Warten bis der Arzt kommt
„Männer haben‘s schwer, nehmen‘s leicht“ sang Herbert Grönemeyer vor 40 Jahren. Seitdem hat sich einiges geändert beim Rollenverständnis der Geschlechter – aber nicht beim Umgang mit der eigenen Gesundheit. Während Frauen routinemässig zur Vorsorge gehen, suchen nur 15 Prozent der Männer präventiv einen Arzt auf. Dabei wächst die Prostata ab dem 30. Lebensjahr und Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart, an der jedes Jahr 65.000 Männer in Deutschland erkranken. Nach Lungenkrebs ist ein Prostatakarzinom die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache.
Aber es gibt Initiativen, die auf eine Challenge hoffen lassen: Im November 2003 beschlossen zwei Australier, sich Schnurrbärte (englisch: moustache) wachsen zu lassen, um das Bewusstsein für Themen wie Prostatakrebs, Hodenkrebs, mentale Gesundheit und Suizidprävention bei Männern zu schärfen. Damit war der Männermonat „Movember“ in der Welt. Im ersten Jahr nahmen 30 Männer an dieser Aktion teil. Die Bewegung gewann jedoch schnell an Popularität und entwickelte sich zu einer globalen Initiative, die mittlerweile über fünf Millionen Teilnehmer in mehr als 21 Ländern umfasst. Die gesammelten Mittel fließen in Projekte zur Bekämpfung von Prostatakrebs, Hodenkrebs sowie zur Förderung der psychischen Gesundheit von Männern. Mitten im „Movember“ befragten wir Prof. Patrick J. Bastian, Chefarzt der Klinik für Urologie, Uro-Onkologie und Kinderurologie im Marien Hospital Düsseldorf, zum Thema Männergesundheit. Er begrüßt die Bewegung, wünscht sich aber, dass das Thema Männergesundheit das ganze Jahr über präsent ist.
Wenn der Gang zur Toilette zum Problem wird
Wenn die Patienten zu ihm in die Sprechstunde kommen, drückt es sie schon im wahrsten Sinne. „Trotzdem lautet die häufigste Antwort, wenn man fragt, warum die Patienten gekommen sind: ‚Meine Frau hat mich geschickt‘,“ berichtet Prof. Bastian. Mit zunehmendem Alter verändern sich die Funktionen der Harnwege. Symptome wie häufiges Wasserlassen, verzögerter Harnfluss oder das Gefühl einer unvollständigen Entleerung der Blase können erste Warnzeichen sein. In der Medizin spricht man auch vom zweizeitigen Wasserlassen. Beim ersten Mal wird die Blase nicht richtig entleert und eine Viertelstunde später kommt es zu einem überfallartigen Harndrang mit überschaubarem Ergebnis.
In den meisten Fällen ist eine gutartige Vergrößerung der Prostata die Ursache. Sollten Medikamente nicht greifen, besteht die Möglichkeit, minimalinvasiv eine sogenannte Holmium-Laser-Enukleation durchzuführen. Eine innovative Behandlungsmethode, von der Bastian zu 100 Prozent überzeugt ist: „Dabei wird gutartiges Prostatagewebe ausgeschnitten beziehungsweise mit dem Laser ausgehöhlt. Das kann man sich so vorstellen, als wenn man eine Mandarine von innen ausschält.“ Das Verfahren ist gewebeschonender, risiko- und nebenwirkungsärmer
und effektiver im Vergleich zu traditionellen Methoden.
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„Jeder Mann, ob jung oder alt, sollte sich die Frage stellen: Was kann ich für meine Gesundheit tun? Die Antwort darauf könnte Leben retten – vielleicht sogar das eigene.“
Prof. Dr. med. Patrick J. Bastian, Chefarzt der Klinik für Urologie, Uro-Onkologie und Kinderurologie im Marien Hospital Düsseldorf
Früherkennung rettet Leben
Zu Unrecht immer wieder in der Kritik steht der PSA-Wert (Prostata-spezifisches Antigen), ein biologischer Marker, der auf das Vorhandensein oder Fortschreiten einer Tumorerkrankung hinweisen kann. „Es ist der einzig verlässliche Wert, den wir für die Früherkennung haben“, betont Prof. Bastian und beruft sich auf die deutsche Fachgesellschaft für Urologie. Der Mediziner bedauert, dass die Kontroversen um den PSA-Test hinsichtlich möglicher Überdiagnosen dazu geführt haben, dass dieser Test in Deutschland keine Kassenleistung mehr ist. Dabei liegen gute Screening-Früherkennungsuntersuchungen vor. In einer großangelegten Studie aus Finnland und den Niederlanden wurde festgestellt, dass regelmäßige PSA-Tests die Sterblichkeitsrate bei Prostatakrebs signifikant senken können. Die Forscher konnten zeigen, dass die frühzeitige Diagnose das Risiko einer Metastasierung reduziert und die Lebensqualität verbessert. Männern ab 45 Jahren rät Bastian deshalb in einem gewissen Intervall einen PSA-Test durchführen zu lassen, auch wenn es eine IGEL-Leistung ist.
