Düsseldorfer gründet Hilfsorganisation: Power for people in Lebanon
Der Libanon kämpft derzeit nicht nur mit der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Das libanesische Pfund ist im freien Fall, das Land ist pleite. Eine humanitäre Katastrophe ist die Folge. Die Corona-Pandemie und die Explosionskatastrophe im Hafen Beiruts vor mehr als einem Jahr haben die Krise zusätzlich verschärft. Die Regierung kann Kredite nicht mehr bedienen, große Teile der Bevölkerung leben in bitterer Armut.
Die Inflationsrate liegt bei 120 Prozent, für Lebensmittel ist sie noch höher. Im Oktober 2021 sind bei schweren Feuergefechten während einer Demonstration in der libanesischen Hauptstadt Beirut mehrere Menschen getötet worden. Die Proteste wendeten sich gegen den Richter, der die Explosionskatastrophe von 2020 untersuchen soll. Auch die verschärfte Versorgungskrise führte zu landesweiten Protesten. Vor geschlossenen Tankstellen bildeten sich lange Schlangen, Autofahrer sperrten aus Protest Straßen. Bäckereien mussten schließen, weil der Strom fehlte. Kliniken mussten teilweise ihre Klimaanlagen abstellen, in Apotheken sind Medikamente Mangelware und zudem auch nicht mehr zu bezahlen, genauso wie Lebensmittel. Bereits seit Wochen fällt landesweit täglich mehrere Stunden der Strom aus.
Abdul-Rahman Adib stammt aus dem Libanon und lebt seit über 40 Jahren in Düsseldorf. Als Direktor der boot-Düsseldorf, des Carvan Salon Düsseldorf und der Kunststoffmesse K prägte er jahrzehntelang den internationalen Messestandort Düsseldorf und machte sich um die Wirtschaft der Landeshauptstadt verdient. Heute setzt er sich für seine Landsleute im Libanon ein und gründete gemeinsam mit seiner Familie, Freunden und Gleichgesinnten aus Europa den gemeinnützigen Verein PPLEB – „Power for people in Lebanon”. Wir sprachen mit Herrn Adib, der gerade von einer Reise aus dem Libanon zurückkehrte und uns aus erster Hand über die katastrophalen Zustände vor Ort berichtete.
Wie kam es zu der Gründung des Vereins?
Wer ist daran beteiligt?
Auslöser waren vor allem die persönlichen Gespräche mit meinen Kindern. Wir haben ja im Privaten immer geholfen, wo es gerade notwendig war. Aber immer wenn wir uns sahen, haben meine beiden Kinder mich gefragt: ,Papa, was können wir tun?‘ Im vergangenen Sommer, 2020, waren wir zusammen im Urlaub und haben zu dritt das Gespräch vertieft. Dabei sind wir zu dem Entschluss gekommen, etwas Konkretes zu tun. Und obwohl wir in Europa zerstreut sind, haben wir uns entschlossen einen Verein zu gründen. Jeder von uns hat dann damit angefangen, Partner und Freunde in Europa zu motivieren, daran mitzuwirken. So sind wir am
5. Dezember 2020 mit rund 35 Freunden gestartet. Darunter zum Teil private oder geschäftliche Kontakte aus verschiedenen europäischen Ländern von Österreich über die Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Holland, Belgien, Spanien – viele haben ihre Wurzeln im Libanon. Leider haben wir viel Zeit verloren mit den unzähligen Verwaltungsaufgaben und durch Corona. Aber nun haben wir begonnen konkret zu arbeiten und hoffen auf positive Resonanz in Deutschland und in Europa.
Stichwort Wurzeln im Libanon – Sie haben auch noch Familie dort?
