Konjunkturausblick, Schwarze Schwäne und der Düsseldorfer Mittelstand

Wie wird sich die konjunkturelle Lage von Europa und der ganzen Welt entwickeln? Wann werden die Zinsen sinken? Welche unerwarteten Ereignisse bzw. Schwarzen Schwäne könnten bis zum Jahresende oder darüber hinaus die Märkte belasten? Diese und weitere Themen wurden auf dem neuen Netzwerktreff der Stadtsparkasse Düsseldorf mit dem Titel „Sixty Minutes mit Henrietta Six“ diskutiert. 

Fotos: Michael Gstettenbauer

Rund 35 Düsseldorfer Unternehmerinnen und Unternehmer aus den verschiedensten Bereichen von Baugewerbe über Immobilienwirtschaft bis hin zu Handel und Konsumgütern trafen sich zum Networking und Austausch mit der Finanzexpertin Henrietta Six und Mitarbeitern ihres Teams. Henrietta Six ist seit dem 1. Mai 2023 Mitglied des Vorstands für Firmenkunden und -kundinnen, Immobiliengeschäft und Treasury der Stadtsparkasse Düsseldorf. Ihr Aufgabengebiet reicht von der Unternehmensfinanzierung über Transformationskredite bis hin zur strategischen Beratung. 

Im Zentrum des Dialogtreffens mit dem Mittelstand stand die aktuelle Prognose zur konjunkturellen Entwicklung an den Weltmärkten bis zum Jahresende 2023. Gregor Höll, Direktor im Bereich Treasury der Stadtsparkasse Düsseldorf, präsentierte die aktuellen Entwicklungen und zeichnete in seiner Analyse ein vorsichtig optimistisches Bild.

Globaler Konjunktur- und Zinsausblick 2023

Laut Marktexperte Gregor Höll verbessert sich die konjunkturelle Lage auf niedrigem Niveau, aber die Dynamik lässt weiter nach. Die Weltwirtschaft, die von verschiedenen positiven Entwicklungen – insbesondere dem Ende der Covid-Beschränkungen in China, dem Rückgang des Rohölpreises und der Verlangsamung der Inflation – gestützt wird, kann nach der Zeit starker Unsicherheiten, die sie zum Ende des Jahres 2022 durchmachen musste, voraussichtlich wieder etwas aufatmen. Die Frachtpreise haben sich normalisiert. Lieferketten funktionieren wieder, die Headline-Inflation bildet sich langsam zurück.

Jedoch ist die Stimmung der globalen Einkaufsmanager laut Einkaufsmanagerindex uneinheitlich. Die Einkaufsmanagerindices für Deutschland, Europa und die Welt gelten als wichtiger Frühindikator für die Wirtschaftsentwicklung. Der globale Einkaufsmanagerindex beispielsweise basiert auf einer Befragung von über 10.000 Industrieunternehmen in 32 Ländern. Er setzt sich aus den Indikatoren Produktion, Auftragseingang, Beschäftigung, Lieferzeiten und Lagerbestand zusammen. Ein Wert von 50 Punkten wird als neutral, ein Wert von über 50 Punkten als steigende – und ein Wert von unter 50 Punkten als rückläufige Industrieproduktion angesehen. Je größer die Abweichung von 50 Punkten, desto größer die Veränderung:

• Der globale Einkaufsmanagerindex der Industrie (EMI/PMI) stagnierte im April 2023 bei
49,6 Punkten.  

• Der deutsche Einkaufsmanagerindex der Industrie (EMI) lag im Mai 2023 bei 42,9 Punkten, womit er zum vierten Mal in Folge gesunken ist.  

• Der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone sank im April 2023 auf 45,8 Punkte. 

 „Ich fordere dazu auf weiterzudenken und zu fragen: Was ist das Ziel und wie erreichen wir es?“ 

Weltweite Preisentwicklung ungebrochen dynamisch

Der Anstieg der Verbraucherpreise geht seit November 2022 nur leicht zurück. Unter anderem aufgrund der sinkenden Preise für Energie und Lebensmittel scheint sich die Gesamtinflation zu verlangsamen. In den Volkswirtschaften der G20 dürfte der Preisanstieg 2023 im Durchschnitt 5,9 Prozent betragen. In den USA könnte sich die Teuerung sogar wieder dem sogenannten „Normalbereich“ (<2 %) annähern und bei 3,7 Prozent liegen. Die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt treibt jedoch weiterhin die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) nach oben. 

