Klavierduos sind eine ganz besondere Spezies Mensch. Das Zusammenspiel zweier Pianisten ist technisch äußerst heikel. Es erfordert mehr als die präzise Übereinstimmung der Spielabläufe. Es erfordert den Gleichklang zweier Seelen. Das wird der Grund sein, dass sich meist Geschwister als Klavierduos zusammentun, nicht selten (eineiige) Zwillinge. Liebes- oder Ehepaare sind – vermutlich aufgrund der Aufhebbarkeit der Beziehung – die Ausnahme. In Düsseldorf lebt eine dieser weltweiten Ausnahmen: Kateryna Shapran (22) und Balazs Fazekas (21). Sie sind verliebt und verlobt und nehmen gerade ihre erste CD auf.
© Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de
Musikalisch und privat gibt es Kateryna Shapran und Balazs Fazekas nur im Doppelpack. So war es auch, als die beiden zum Interview in mein Büro kamen. Sie wirkten ein wenig schüchtern, aber wie ganz normale junge Menschen, bis sie anfangen von sich zu erzählen. Es ist die Geschichte einer Liebe zwischen einer Ukrainerin und einem Slowaken, der aber ungarisch spricht, weil seine Familie in einem Dorf an der Grenze zu Ungarn lebt. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das mit 15 Jahren alles auf eine Karte setzt, das seine kleine Stadt in der Ukraine verlässt, um in Košice in der Slowakei am Konservatorium zu studieren.
Klavier spielt Kateryna, seitdem sie drei Jahre alt ist, ihre Großmutter ist Klavierlehrerin, kauft ihr ein Klavier. Sie spielt und fängt an zu komponieren. Auch auf dem Konservatorium belegt sie das Fach Klavier, studiert außerdem noch Orgel und Komposition. Mit 17 Jahren lernt sie dort Balazs kennen. „Er hat einfach gut Klavier gespielt“, erzählt sie. Er bringt sie dazu, Pianistin zu werden. Zusammen nehmen sie an Wettbewerben teil, sehen sich eher als Konkurrenten, bis sie anfangen, Literatur für Klavierduos zu suchen. „Dann haben wir sehr schnell ein sehr tiefes musikalisches und persönliches Verständnis füreinander entwickelt“, erinnert sich Balazs. Er spielt Klavier seit seinem sechsten Lebensjahr, sein Bruder, der Geiger ist, führt ihn an die Musik heran. Seit vier Jahren sind Kateryna und Balazs nun Liebespaar und Klavierduo. Sie spielen an einem oder an zwei Pianos, traten in der Slowakei auf.
Aber sie wollten mehr lernen, weiterkommen. Um weiter zu studieren, bewarben sie sich in Budapest, Prag und Düsseldorf. „Wir wollten dahin gehen, wo wir beide die Aufnahmeprüfung schafften. Das war dann an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf“, sagt Kateryna. Dort studieren sie aktuell im dritten Semester, wurden aber wie alle anderen von Corona ausgebremst.
Der Ernst des Lebens
Balazs beantragte die staatliche Unterstützung für Künstler. Von dem Geld, das zweckgebunden ausgegeben werden sollte, kauften sie ein E-Piaono, um während des Lockdowns weiterspielen zu können. Sie lassen eine Website erstellen und wollen eine CD aufnehmen. „Dafür brauchten wir professionelle Fotos. Ich habe im Internet recherchiert und bin auf Alexander Vejnovic gestoßen, der schon viele Musiker porträtiert hat. Die und auch die anderen Fotos, die er macht, haben mir sehr gut gefallen“, erzählt Kateryna. Dass Alexander Vejnovic selber einmal in der Ukraine war, um Bewerbungsfoto für Studenten zu machen und mit einer Porträtserie von Menschen aus der Armenküche zurückkam (https://zoom-duesseldorf.net/erstausgabe#32), erfuhr sie erst beim Fotoshooting. „Wir wollten andere Fotos, Fotos, auf denen man nicht einfach in die Kamera lächelt. Er macht nicht nur Porträts, er macht etwas dazu. Wir machen Kunst und das bedeutet nicht nur lachen. Kunst kann auch traurig und ernst sein“, weiß Kateryna.
Bevor es nach Düsseldorf ging, lernten sie ein Jahr lang Deutsch. Da Kateryna Deutsch in der Grundschule hatte und als Schülerin für ein dreiwöchiges Stipendium in Dresden war, hatte sie den Klang noch im Ohr: „Sprachen zu lernen ist für Musiker einfacher. Wir hören, wie die Menschen sprechen und lernen schnell. Aber wir lesen auch Bücher und gucken Videos auf Youtube“. Die Musikerin spricht russisch, ukrainisch, deutsch und slowakisch, aktuell lernt sie ungarisch. Balazs spricht ungarisch, slowakisch, russisch und deutsch und lernt gerade ukrainisch. Miteinander sprechen sie slowakisch.
In Düsseldorf angekommen, jobbte sie bei Aldi und in einer Bäckerei, er bei Fuji. Die Unterstützung von zuhause reicht nicht zum Leben. Sie stehen um 4.00 Uhr morgens auf, gehen arbeiten, fahren dann in die Hochschule und üben vier bis acht Stunden am Tag – der oft zur Nacht wird. Mittlerweile hat Balazs Privatschüler und Kateryna unterrichtet an der „Modern Music School“ in Duisburg und hat viel Spaß an ihrer pädagogischen Tätigkeit. Während des Interviews kommen WhatsApps ihrer Schüler, jedes Mal springt sie auf, liest sie und freut sich über den Austausch: „Hier in Deutschland ist es lockerer, hier kann man auch Musik machen, wenn man nicht so viel Talent hat. Das finde ich gut, weil Musik Spaß machen soll.“ In Duisburg unterrichtet sie Klavierschüler von fünf bis 75 Jahren, auch viele Ärzte sind dabei, die in der Musik Entspannung finden. Ein Kardiologe erzählte ihr, wie ähnlich er die Musik und den Rhythmus des Herzens empfindet.
Ihr gemeinsamer Traum
Ein Profiniveau zu erreichen und an Hochschulen zu unterrichten, das wäre es. „Da ich selber in verschieden Ländern studiere, sehe ich die Unterschiede, was didaktisch gut ist und wo es Probleme gibt“, so Kateryna. Und obwohl sie eine Karriere als Klavierduo anstreben, sehen sich beide auch als Solisten. „Wir müssen realistisch sein“, bestätigt Balazs.
Drei bis vier Jahre plant das Duo in Düsseldorf zu bleiben. Gerade sind sie dabei von Mönchengladbach nach Flingern umzuziehen. Kateryna nimmt Unterricht bei Komponisten, hat auch schon ein Stück für ihr Klavierduo komponiert, das auch auf der ersten CD zu hören sein wird.
Was die beiden antreibt? „Wenn wir über einem Stück sitzen, lernen wir eine neue Person kennen. Wir probieren, diese Kunst zu verstehen. Das ist faszinierend und gibt unserem Leben Sinn. Es gibt kein Ende, das kann man ein ganzes Leben lang machen.“ Dass der Weg beschwerlich ist, stört die Pianisten nicht. „Berühmte Komponisten hatten auch schwierigen Zeiten, mussten in fünf Kirchen arbeiten, um über die Runden zu kommen. Sie waren trotzdem genial.“ Susan Tuchel