hast du schon früher von einer Karriere als Reality-TV-Star geträumt?  Eine Karriere als Influencerin oder als TV-Reality-Star hatte ich überhaupt nicht im Blick. Nach dem Abitur habe ich ein Semester Europäisches Recht in Maastricht studiert und mich dann entschieden, als Stewardess durch die Welt zu reisen. Ich habe von 2014 bis 2017 für Etihad Airways gearbeitet und in Abu Dhabi gelebt. Dort hatte ich einen Freund, einen Waliser, der für eine internationale Sportfirma tätig war. Nach Vertragsende zog ich zurück nach Düsseldorf, habe Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert und bei Eurowings gearbeitet.

Und dein Freund?
Der ist in Indien geblieben, aber wir hatten den Plan, zusammen nach Singapur zu ziehen. Am Ende ist unsere Beziehung daran gescheitert, dass ich in Deutschland lebte. Dann kam mein bester Freund auf die Idee, mich bei „Der Bachelor“ anzumelden. Ehrlich gesagt, habe ich mir gar nichts dabei gedacht. Ich hatte keine Erwartungen, nur Lust auf ein Abenteuer. Ich suchte weder das große Glück in der Liebe, noch wollte ich Influencerin werden. Ich habe zwar immer gerne für Freunde und Bekannte gepostet, hatte zu dem Zeitpunkt selbst aber „nur“ 660 Follower.

Eva Benetatou

„Ich möchte mich weiterentwickeln, nicht an einem Punkt stehen bleiben.“

Aktuell hast du 230.000 Follower auf Insta und zählst somit zu den Mid-Influencern, also der Gruppe, die 50.000 bis 500.000 Follower erreichen. Bei einem der jüngeren Posts singst du, ist das ein Schritt in eine neue Karriere?
Ich war schon in der fünften Klasse Schulsängerin, hatte eine eigene Band, habe Gesangsunterricht genommen und hier in Düsseldorf eine Musikakademie besucht. Damals hatte ich auch schon erste Kontakte zu Produzenten, einer war der Produzent der Scorpions. Seit mein Sohn auf der Welt ist, habe ich wieder angefangen zu singen. Er liebt es, dadurch traue ich es mir wieder zu.

Wieso trauen?
In der Schule wurde ich gehänselt und von Mitschülern ausgebuht. Das hinterlässt natürlich Spuren im Selbstwertgefühl und hat mich daran gehindert, mein Gesangstalent auszuleben. Zufälligerweise ist der Freund, der mich damals zur Musikakademie geschleppt hat, heute in der Musikbranche tätig. Bei einer Vernissage haben wir uns wiedergetroffen und wir haben bereits Aufnahmen im Studio gemacht.

Eva Benetatou

„Mich macht es ein bisschen traurig, dass alle, die einmal im Reality-TV waren, in eine Schublade gesteckt werden.“

Managst du dich alleine?
Ich mache vieles selbst, sitze stundenlang am Schreibtisch. Zusätzlich arbeite ich auch mit einer Agentur zusammen, die mich an Kooperationspartner vermittelt. Mir ist es sehr wichtig, meine eigene Chefin zu sein. Das war in den ersten beiden Jahren, nachdem mein Sohn geboren wurde, nicht immer leicht: Da fehlte mir auch manchmal die Zeit, alle E-Mails zu beantworten. Aber seitdem er in den Kindergarten geht, ist es einfacher.

Eva Benetatou

„Im Reality-TV kann es sein, dass die einen nur streiten oder miteinander vögeln, um sich dadurch eine Position zu verschaffen.“

Verdienst du auch Geld mit Produktwerbungen bzw. Affiliate-Geschichten?
Ja, die sind dann aus dem Beauty-, Mode- oder Sportbereich. Auch „Hello fresh“ war schon dabei und Kinderprodukte. Dabei zählt für mich, dass ich niemandem etwas vormachen möchte. Ich will authentisch sein.