Konjunktur USA (Arbeitsmarkt)

Dem Bankenbeben im März 2023 zum Trotz hat die US-Notenbank Fed (Federal Reserve System) zum zehnten Mal in Folge den Leitzins angehoben. Zum 4. Mai erhöhte sie den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 5,25 Prozent. Damit reagiert die Fed auf die zwar zurückgehende, aber dennoch hohe Inflation im Land. Anfang März 2023 gingen mit der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank zwei Geldhäuser pleite. Die Banken gerieten u. a. auch wegen der rasant angehobenen Zinsen zur Bekämpfung der Inflation in Schieflage. 

Welche Wirkung hat eine Anhebung des Leitzinses? 

Durch eine Anhebung der Leitzinsen wird tendenziell das gesamte Zinsniveau nach oben verschoben. Dies hat zur Folge, dass die Nachfrage der Wirtschaft nach Krediten zurückgeht und damit ganz allgemein die wirtschaftliche Aktivität gedämpft wird. Ziel einer solchen „restriktiven Geldpolitik“ ist es, einem inflationären Anstieg des Preisniveaus entgegenzuwirken. Neben der Inflation entscheidet auch die Entwicklung am US-Arbeitsmarkt mit darüber, ob die US-Notenbank ihren Leitzins weiter anheben wird. Sie hat die Zinsen bisher rasant nach oben getrieben, nicht nur um die hohe Inflation einzufangen, sondern auch um den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Viele neue Jobs wurden besonders in der US-Privatwirtschaft geschaffen. So ist der Arbeitsmarkt der USA laut Höll im Resümee zwar noch robust, auch wenn die Arbeitslosenzahlen leicht gestiegen sind, aber der Ausblick trübt sich ein. Die Erwartungen für einen verbesserten Arbeitsmarkt sind entsprechend gesunken. 

Der Häusermarkt reagiert deutlich auf den Zinsanstieg. Die Auftragseingänge bleiben schwach, aber stabilisieren sich, wenn auch auf niedrigem Niveau. Insgesamt wird der Konsum schwächer. Auf der anderen Seite scheint jedoch der Preisdruck zu sinken. Insgesamt scheinen die Zinserhöhungen die Konjunktur und den Preisauftrieb zu bremsen. Dabei bleibt das Konsumentenvertrauen noch stabil, wenn auch die Einzelhandelsumsätze fallen. 

 „Wir müssen einem dynamischen Umfeld begegnen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Klimaziele, gesellschaftliche Verantwortung und die geopolitische Lage. Darum kommen wir nicht herum.“

 

Konjunktur Deutschlands

Die konjunkturelle Grunddynamik hat sich laut Höll zuletzt spürbar abgeschwächt: Wichtige Indikatoren wie IFO- und ZEW-Index signalisieren jedoch eine leichte Verbesserung der Lage, Auftragseingänge und Industrieproduktion stabilisieren sich. Die Konsumstimmung liegt laut GfK-Konsumklima-Index in Deutschland jedoch weiterhin auf niedrigem Niveau. Im Mai 2023 lag der GfK-Index bei einem Wert von -25,8 Punkten. Für Juni prognostiziert die GfK für das Konsumklima einen Wert von -24,2 Punkten und damit insgesamt eine leichte Verbesserung bei der Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten. Allerdings zeigt sich die Verbraucherstimmung nach der deutlichen Aufhellung im Vormonat momentan eher uneinheitlich. Zwar stieg der Indikator für die Einkommenserwartung an, gleichzeitig sanken hingegen Anschaffungsneigung und Konjunkturerwartung. Der ZEW-Index ist ein Konjunkturindex des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dabei werden rund 400 Analysten und institutionelle Anleger nach ihren mittelfristigen Erwartungen bezüglich der Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung befragt. Der ZEW-Index gilt als richtungsweisend für den prominenteren ifo-Geschäftsklimaindex. Der ifo-Index wird monatlich vom Münchener ifo-Institut für Wirtschaftsforschung e. V. veröffentlicht. Er ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Er wird durch monatliche Umfragen unter mehr als 7.000 Unternehmen aus Handel, Bau- und Verarbeitendem Gewerbe zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage ermittelt. 

