Foto: Harry Brot

Harry Brot – Backkunst, Präzision, Menschlichkeit

Es gibt Gerüche, die einen ein Leben lang begleiten. Für mich ist es der Duft von frischem Brot, der bei Harry Brot in Ratingen-Tiefenbroich in der Luft liegt. Als Kind hielt ich meine Nase in den Wind und fragte mich, was hinter den Türen passiert und wer das Brot backt, das später in meiner Schulbrotdose landete.

Jahre später bin ich mittendrin. Zwischen riesigen Teigknetmaschinen, sanft über Bänder laufenden Brotlaiben und Backöfen, so lang wie ein halbes Fußballfeld. Alles funktioniert vollautomatisiert – aber nach den handwerklichen Prinzipien traditioneller deutscher Backkunst.

Das Herz der Produktion
Ich bin mit zwei Menschen unterwegs, die seit über 20 Jahren die Harry-Welt prägen: Matthias Junge, Werksleiter, gelernter Bäcker und Lebensmitteltechnologe, und Björn Krenkel, Verkaufsleiter für sieben Bundesländer, verantwortlich für knapp 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 270 Touren täglich und 4.000 belieferten Märkten. 

v.l.: Matthias Junge, Werksleiter bei Harry Brot und Björn Krenkel, Verkaufsleiter West Harry Brot | Foto: Bernd Obermann

Während wir uns die Hände desinfizieren, in Schutzkleidung schlüpfen und durch die Schleuse treten, sagt Junge: „Hefe und Sauerteig – mehr braucht ein gutes Brot nicht“, während ein Kessel Teig langsam über uns in einen Hochlift wandert und in einen Trichter gefüllt wird. Von dort läuft der Teig in die Portioniermaschine, wird in gleichförmige Stücke geteilt und schonend rund- und langgewirkt – hier entstehen die Teiglinge, die später zu Broten werden. Vor dem Backen erhalten sie ihren Zierschnitt. Früher stand hier der Bäcker mit dem Messer. Heute macht das eine Maschine. Sind die Teiglinge fertig, wandern sie in die Öfen – einer davon ist bis zu 65 Meter lang, dimensioniert für drei Meter große Brotlaibe. Die Temperatur folgt genau der klassischen Backkurve: erst heiß anbacken, dann Dampfschwaden zuführen und zuletzt auf niedriger Temperatur langsam fertigbacken.
„Hefe, Sauerteig, Zeit – mehr braucht ein gutes Brot nicht.“
Matthias Junge

Werksleiter bei Harry Brot

Warum Harry Brot ohne Konservierungsstoffe auskommt
Weil der gesamte Prozess darauf ausgelegt ist, Keime vom Brot fernzuhalten. „Keine Chemie, keine Backhilfsmittel, keine Konservierungsstoffe. Unser Brot ist echtes Brot“, sagt Junge. Und während die frisch gebackenen Laibe hinter Glas geschützt an uns vorbeiziehen, fügt er hinzu: „Wenn das Brot aus dem Ofen kommt, ist es so sauber, dass man es in einen Operationssaal mitnehmen könnte.“

Der nächste Bereich ist für Besucher tabu: der Reinraum. Hier wird das Brot direkt nach dem Backen verpackt – noch heiß, mit einer Temperatur von über 100 Grad an der Oberfläche und ca. 98 bis 100 Grad im Inneren – in einer Umgebung, in der nahezu keine Keime vorhanden sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen spezielle Overalls und Schuhe, desinfizieren ihre Hände und betreten den Raum über eine Luftdusche. Die Luft wird gefiltert, damit keine Keime auf das frische Brot gelangen. „Das ist wie in der Medizintechnik“, sagt Junge. „Nur dass wir hier Brot backen.“ Zuletzt wird das Brot noch einmal schonend auf 65 Grad erhitzt. „Das Prinzip kennen Sie von der Milch-Pasteurisierung“, sagt Junge. So wird das Brot zusätzlich länger haltbar gemacht. Und zwar für mindestens zehn bis zwölf Tage bei ungeöffneter Verpackung.