Fortschritte in der Therapie
Sollte der PSA-Wert erhöht sein und der Patient Probleme beim Wasserlassen haben, müssen Gewebeproben entnommen und untersucht werden. Hier hat die Medizin in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Rund 200 Mal im Jahr entnehmen die Urologen im Marien Hospital Düsseldorf mithilfe der Stanzbiopsie Gewebeproben, rund 100 Mal arbeiten sie mit sogenannten Fusionsbiopsien. „Zusammen mit den Aufnahmen aus dem Multiparameter-MRT können wir wie beim Schiffe versenken eine punktgenaue Biopsie vornehmen.“
Was passiert nach der Punktion?
Unter Federführung der Urologie wird bei positivem Befund mit der Radiologie, der Onkologie und der Strahlentherapie interdisziplinär die Diagnose gestellt und zusammen mit dem Patienten die Behandlung besprochen. Operiert wird nicht offen, sondern nach Goldstandard minimalinvasiv mit dem Da Vinci-System. Diese roboterassistierten Eingriffe ermöglichen eine präzisere Entfernung des Tumors und verringern das Risiko für Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz. Laut der ProtecT-Studie, einer der größten Langzeitstudien zu Prostatakrebs, leiden etwa 18 bis 24 Prozent der Patienten nach einer Prostataoperation unter anhaltender
Inkontinenz. „Ein bundesweites Register gibt es jedoch nicht und die Zahlen variieren von 0 bis 100“, so Bastian.
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Früh übt sich …
„Männer ignorieren ihre Gesundheit – sie wollen Probleme einfach nicht wahrhaben“, stellt Bastian fest. Während Frauen durch Schwangerschaften oder gynäkologische Vorsorge eng in das Gesundheitssystem eingebunden sind, fehlt Männern oft ein vergleichbares Bewusstsein. Neben Prostatakrebs gibt es auch andere urologische Erkrankungen, die jüngere Männer betreffen können. Besonders Hodenkrebs ist hier relevant, Vorsorgeuntersuchungen seitens der Krankenkassen sind jedoch nicht im Leistungskatalog. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie empfiehlt Männern ab 20 Jahren deshalb, ihre Hoden regelmäßig selbst abzutasten. Veränderungen wie Knoten oder Verhärtungen sollten umgehend ärztlich abgeklärt werden. Hodenkrebs hat zwar eine hohe Heilungsrate, eine frühzeitige Diagnose ist jedoch entscheidend.
Ist der Urologe ein Männerarzt?
Mitnichten, stellt der Mediziner klar. Der Urologe ist der Arzt für die männlichen Geschlechtsorgane, also das Pendant zum Gynäkologen, aber eben auch für die ableitenden Harnwege. Ein Drittel seiner Patienten sind Frauen. „Sechzig Prozent aller angeborenen Fehlbildungen bei kleinen Kindern sind urologisch. Jede vierte Krebserkrankung fällt in mein Fachgebiet“, zählt Prof. Bastian auf. Hinzu kommen Harn- und Nierensteine, eine echte Volkskrankheit, die vor allem Männer zwischen 40 und 50 Jahren zeitweise berufsunfähig macht.
Aufklärung tut not in seinem Fachgebiet. Nur 1,6 Prozent aller Ärzte machen ihren Facharzt in der Urologie. Deshalb unterrichtet Prof. Bastian an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Mir ist wichtig, dass alle angehenden Mediziner bei einer schmerzlosen Makrohämaturie, also bei Blut im Urin, an einen Blasentumor denken.“ Denn auch hier gilt, je schneller ein Tumor gefunden wird, umso größer sind die Heilungschancen.
Prostata-Gym
// Legen Sie sich in Rückenlage auf eine Matte und stellen Sie die Beine hüftbreit auf.
// Legen Sie eine Hand auf das Schambein. Drücken Sie beide Fußballen auf die Unterlage und bleiben dabei mit den Fersen trotzdem auf dem Boden.
// Sieben Sekunden halten, dabei gleichmäßig atmen, dann lösen.
// Wiederholen Sie die Übung drei Mal.