Wissenschaftler schaffen
das scheinbar Unmögliche:
die Zucht von Blauflossenthunfisch
Drei Düsseldorfer Meeresbiologen ist gelungen, was lange Zeit als unmöglich galt: Blauflossenthunfische zu bewegen sich in Gefangenschaft zu vermehren. Damit wächst die Hoffnung: kann Aquakultur die Überfischung der Weltmeere abwenden? Erste Erfolge sprechen für sich.
Der Rote Thun (Thunnus thynnus), auch Großer Thun, Nordatlantischer Thun oder Blauflossen-Thunfisch, ist eine gefragte Delikatesse vor allem für Sushi. Laut wissenschaftlichen Studien tummeln sich heute im Mittelmeer und im Ostatlantik nur noch etwa sechs Prozent der ursprünglichen Bestände. Nun hat das Düsseldorfer Unternehmen Tunatech eine Möglichkeit gefunden den Megafisch zu züchten. Bisher weigerten sich die großen Raubfische konsequent, sich in Gefangenschaft fortzupflanzen, sprich abzulaichen. Doch im Rahmen verschiedener von der EU geförderter Forschungsprojekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von über neun Millionen Euro ist genau das gelungen. Die treibenden Köpfe dahinter sind die Meeresbiologen Professor Christopher Bridges von der Universität Düsseldorf, seine ehemaligen Doktoranden Dr. Florian Borutta und Dr. Stephan Schulz sowie Dr. Shukry Na‘amnieh. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem die Fische zur gezielten Eiablage stimuliert werden können. Normalerweise läuft das so ab: Um die Zuchtfische zum Laichen zu animieren, wird ihnen ein kleines Implantat injiziert. Ein darin enthaltenes Protein aktiviert nach drei bis sieben Tagen die Hormonkaskade, die den natürlichen Laichprozess in Gang setzt. Diese Methode funktioniert bei vielen Fischarten wie Lachs, Stör etc., aber bisher nicht beim Blauflossenthunfisch. Die Gründe können vielfältig sein. „Das machen die Fische oft nicht in Gefangenschaft. Manchmal ist ihnen zu warm oder zu kalt oder sie können nicht hinschwimmen, wo sie wollen. Letztendlich heißt das, die Fische sind geschlechtsreif, aber pflanzen sich nicht fort“, sagt Florian Borutta. Doch mit dem Stimulationsimplantat von Tunatech klappte es endlich. „Wir unterstützen nur den natürlichen Prozess. Man kann sie durch die Gabe des Proteins bzw. Peptids triggern, also den letzten Reiz setzen, dass sie ungefähr drei bis fünf Tage danach ablaichen.“ Die Thunfischeier werden dann im offenen Meer eingesammelt. „Dabei haben wir festgestellt, es muss noch nicht einmal der ganze Schwarm implantiert werden, sondern nur einige wenige Fische. Diese fungieren quasi als Kickstarter für die anderen“, so Florian Borutta. Wenn die Fische implantiert werden, wird gleichzeitig eine kleine Gewebeprobe entnommen. „Wir machen einen DNA-Fingerprint der Fische. Das bedeutet, wir können jeden einzelnen Fisch identifizieren. Das ist sehr wichtig für später. Denn dadurch können wir die Eier einem bestimmten Elterntier zuordnen und genetisch erkennen: Das ist ein guter Fisch, der sehr oft ablaicht, der bleibt im Zuchtbestand. Andere, die nie ablaichen, können wir ersetzen“, erklärt Professor Christopher Bridges. Mit diesem Verfahren wurden in den letzten Jahren mehrere große Projekte durchgeführt. So hatte z. B. Mars, einer der größten internationalen Produzenten von Katzenfutter (Whiskas, Sheba etc.), ein großes Interesse an nachhaltigem Thunfisch. Kein Wunder, denn das Unternehmen hat ungefähr einen Bedarf von 5.000 Tonnen Thunfisch im Jahr. Als erstes Unternehmen seiner Branche hatte sich die Tiernahrungssparte von Mars dazu verpflichtet, seit 2020 nur noch Fisch aus nachhaltigen Quellen einzusetzen. Vor dem Hintergrund global schwindender Fischbestände hat Mars mit dem World Wildlife Fund (WWF) eine Verpflichtung zur Fischnachhaltigkeit erarbeitet. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wollte Mars ein Projekt starten, um Thunfische zurück ins Meer zu setzen.