Ja, die habe ich auch besucht, in Tripoli, in Beirut, ja, ich bin ein Familienmensch, nicht nur meine Geschwister, sondern auch Cousins und Cousinen, Neffen und Nichten. Bei der Gelegenheit habe ich sie motiviert auch vor Ort mitzuwirken und wir haben ein Komitee PPLEB Libanon gegründet. Diese Gruppe soll im Prinzip der Koordinator und die Brücke zwischen uns in Europa und den Organisationen vor Ort sein, mit denen wir zusammenarbeiten wollen. Aber sie soll auch die Kontrolle für die Umsetzung der Projekte und auch hinsichtlich der späteren Betreuung und Instandhaltung der Geräte übernehmen.
Sie waren gerade im Libanon, wie haben Sie die Lage dort erlebt?
Die Situation ist mehr als dramatisch, sie ist katastrophal. Das politische System hat komplett versagt – und das seit vielen Jahren. Der Libanon war strukturell so aufgebaut, dass er auf Business und Kommunikation, Banking und Tourismus gesetzt hat. Die Entwicklung der vergangenen Jahre mit den kriegerischen Auseinandersetzungen, dem Bürgerkrieg und allem, was in der Region geschehen ist – zwei Millionen syrische Flüchtlinge, die in den Libanon kamen – haben diese Situation mit gefördert. Obendrauf hat auch das Bankensystem versagt, bzw. die Gelder der Anleger geraubt und ins Ausland transferiert. So sind selbst wohlhabende Leute verarmt. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Universitäts-Professor kann heute seine Familie nicht mehr ernähren. Denn sein Gehalt, ca. zwei Millionen Lira, umgerechnet waren das rund 1.200 Dollar, hat heute nur noch einen Einkaufswert von knappen 100 Dollar. Seine Stromrechnung allein beträgt mindestens 50 Dollar. Das heißt, ohne die Hilfe von humanitären Vereinigungen und Organisationen können viele Leute nicht überleben. Rund 80 Prozent der Libanesen sind verarmt, das belegt auch eine Studie der UN. Und Lösungen sind nicht in Sicht, zumal die internationalen Geldgeber kein Vertrauen mehr haben in das politische System und die Politik des Landes. Deshalb haben sie den Geldstrom unterbrochen und unterstützen nicht mehr.
Nahrungsmittel sind knapp, ein Junge auf der Straße hat etwas zu essen ergattert.
Was wird am dringendsten benötigt?
Es fehlt an allem. Ob es jetzt Lebensmittel, Nahrungsmittel für Kinder sind oder Medikamente. Alles ist zusammengebrochen, auch die medizinische Versorgung. Derjenige, der keine familiären Hilfen aus dem Ausland erfährt oder humanitäre Hilfen durch Organisationen, der stirbt vor der Krankenhaustür. Besonders dramatisch: Jeder Libanese, der eine Chance hat, ob jung oder alt, verlässt das Land. Die gesamte Intelligenz des Landes, also diejenigen, die eines Tages gefragt sind, das Land wieder aufzubauen, die hauen alle ab. Ich habe im Bekanntenkreis einen über 60-jährigen prominenten Kinderarzt aus Beirut, der ist nach Kanada gegangen. Ein Augenarzt, bei dem mein Bruder in Tripoli in Behandlung ist, ist nach Paris gegangen und und und … Das ist eine zusätzliche Katastrophe, die auf den Libanon zukommt. Und ein Ende ist leider nicht absehbar.
Beirut Libanon, 2021: die verheerenden Folgen der Explosions-Katastrophe sind noch überall sichtbar
Was haben Sie im Libanon gemacht?