Du warst bei „Der Bachelor“, „Promi Big Brother“, „Promis unter Palmen“, „Das Sommerhaus der Stars“ und „Kampf der Realitystars – Schiffbruch am Traumstrand“ dabei. Bereitest du dich auf diese Formate vor, kann man das trainieren?
Ich habe mich nie vorbereitet. Die Quittung kam prompt: Ich bin mehrfach ins kalte Wasser gestoßen worden und in viele Fettnäpfchen getreten. Gemobbt wurde ich auch und zwar so heftig, dass ich auf Insta für viele Menschen zur Mobbing- Beraterin wurde.

Muss das so laufen bei diesen Produktionen?
Die Formate leben davon, dass Menschen aufeinandertreffen, die einen Konflikt miteinander live austragen, sonst wäre es langweilig. Andererseits drücken einem die Zuschauer gerne einen Stempel auf. Wenn sie mich dann kennenlernen, sagen sie: „Du bist gar nicht so schlimm, wie ich dachte.“

Menschen sehen Reality-TV, weil …?
An erster Stelle steht auf jeden Fall der Unterhaltungswert. Darüber hinaus kann man seinen Alltag und seine Probleme beiseiteschieben. Ich mache mir manchmal Sorgen, ob wir Vorbilder sind und die jüngeren Zuschauer denken, dass das in Ordnung ist, so miteinander zu reden. 

Wer guckt denn sowas?
Die meisten sagen, dass sie kein Reality-TV gucken, aber am Ende kennt doch jeder die Geschichte. Trash-TV schauen ist ein bisschen so, als ob man über Nachbarn redet.

Wirst du weiter Reality-TV machen?
Datingformate kommen für mich nicht mehr in Frage und Reality-TV wird tendenziell immer primitiver. Es gibt allerdings noch zwei Sachen, die ich gerne machen würde: Dschungelcamp und Let‘s dance.

Was war das Schönste, das du je gemacht hast?
Das Shooting für das Playboy- Cover im letzten Jahr. Ich habe das auch gemacht, um zu zeigen, dass ein Post-Maternity- Körper schön ist und man nicht alles operieren lassen muss.

Spielt Ehrenamt bei dir eine Rolle?
Am 15. März habe ich die Versteigerung der „Düsseldorf für Düsseldorf“ After-Work-Charity Gala moderiert. Ich bin dort mit im Planungsteam. Die Gala hat im Living Hotel de Medici in Düsseldorf stattgefunden. „Düsseldorf für Düsseldorf“ setzt sich zusammen mit dem Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) für nachhaltige und soziale Projekte ein.

Was sind deine Lieblingsorte in Düsseldorf und zu welchem Griechen gehst du als Griechin?
Ich liebe den Medienhafen und die Rheinpromenade und esse sehr gerne in der Taverna Toxotis auf der Kaiserswerther Straße.

Eva(nthia) Benetatou

Das Licht der Welt erblickte Eva Benetatou 1992 in Leverkusen. Zur Geburt flog Evas Mutter extra von Griechenland nach Deutschland – wegen der besseren medizinischen Versorgung. Ihre ersten beiden Lebensjahre verbrachte Eva zusammen mit ihren Eltern im Familienhotel der Großeltern in Griechenland. In Deutschland zog es die Familie nach Düsseldorf: Zuerst lebten sie in Lörick, dann in Oberrath. Evas Mutter arbeitete für die Familie Gursky. Victor, der Sohn des Düsseldorfer Fotografen Andreas Gursky, war mit elf Jahren ihre erste große Liebe. Eva machte ihr Abitur am Friedrich-Rückert-Gymnasium, hatte Geschichte und Deutsch als Leistungskurs und Altgriechisch als Abiturfach. Sie liest gern auf Englisch, interessiert sich für Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, bietet Dessous auf der Plattform „Only Fans“ an und geht oft auf Livekonzerte. 2020 verlobte sie sich mit dem Kölner Fitnessinfluencer Chris Broy, der sich im April 2021 von der schwangeren Eva trennte. Im Dezember zog sie bei dem Düsseldorfer Unternehmer Dennis Kessmeyer ein. Das Paar trennte sich Ende Januar. Frei fühlt sich Eva vor allem am Wasser und genießt ihre Freizeit am Strand am liebsten mit der Familie und Freunden. „Ich bin zu 100 Prozent ein Familienmensch.“ Sie arbeitet acht bis zehn Stunden am Tag. Das bringt der Influencer-Job so mit sich.

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