Hier wird das Leben leichter, wenn es schwer ist

Die Tür zur Palliativstation im zweiten Stock des Marien Hospitals Düsseldorf schließt sich leise. Drinnen ist es hell, ruhig und freundlich. Es ist ein Ort, an dem Schmerzen kleiner werden, Atemnot weicht und Angst aushaltbar wird. Ziel ist, Menschen zu stabilisieren und ihnen Wege zu eröffnen. „Im besten Fall zurück nach Hause“, erklärt die Leiterin der Station Dr. med. Hanna Kubitz, Oberärztin und Fachärztin für Innere Medizin und Palliativmedizin.

Wer hier aufgenommen wird, hat eine schwere Erkrankung und eine verringerte Lebenserwartung. Der Tod ist näher, aber steht nicht automatisch vor der Tür. „Begrenzt muss nicht heißen auf Tage oder Wochen“, sagt Dr. Kubitz. In dieser Zeit zählt alles, was Symptome lindert und Alltag ermöglicht. „Unser Hauptfokus liegt auf den Symptomen, an denen der Patient gerade leidet, nicht auf der auslösenden Krankheit.“ Die häufigsten Diagnosen sind Krebserkrankungen, dazu kommen neurologische und internistische Krankheitsbilder wie etwa eine schwere Herzschwäche. Im Durchschnitt werden die Patientinnen und Patienten zwischen zehn bis vierzehn Tagen hier behandelt.
„Es geht darum, ein Stück Würde zurückzugeben, die man oft an der Krankenhaustür abgibt.“
Dr. med. Hanna Kubitz, Oberärztin und Fachärztin für Innere Medizin und Palliativmedizin im Marien Hospital

Weichen stellen statt Endstation

Das Team beschreibt die Palliativstation gerne als Weiche. „Zu uns kommen Menschen, die noch nicht wissen, ob es nach Hause geht, ins Hospiz oder ob sie eine Therapie fortsetzen möchten“, erklärt Dr. Kubitz. Aufnahmegründe sind starke Schmerzen, anhaltendes Erbrechen oder Luftnot. Auch Überforderung zu Hause spielt eine Rolle. Die meisten Patienten werden von anderen Krankenhausstationen überwiesen, kommen von der Onkologie, der Inneren, der Chirurgie, mitunter auch von Intensivstationen. Häufig meldet sich auch die ambulante Palliativversorgung, wenn es zu Hause nicht mehr geht.

Die Station verfügt inzwischen über zwölf Betten. Die Erweiterung von acht auf zwölf Betten ist abgeschlossen, derzeit werden die älteren Zimmer modernisiert. Spenden bleiben wichtig. Denn die Palliativstation finanziert vieles, was Würde spürbar macht, nicht aus dem Regelsystem – wie zum Beispiel ein monatliches Klavierkonzert im Multifunktionsraum. „Dieser Raum ist zugleich unser Team-Raum – hier machen wir Pause und halten auch die Übergaben ab“, erklärt Claudia Feldbusch, Pflegerische Leiterin der Station. Auf einen separaten Personalraum hat das Team beim Umbau bewusst verzichtet, um jedem Patienten ein Einzelzimmer zu ermöglichen.

Auch sonst läuft hier einiges anders als auf anderen Stationen. „Bei uns gibt es keine grauen Essenstabletts“, sagt Claudia Feldbusch. „Wir fragen jeden Tag nach den Wünschen der Patientinnen und Patienten und servieren das Essen auf bunten Tellern in kleinen appetitanregenden Portionen.“ Ein Schälchen Milchreis mit einem kleinen Herz schmeckt einfach besser. Auch Krankenhaushemden sieht man hier eher selten. „Es geht darum, ein Stück Würde zurückzugeben, die man oft an der Krankenhaustür abgibt“, sagt Dr. Kubitz.

Was den Unterschied macht

Einmal pro Woche sitzt das komplette Team aus Ärzten, Psychoonkologen, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Physiotherapeuten und Seelsorgern zusammen und bespricht jeden Patienten. Und für die wird nicht nur medizinisch alles getan. Für die Seele gibt es Kunst—oder Aromatherapie. Viele fragen auch nach einer tiergestützten Therapie. Und dann gibt es Menschen, die eine Krankensalbung bekommen möchten oder die letzte Ölung, wenn der Abschied näher rückt. Doch es geht nicht nur um die Patienten auf der Station. „Die Mitbetreuung von Angehörigen ist eine unserer Kernaufgaben“, betont Dr. Kubitz. Das Spektrum der Gefühle ist groß. Abwehr, Wut, Verzweiflung und Akzeptanz wechseln sich ab. „Die gleichen Gefühle erleben auch die Angehörigen, oft sogar noch intensiver“, bestätigt Feldbusch.