„Also haben wir Millionen von Larven freigesetzt. 80 bis 90 Prozent davon sterben. So ist die Natur, deshalb legen Thunfische bis zu drei Millionen Eier pro Laichgang ab. Vielleicht eines oder zwei davon wachsen zu einem Fisch heran“, sagt Christopher Bridges. Werden die ausgewachsenen Fische später gefangen, könnte per DNA-Vaterschaftstest präzise festgestellt werden, ob sie von Tunatech stammen. „Wir kennen die DNA unserer Fische und wissen, welcher Fisch sich fortgepflanzt hat. Wir könnten zum Beispiel auf den Markt in Tokio gehen, wo 99 Prozent dieser Fische gehandelt werden, dort eine Probe nehmen und erkennen, dass es ein reproduzierter Fisch von uns ist.“
Aktuell arbeitet Tunatech daran, in Ägypten eine Thunfisch-Farm aufzubauen. Ziel ist es, dort in Aquakulturen aus den Eiern kleine Thunfische zu züchten, die dann aufgefüttert werden bis sie eine gewisse Größe haben, um verkauft zu werden. Es dauert ungefähr fünf Jahre, bis ein Thunfisch groß genug ist. Die Auslandsabteilung der Stadtsparkasse Düsseldorf hat das Projekt beratend unterstützt.
„Ungefähr 400 km westlich von Alexandria am Mittelmeer Richtung Libyscher Küste entsteht die Anlage, die wir entworfen haben. Durch Corona hat sich der Bau leider verzögert. Reisen sind schwierig, China hat komplett dicht gemacht und viele technische Geräte oder Teile, die wir benötigen, kommen aus China. Jetzt geht es aber endlich weiter, wir waren vor zwei Wochen das letzte Mal auf der Baustelle und konnten die Fortschritte sehen“, sagt Florian Borutta. Neben dem nordatlantischen Thun hat das Tunatech-Team auch bereits mit anderen Fischarten in vielen Ländern gearbeitet, ob mit dem südlichen Blauflossenthunfisch in Australien, mit dem Gelbflossenthunfisch in Indonesien und auf Hawaii oder mit Lachsen und Stören. „Beim Gelbflossenthunfisch sind die Bestände noch sehr groß, deshalb macht es wirtschaftlich keinen Sinn diese Spezies nachzuzüchten, da die Zucht kostenintensiver als der Fang ist. Damit unser Projekt auch aus Investorensicht interessant ist, haben wir uns bewusst auf den teuersten Fisch fokussiert.“ Und die Preise für Blauflossenthunfisch haben es in sich. Der Verkaufspreis im Supermarkt liegt in Düsseldorf für Bluefin zwischen 50 und 100 EUR pro Kilogramm. Wobei Düsseldorf durch die große japanische Community eine der wenigen Städte in Deutschland ist, wo es tatsächlich Bluefin zu kaufen gibt. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie groß ein solcher Thunfisch ist, hier ein Vergleich: Ein ausgewachsenes Schwein wiegt rund 180 bis 250 Kilogramm. Der Preis beträgt rund 500,00 Euro, also 2,00 EUR pro Kilogramm Schlachtgewicht.
Um ihr Zuchtvorhaben zu verwirklichen, bekam das wissenschaftliche Team Verstärkung von dem Biochemiker Shukry Na’amnieh, dem heutigen CEO von Tunatech. Er hat in der Vergangenheit schon eine erfolgreiche Biotechfirma an den Markt gebracht und veräußert. Danach machte er sich in Düsseldorf als Gastronom mit den arabischen Restaurants Arabesq und Samaq einen Namen. Hier wird u. a. gegrillter Thunfisch mit einer ganz besonderen Zubereitungsart serviert, die sogar beim Patentamt geschützt ist – und bald soll es hier Blauflossenthunfisch aus eigener Zucht geben. Eine Delikatesse, die vor allem in Japan hoch im Kurs steht. Auf dem traditionellen Tokioter Neujahrsmarkt wurden schon medienwirksame Preise von 2,7 Millionen Euro für einen 278 Kilo schweren Blauflossenthunfisch erzielt. Es liegt also auf der Hand, dass sich auch die Japaner bereits an der Zucht des Luxus-Fisches versucht haben. Forschern der japanischen Universität Kindai ist es gelungen, die pazifische Thunfischart in Farmen zum Laichen zu bringen. Sie konnten bereits gute Gewinne erwirtschaften. Allerdings gebe es bei den Japanern auch Jahre, in denen die Fische gar nicht ablaichen sollen – anders als bei der Methode von Tunatech, so Florian Borutta.
Alexandra von Hirschfeld