„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ – diese Lebensweisheit wird fälschlicherweise Wilhelm Busch oder Bertold Brecht zugeschrieben. Der Wahldüsseldorfer Frank Wilmes setzt alles daran, Gerüchte und falsche Aussagen aus der Welt zu schaffen. Praktisches Reputationsmanagement und Ghostwriting sind seine Spezialgebiete. Wir trafen den Medienagenten auf einen Espresso und lernten zugleich einen Düsseldorfer Krimiautoren mit einer Vorliebe für Klöster kennen.
Sie sind Wirtschaftsjournalist, haben für viele namhafte Wirtschaftszeitungen gearbeitet und waren Regierungskorrespondent für die Welt am Sonntag. Das klingt nach einer steilen Journalistenkarriere. 2003 gründeten Sie Ihr eigenes PR-Unternehmen, was fehlte zum Glück?
Ich war fünf Jahre in Bonn und Berlin Regierungskorrespondent für Finanz -und Wirtschaftspolitik, Gesundheit und Soziales. Die Politik hat mich ehrlich gestanden ziemlich ausgelaugt. Und es zog mich auch zurück nach Düsseldorf, wo ich nach meinem BWL-Studium in Münster ein Volontariat beim Handelsblatt gemacht habe. Und gerade weil ich so viele Gründer, Unternehmer, Manager, Fußball-Präsidenten, Bundeskanzler und ausländische Staatschefs kennengelernt habe, weiß ich, auf welch dünnem Eis sie sich bewegen (müssen). Da wollte ich gegensteuern und vor allem im Ernstfall die richtigen Pfeiler aus dem Köcher ziehen. Das sind letztlich alles offene Geheimnisse, die ich in meinem ersten Buch „Krisen-PR – Alles eine Frage der Taktik“ im Jahr 2006 veröffentlicht habe. Darin verrate ich die besten Tricks für eine wirksame Offensive.
Deswegen werben Sie auf Ihrer Website also auch mit praktischem Reputationsmanagement?
Ja, ich bin eben kein Theoretiker. Die Theoretiker setzen am Ende nichts um, ich schon. Mit der Theorie macht man sich die Hände nicht schmutzig.
Der gute Leumund, wie man früher sagte, heißt heute Image. Aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und nichtssagendem PR-Sprech gibt es immer wieder Skandale, geraten Manager ins Visier. Was läuft da falsch und was kann ein Spin-Doctor tun, welche „Therapie“ verordnen Sie?
Ein Schauspieler käme niemals auf die Idee, sein Image dem Zufall zu überlassen. Popularität erreiche ich, wenn ich mit meinem Publikum zusammenarbeite. Denn das Publikum macht mich zum Star. Manager glauben, dass ihr Image allein von den Bilanzzahlen abhängt. Das ist nur halb richtig. Wie Aktionäre, Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter und Multiplikatoren über eine Person denken, fließt auch in die Reputation ein. Weil das so ist, kommt es darauf an, der Außendarstellung einen Spin – also einen Dreh – zu geben, um damit neue positive Wirkungen aufzubauen.
Die meisten Unternehmenslenker in diesem Land wirken blass und austauschbar, weil sie kaum oder gar nicht wahrgenommen werden. Das sind No-Name-Manager. Die Folge: Sie verschenken wertvolles Image für das Unternehmen. Ein Typ ist dagegen jemand, bei dem ich sagen kann: Der steht für etwas und der steht für etwas ein. Klare Kante. Klare Haltung. Viele Unternehmer und Manager erscheinen deshalb so schwach, weil das Umfeld keinerlei Unterschiede zwischen den Menschen wahrnimmt. Sie überlassen ihr Image dem Zufall.
Das kann sich in Zeiten von Social Media schnell rächen …
Stimmt, die Konsumenten /Kunden werden zunehmend kritischer. Sie recherchieren im Internet, um möglichst genau Bescheid zu wissen. Der gebildete Konsument argumentiert mit Fakten statt mit Emotionen. Produkte werden austauschbar. Genau deshalb rücken Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und verantwortungsvolles Wirtschaften zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses.
Und wie erreicht man das?
Durch die richtige Kommunikation. Hier geht es immer darum, Menschen mit Ideen und Vorstellungen für sich einzunehmen, sie als Verbündete zu gewinnen und gut dazustehen. Wer ein gutes Image hat, hat es leichter im Leben. Ihm vertrauen die Menschen und Vertrauen ist bekanntlich das Gegenteil von Misstrauen. Ein gutes Image setzt permanente Glaubwürdigkeit voraus. Und diese Glaubwürdigkeit sichert nicht nur Respekt in Zeiten des Booms, wenn alles gut läuft, sondern auch Verständnis in Krisenzeiten, wenn es mal nicht so gut läuft. Image wirkt wie eine geheimnisvolle Kraft und sie bindet die Menschen.