Auch im Handel setzt Harry klare Standards: Vollkornbrot wird zehn Tage vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) aus dem Regal genommen. „Bei Vollkorn-Produkten erwarten die Leute eben ein langes MHD“, sagt Junge. „Wir produzieren das, was die Märkte benötigen – nicht mehr und nicht weniger.“
Gute Leute bleiben, wenn sie gesehen werden. Das ist unser Prinzip.“
Björn Krenkel

Verkaufsleiter West Harry Brot

Harrys Frischedienst
Sind die Brote verpackt und bereit für den Verkauf, übernimmt der Vertrieb bzw. der Frischedienst. Rund 30 Produkte laufen in Ratingen täglich vom Band: Vollkornklassiker, Mischbrote, Toast, Sandwich – und die Anno-Serie, rustikale Graubrotscheiben, die zu den beliebtesten Artikeln von Harry gehören. Das gesamte Harry-Sortiment umfasst über 150 Produkte. „Wir sind einer der letzten Betriebe, die noch alles aus einer Hand machen“, sagt Vertriebsleiter Björn Krenkel und erklärt mir seine Welt: 34 Vertriebsstellen, 926 Touren täglich, 12.815 Geschäfte – und ein Modell, das bei vielen Wettbewerber verschwunden ist. Die Fahrer sprechen täglich mit den Filialen, bestellen mit, räumen Regale ein – und sorgen mit dafür, dass genau die Mengen produziert werden, die wirklich gebraucht werden.

Krenkel redet nicht um den heißen Brei. „Wir zahlen über Tarif. Wir bieten gute Bedingungen. Wir gehen ordentlich miteinander um.“ Trotzdem spürt auch Harry den Fachkräftemangel – besonders bei den LKW-Fahrern. Deshalb setzt das Unternehmen längst auf neue Recruiting-Wege: Social Media-Kampagnen, Mitarbeiterempfehlungen und Benefits, die nicht überall selbstverständlich sind: Deutschlandticket, JobRad, Wellpass, Grippeschutzimpfungen, ein umfangreicher Seminarkatalog von Rhetorik bis Persönlichkeitsentwicklung.

Foto: Harry Brot

Purpose beginnt beim Personal

„Wir haben Feedbackgespräche eingeführt, die diesen Namen auch verdienen“, sagt Krenkel. „Wir wollen wissen: Was brauchen unsere Leute wirklich? Und was brauchen wir als Führungskräfte, um besser zu werden?“ Aktuell werden 13 junge Leute am Standort ausgebildet: Fachkräfte für Lebensmitteltechnik, Lagerlogistik und kaufmännische Berufe – viele bleiben ein Leben lang bei Harry. „Unsere ersten Azubis sind heute in Führungspositionen“, sagt Junge.

Warum das so ist? Weil Harry trotz seiner Größe familiäre Wurzeln hat. Es gibt Grillfeste, Sommerfeste, Familienführungen, damit die Kinder sehen, wo ihre Eltern arbeiten – und die Rentnerweihnachtsfeier, die jedes Jahr in der ersten Adventswoche stattfindet. „Unsere Rentner gehören immer noch dazu“, sagt Krenkel. „Sie haben das Unternehmen aufgebaut.“

Nachhaltigkeit beginnt schon auf dem Acker

Rund 90 Prozent des Getreides, das Harry verwendet, stammen aus Deutschland, knapp
97 Kilometer legt das Mehl im Schnitt bis zum Werk zurück.
Und weil 65 Prozent des CO₂-Fußabdrucks bereits bei der Getreidedüngung entstehen, arbeitet Harry gemeinsam mit Yara und der Bindewald & Guting Mühle an einem Zukunftsprojekt: grüner Ammoniak, ein CO₂-armer Dünger, der den Fußabdruck des Getreides um bis zu 30 Prozent reduzieren kann.

In den Werken kommen energieeffiziente Motoren zum Einsatz, Wärmerückgewinnung, Blockheizkraftwerke und Photovoltaikanlagen. Eine moderne Fahrzeugflotte sorgt für weniger Verbrauch – Eco-Trainings, Fahrtrainings für energie- und kraftstoffsparendes Fahren sorgen dafür, dass bis zu 15 Prozent weniger Diesel verbraucht wird. Einen starken Beitrag leisten außerdem die roten Kunststoff-Mehrwegkisten von Harry, in denen die Brote ausgeliefert werden: 4,5 Millionen Stück sind aktuell im Umlauf, jede mehr als 500 Mal im Einsatz. Das reduziert die CO₂-Emissionen pro transportierter Tonne Brot um rund 23 Prozent.

Darüber, wie komplex all diese Prozesse sind, macht man sich keine Gedanken, wenn man sich gerade ein Brot schmiert. Das wird mir erst bewusst, als ich das Werk verlasse. Wieder liegt dieser altbekannte Duft über dem Gelände. Jetzt weiß ich, wie viel Arbeit, Wissen und Sorgfalt dahinterstecken.

Pin It on Pinterest