Inflationsrate und Preise sinken zögerlich

Die Inflationsrate ging im April auf +7,2 Prozent zurück. Die Inflationserwartung sinkt jedoch nur leicht. Maßgeblich für den leichten Rückgang (März: +7,4 %) war ein nachlassender Preisdruck bei Nahrungsmitteln. Die Preisentwicklung ist im Vorjahresvergleich allerdings immer noch sehr dynamisch. Insgesamt geht der Preisanstieg nur langsam zurück. Erste Zinssenkungen werden bis Anfang 2024 unwahrscheinlich. „Die derzeit zu beobachtenden hohen Schwankungen, die Revisionsanfälligkeit sowie die zum Teil widersprüchlichen Signale der Indikatoren sind an konjunkturellen Wendepunkten nicht ungewöhnlich. Stimmungsindikatoren deuten nach dem schwachen Winterhalbjahr aber eine wirtschaftliche Stabilisierung im weiteren Jahresverlauf an“, erklärt Gergor Höll.

Zins- und Aktienmärkte

Die Geldpolitik der Zentralbanken ist kontraktiv. Vor allem in Zeiten konjunktureller Überhitzung kann eine kontraktive Geldpolitik eine wirksame Maßnahme darstellen. Sie führt zu Zinssteigerungen, aber in Folge auch zu Produktions- und Investitionsrückgängen und soll darüber den Anstieg des Preisniveaus verlangsamen, also Inflationstendenzen eindämmen. Laut Höll ist der erwartete Höchstsatz am US-Geldmarkt erreicht und erste Senkungen werden erwartet. Man geht davon aus, dass nicht nur die Zinserhöhungserwartungen am US-Geldmarkt, sondern auch am Euro-Geldmarkt zurückgehen. Laut Höll neigt sich der Zinsanstieg zum Jahresultimo seinem Ende zu. Seine Prognose zum Jahresende 2023: Der Aktienmarkt werde zwar noch unentschieden sein, aber neue Chancen bieten. So sieht Höll den DAX zum 31.12.2023 bei rund 17.500 Punkten: „Das Risiko ohne schwarze Schwäne liegt bei ca. 14.800 Punkten, bei Ausbruch nach oben kann es im Best Case auf bis zu 20.000 Punkte gehen. Aktuell halte ich 17.500 Punkte für den DAX-Stand Ende 2023 für realistisch.“

Welche neuen „Schwarzen Schwäne“ könnten auffliegen?

„Schwarzer Schwan“ ist ein Begriff für ein unvorhersehbares Ereignis, das starke Auswirkungen auf den Aktienmarkt hat. Schockartige Ereignisse, die die Weltwirtschaft beeinflussen, werden seit Erscheinen des Buches „The Black Swan – Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“ von Nassim Nicholas Taleb oft als „Schwarze Schwäne“ bezeichnet. In den vergangenen Jahren flogen Schwarze Schwäne gleich mehrfach über die Finanzmärkte, etwa die Corona-Pandemie im Jahr 2020 und der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022. Mögliche neue Schwarze Schwäne könnten beispielsweise eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs auf die angrenzenden Länder sein oder eine militärische Eskalation zwischen China und Taiwan. Ebenfalls zugenommen haben negative Auswirkungen der Erderwärmung wie Stürme und Dürren und damit die Sorgen um den Klimawandel in den vergangenen Quartalen. Hier stellt sich insbesondere die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Schwellenländer haben wird.

Yen D. Tain, Founder and Managing DirectorFounder and Managing Director von Tains mein-asiamarkt.de in Düsseldorf auf der Immermannstraße sagt: „Natürlich hoffe ich, dass uns die Schwarzen Schwäne nicht besuchen, z. B. ein Taiwan-Konflikt. Vielleicht erleben wir in den nächsten Jahren einen ähnlichen Aufschwung wie in der Nachkriegszeit, wenn sich der Staub gelegt hat. Es gibt auf jeden Fall noch viel aufzuräumen in unseren eigenen Vorgärten, aber auch zu pflanzen, um die deutsche Wirtschaft zu stärken.“