Ihre Ziele, Leitbilder und Botschaften könnten Unternehmen doch auch selbst formulieren, warum eine Agentur von außen ins Boot nehmen?
Ganz einfach: freier Kopf und freier Geist. Wo der Interne sagt, das kann man doch so nicht machen und die interne Kommunikationsabteilung Auseinandersetzungen mit dem Vorstand scheut, bin ich völlig unbelastet und traue mich an völlig neue Themen heran. Ich überlege, wo der oder die Vorstandsvorsitzende eine Rede halten kann, wo ein Gastkommentar gut ankäme – gerne auch einmal zu einem Thema, das nur um ein, zwei Ecken mit dem eigenen Unternehmen zu tun hat. Ein Beispiel: Wer Sportartikel herstellt, könnte eine Kampagne zum Thema „gesundes Pausenbrot“ in der Schule machen. Also ruhig mal nach links und rechts schauen und dabei würde ich mir auch mehr Humor in der Außenwerbung wünschen. Wer erinnert sich nicht an den Elchtest von Mercedes?
Unternehmen verschenken sehr viel Potenzial, weil die Vorstandsvorsitzenden der breiten Öffentlichkeit gar nicht bekannt sind. Dabei kann ein starker Chef auch in der Krise Orientierung geben – dann sollte er aber nicht mit der S-Klasse auf den Betriebshof fahren, wenn er Leute aus wirtschaftlichen Gründen entlassen muss.
Haben Sie ein Beispiel, wie Krisen-PR funktioniert?
Natürlich, allerdings ohne Nennung von Namen. In einem Bestechungsskandal habe ich mit den Strafverteidigern zusammengearbeitet. Ich habe recherchiert, welche Informationen der Staatsanwalt aus den Akten nach außen gab und habe dafür gesorgt, dass auch die Position meines Kunden in der öffentlichen Darstellung berücksichtigt wurde. Keiner der Prozessbeteiligten lebt schließlich in Quarantäne, sie alle werden durch die Medien beeinflusst. Das verstehe ich unter Chancengleichheit.
Sie sind auch Ghostwriter und schreiben Reden für Manager und Vorstände. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Das sind mitunter halbe Diplomarbeiten, wenn es z. B. um Reden auf Fachkongressen geht. Aber der Aufwand lohnt sich. Reden sind ein wundervolles PR-Instrument. Es gibt nichts Persönlicheres als die Rede, bei der jemand in Wort und Person präsent ist. Dazu gehört auch ein Medientraining, für das sich Vorstandsvorsitzende und Manager unbedingt Zeit nehmen sollten. Am Ende ist es immer der Mensch, der den Unterschied macht. Menschen sind einfach interessanter als Produkte. Aber man muss auch etwas Wichtiges mitzuteilen haben, sonst verschenkt man die Aufmerksamkeit.
Seit 2018 publizieren Sie – bis auf das Coronajahr 2020 – im Jahrestakt. In Ihrem Buch „Mach´doch, was du willst … und schau mal, was Trau-Dich-Typen dazu sagen“ rechnen Sie mit der Ellbogengesellschaft ab. Einen ganz anderen Zugang bietet „Halt dein Leben fest: … und schau mal, wie die Mönche das machen“, das 2019 erschienen ist. In diesem Jahr erschien Ihr erster Düsseldorf-Krimi „Ein letzter Frühling am Rhein“. Die Leiche eines Models wird in einem ehemaligen Kloster in der Düsseldorfer Altstadt gefunden. Warum immer wieder Klöster?
Ich komme aus dem Münsterland, bin katholisch und kenne mich in der Klostergeschichte und den Ordensregeln sehr gut aus. Ich besuche leidenschaftlich gerne Klöster und suche das Gespräch mit den Mönchen. Seit Jahren bin ich regelmäßig in der Benediktinerabtei Gerleve im Münsterland. Früher war ich öfter bei den Franziskanern, mittlerweile bin ich zu den strengeren Orden „konvertiert“. Oft bin ich der einzige Katholik unter Atheisten, die sich dem Klosterleben aus sehr unterschiedlichen Motiven unterwerfen. Ein Mitbewohner ging in Klausur, um sich auf sein Examen als Wirtschaftsprüfer vorzubereiten. Ich selber habe eine tiefe Sehnsucht nach Einkehr und Kontemplation. Ich habe zwar immer einen Stift und Block dabei, aber statt an einem neuen Roman zu arbeiten, kämpfe ich gegen Einsamkeit und das Zurückgeworfensein auf das Ich an – immer wieder eine heilsame Erfahrung.
Wird es 2022 einen weiteren Roman mit Düsseldorfbezug geben?
Ja, er ist so gut wie fertig. Es geht um Gentrifizierung und Wandel, um die Eroberer und die Zurückgedrängten. Der Kriminalroman spielt in Oberbilk und in Himmelgeist.
Susan Tuchel