Arbeiten am Limit und voller Sinn

Das Team nimmt sechs Mal im Jahr an Supervisionen teil. Der Druck ist hoch – der Personalschlüssel zwar besser als auf anderen Stationen, doch das gilt nur, solange niemand ausfällt. Perspektivisch werde die Digitalisierung sicher Entlastung bringen, meint Kubitz. Im Moment aber bedeute sie mit Schulungen im laufenden Betrieb vor allem eine zusätzliche Belastung. Auch der ökonomische Druck sei enorm, betont Kubitz. Claudia Feldbusch ergänzt: „Es geht darum, dass die Kolleginnen und Kollegen trotz zusätzlicher Dienste und hoher Belastung gerne zur Arbeit kommen.“ Trotzdem würden sich beide jederzeit wieder für die Palliativmedizin entscheiden. Kubitz hat in Münster studiert, wurde Fachärztin für Innere Medizin und erwarb die Zusatzqualifikation Palliativmedizin. „In Deutschland ist das keine Facharztausbildung, in England sehr wohl“, bedauert sie. Wie man die Nähe zu Krankheit und Tod überhaupt aushalte? Wichtig sei vor allem, Stabilität mitzubringen und zu lernen, sich abzugrenzen. „Nur selten nehme ich etwas mit nach Hause“, sagt sie. „Früher waren es die Schicksale kleiner Kinder, heute sind es eher medizinische Fragen, die ich lösen will.“ Claudia Feldbusch arbeitet sei 2017 auf der Station, seit vier Jahren in der Leitung. Sie hat sich in der Palliativ Care weitergebildet und spricht gerne von den schönen Momenten. „Mich berühren die Geschichten, die liebevoll und dicht sind. Wenn einer da liegt und der andere sitzt daneben, sie hören zusammen Musik, sind seit 40 Jahren ein Paar. So etwas bleibt.“ Beide empfehlen Menschen, die hier arbeiten möchten, eine ehrliche Selbstprüfung. Man braucht fachliche Neugier, Teamgeist, Standhaftigkeit und die Fähigkeit, Würde im Kleinen zu schaffen. Den Rest lernt man im Miteinander.

„Mich berühren die Geschichten, die liebevoll und dicht sind. Wenn einer da liegt und der andere sitzt daneben, sie hören zusammen Musik, sind seit 40 Jahren ein Paar. So etwas bleibt.“
Claudia Feldbusch, Pflegerische Leiterin der Station

Normalität im Ausnahmezustand

Normalität ist auf der Station ein hoher Wert. Zu den Klavierkonzerten kommen die Patienten im Rollstuhl oder im Bett, Angehörige begleiten sie. Alle zwei Monate lädt das Trauercafé zur Begegnung ein. Manchmal entsteht hier auch Neues. Zwei Angehörige, die ihre Partner verloren hatten, fanden hier zueinander. Und es gab und gibt immer wieder Hochzeiten auf der Station. Ein Paar, das 2023 hier geheiratet hat, konnte noch einmal nach Hause. Wochen später starb der Mann im Marien Hospital.

Für die Kontinuität der Versorgung sorgen die Sozialarbeiter. Sie organisieren die häusliche Pflege, bestellen Sauerstoffgeräte, binden den Hausarzt ein, klären Finanzierungsfragen oder finden einen Heimplatz.

Nach Hause geht es immer dann, wenn die Symptome beherrschbar sind. In anderen Fällen begleiten das Team der Station und die Partner im Netzwerk den weiteren Weg in ein Pflegeheim oder in ein Hospiz. In Düsseldorf ist die Versorgung mit Hospizplätzen derzeit noch gut. Aber die Zahl schwer kranker Menschen steigt. Bundesweit gibt es rund 330 Palliativstationen, 270 stationäre Hospize und etwa 1500 ambulante Hospizdienste. Die Palliativstation im Marien Hospital ist Teil dieses Netzes. Sie macht den Unterschied dort, wo er am meisten zählt: Wenn es schwer wird. Wenn Essen wieder schmeckt. Wenn Musik erklingt und wo Menschen füreinander da sind.

Marien Hospital: Palliativstation

Die Palliativstation im Marien Hospital Düsseldorf freut sich über Spenden für die Modernisierung der Zimmer und für Angebote, die im Alltag den Unterschied machen. Gesucht wird aktuell eine tiergestützte Therapie. Wer spenden möchte, kann das hier tun

 

Pin It on Pinterest