Alexandra von Hirschfeld

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Über Henrietta Six

Seit acht Monaten trägt Henrietta Six nun das Trikot der Stadtsparkasse Düsseldorf. Als ehemalige Leistungssportlerin im Handball von Kindheit an ist sie absolute Teamplayerin. Vor ihrem Wechsel war sie drei Jahre lang Bereichsleiterin Unternehmen und Kommunen/Firmenkundencenter bei der Stadtsparkasse Krefeld. Zu ihren Aufgaben zählten neben den Firmenkunden und -kundinnen auch Immobilien, Kommunen und Spezialfinanzierungen. Henrietta Six wurde 1974 in Tatabánya in Ungarn geboren. Ihr Großvater väterlicherseits war Donauschwabe. „Ich bin Ungarin durch und durch – aber ebenfalls sehr deutsch“, sagt sie. Der Liebe wegen kam sie 1994 nach Deutschland. Durch Nebenjobs finanzierte sie ihr Studium und vertiefte dabei ihre Sprachkenntnisse. Die Entscheidung in Deutschland zu bleiben, traf sie kurz darauf sowohl privat als auch beruflich. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Bankkauffrau und danach zur Bankfachwirtin und Sparkassenbetriebswirtin. Es folgte ein Lehrgang zur Diplombankbetriebswirtin an der Frankfurt School of Finance & Management. Der Sparkasse KölnBonn blieb Henrietta Six 24 Jahre lang verbunden. Sie war dort lange in leitender Funktion, bevor sie nach Krefeld und letztendlich zur Stadtsparkasse Düsseldorf wechselte. 

Nachgefragt bei Henrietta Six

Wie wollen Sie die Zusammenarbeit im Firmenkundenbereich voranbringen?

Mir ist wichtig, dass wir auch tun, was wir sagen. Es reicht nicht im vertrieblichen Prozess eine neue Software einzuführen. Wir müssen uns auch um die Details kümmern und schauen, ob sie kompatibel ist mit den anderen Tools. Ich stelle viele Fragen wie diese. Ich fordere dazu auf weiterzudenken und zu fragen: Was ist das Ziel und wie erreichen wir es? Um bei dem Beispiel Vertriebssoftware zu bleiben. Für mich ist die Aufgabe erst gelöst, wenn Medienbrüche tatsächlich aufgehoben sind und Prozesse effizienter werden.

 

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell?

Wir müssen einem dynamischen Umfeld begegnen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Klimaziele, gesellschaftliche Verantwortung, die geopolitische Lage, darum kommen wir nicht herum. Wir alle müssen uns ändern. Mit unseren Customer Journeys, mit denen wir unterschiedlichste Prozesse aus Kundenperspektive unter die Lupe nehmen, sind wir schon inmitten dieser Transformation. Zusätzlich starten wir einige „Schnellboote“, die verschiedene Themen in kompakten Prozessen angehen. 

 

Welche Lösungen wollen Sie Ihren Kundinnen und Kunden anbieten?

Wir werden dem Mittelstand weiterhin den Rücken stärken, zum Beispiel in der Transformationsfinanzierung. Investitionen für mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung begleiten wir mit Beratung aus unserem Netzwerk, wie dem Digi-Check oder dem Energie-Check. Auch für den ESG-Bereich, also Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance), bauen wir gerade unsere Kompetenzen aus. Für viele Kunden und Kundinnen war das bisher noch kein Thema, weil es für sie nicht relevant war oder sie den Druck nicht spürten. Auch für diese Kunden und Kundinnen wollen wir relevante Partner sein, die sie auf der Transformationsreise mitnehmen und für den Gedanken gewinnen, dass CO2-Reduktion beispielsweise ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Mit Schulungen zu dem Thema bleiben wir am Ball und bekommen selbst eine Vorstellung davon, wie wir das an die Kunden vermitteln. Gleichzeitig bauen wir unsere Netzwerke weiter aus und bieten wie bei „Sixty Minutes“ oder „Mittelstand im Dialog“ Gelegenheiten, um neue Ideen einzubringen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

 

Sie haben gerade in Düsseldorf-Derendorf eine neue Wohnung gefunden. Was gefällt Ihnen an der Landeshauptstadt Düsseldorf?

Die Stadt ist einerseits sehr kompakt, kurze Wege, man kommt schnell von A nach B, andererseits hat sie sehr viel zu bieten an Kultur, Sport, Naherholung. Ich bin ein sportlicher Typ und mache am Wochenende gerne längere Radtouren mit meinem Mann. Das ist hier ideal.

 

War die Wohnungssuche schwierig?

Ja, es ist unglaublich, wie schnell die Wohnungen weg waren. Teilweise bekam ich überhaupt keine Antwort auf meine Anfragen. Oder ich bekam einen Link mit freien Besichtigungsterminen und wenn ich darauf klickte, war nur noch ein Termin am selben Tag frei – das war bei meiner engen Terminplanung nicht machbar. Ich habe danach immer direkt in meiner Anfrage-Mail geschrieben, dass ich besser telefonisch erreichbar bin. Mit meinem jetzigen Vermieter hat die Chemie am Telefon zum Glück auch sofort gestimmt. 

 

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