Ich war schwerpunktmäßig in Tripoli. Das ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Inzwischen leben dort 750.000 bis 800.000 Menschen. Tripoli ist leider aber mittlerweile zur ärmsten Stadt im gesamten mediterranen Raum geworden. Sie war einmal eine blühende Stadt, ein Wirtschafts-, Kultur- und Wissenschaftszentrum. Ich habe dort einige regionale Hilfsorganisationen aufgesucht und Kontakte für eine Zusammenarbeit hergestellt. Ich war sehr positiv überrascht über drei Organisationen, mit denen wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen können. Die Organisationen arbeiten auf einem sehr hohen, professionellen Niveau und betreuen jeweils ca. rund 10.000 bis 15.000 Menschen. Über jeden einzelnen gibt es genaue Dokumentationen über seinen Zustand, ob gesundheitlich oder wirtschaftlich. Ich habe auch den Oberbürgermeister von Tripoli und den Präsidenten der Industrie und Handelskammer besucht und intensive Gespräche geführt.
Beirut, Libanon 2021: Ein älterer Mann verkauft Süßigkeiten auf der Straße, im Hintergrund sind brennende Reifen zu sehen.
Welche Art von Hilfsprojekten möchten Sie unterstützen?
Wir haben festgestellt, dass es viele Organisationen gibt, die im Bereich Grundversorgung, ob Lebensmittel, Medizin oder Medikamente, tätig sind. Wir wollen uns auf andere Bereiche konzentrieren mit dem Ziel Perspektiven für die Zukunft der Menschen aufzuzeigen. Deshalb haben wir vier Schwerpunkte formuliert: Energie, Umwelt, Wasser und Bildung. Darauf wollen wir unseren Fokus legen und landesweit Projekte angehen. Unser erstes Projekt gilt Tripoli, wo der Bedarf momentan am dringendsten ist. Unser Ziel ist es 10.000 Haushalte in Tripoli mit Solarenergie zu versorgen; nicht über feste Stationen, sondern durch individuelle, kleine Lösungen. Alles andere würde dazu führen, dass wir in eine Abhängigkeit von Behörden und Regierungsauflagen gerieten. Deshalb möchten wir den Weg einer individuellen Versorgung einschlagen und suchen nach Kooperationspartnern, mit denen wir dieses Projekt realisieren können. Generell wollen wir die Projekte, die wir planen, auch alle selbst realisieren, d. h. wir werden keinen Geldtransfer in den Libanon unternehmen, weder an Hilfsorganisationen, noch an andere Einrichtungen. Unsere Spenden setzen wir ausschließlich für die Projekte ein, die wir selbst auch umsetzen. Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Ein wichtiger Punkt, den wir auch in unserer Satzung festgeschrieben haben. Wir sind weder politisch, noch religiös orientiert, unser Ziel ist es, die bedürftigen Menschen zu unterstützen und ihnen Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen.
Beirut, Libanon, 2021: Demonstranten zünden Reifen an, um eine Kreuzung zu blockieren, nachdem die Währung auf ein neues Tief gefallen ist.
Womit kann man Ihnen jetzt am besten helfen, finanzielle Spenden?
Auf jeden Fall benötigen wir dringend finanzielle Spenden, um unsere Projekte zu realisieren. Wenn ein Unternehmen uns bei unserem ersten Projekt im Bereich Solarenergie mit einem System oder einem Produkt unterstützen könnte, würde uns das auch sehr freuen.
Kann man sich bei PPLEB auch ehrenamtlich engagieren?
Selbstverständlich, jeder, der uns helfen möchte, ist als Vereinsmitglied herzlich willkommen. Wir erheben bewusst keine hohen Beiträge, sondern nur 60 Euro Jahresbeitrag. Denn es ist nicht unser Ziel, unsere Projekte über einen Jahresbeitrag zu finanzieren. Wir freuen uns über zusätzliches Know-how und die Möglichkeit neue Kontakte zu Unternehmen herzustellen. Wir wollen im nächsten Jahr auch Veranstaltungen durchführen. Dazu benötigen wir auch Hilfe im organisatorischen Bereich.
Alexandra von Hirschfeld
Spendenkonto
Power for people in Lebanon e.V.Sparkasse KölnBonn
IBAN: DE96 3705 0198 1936 0967 65
BIC: COLSDE33XXX