DIE TIERWELT IST DIVERS

Bei Diskussionen um das biologische (sex) und soziale Geschlecht (gender) bei uns Menschen begibt man sich in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte schnell auf politisches Glatteis. Vielleicht sollten wir uns einfach entspannen und staunen. Denn bei unseren Verwandten, den Tieren, gibt es nichts, was es nicht gibt: spontaner Geschlechterwechsel, Männchen, die Kinder bekommen, Zwitter und Weibchen, die sich ohne Männchen fortpflanzen können. Wir besuchten Jochen Reiter, den Direktordes Aquazoo Löbbecke Museum, und gingen mit ihm durch die Sonderausstellung „Sex and Gender: Diverse Geschichten aus der Natur“. Wer ebenfalls aus dem Staunen nicht herauskommen möchte: Die Ausstellung läuft noch bis zum 02. April 2023 und wurde finanziert vom Freundeskreis des Aquazoo Löbbecke Museum.

Seidenspinnen-Weibchen sind größer als ihre Partner, weil das Männchen nur die Spermien zur Fortpflanzung beiträgt, das Weibchen jedoch hunderte Eier und einen schützenden Kokon produziert.

Auch diese Rotgeflügelte Stabschrecke kommt dank der Fähigkeit zur Jungfernzeugung ohne Männchen aus.

Wollten Sie mit Ihrer Sonderausstellung auf den aktuellen Zug der Genderdebatte aufspringen?

Könnte man denken, aber das ist nicht so. Die Ausstellung geht auf einen Zufallsfund zurück: Wir haben 2020 in unserem Insektariumeinen sogenannten Halbseitengynander entdeckt. Diese malaiische Riesengespenstschrecke sieht so aus, als ob jemand mit einem Lineal einen vertikalen Strich durch ihren Körper gezogen hätte. Dieses Tier hat eine weibliche und eine männliche Seite und dann haben wir angefangen nachzuforschen, wo es ein solches Phänomen in der Tierwelt sonst noch gibt.

Wie kommt es denn zu Halbseitengynandern? Sind sie eine Laune der Natur?

Bei der ersten Zellteilung des befruchteten Eis kann es zu einem Fehler bei der Aufteilung der Geschlechtschromosomen kommen. Das hat zur Folge, dass die aus dem Ei heranwachsenden Tiere auf einer Körperhälfte weiblich, auf der anderen männlich sind. Halbseitengynander finden wir bei Insekten, Krebstieren und Vögeln wie dem roten Kardinal. Allerdings sind die meisten Halbseitengynander unfruchtbar.

Gibt es auch Tiere, die beide Geschlechter in sich tragen?

Ja, bei bestimmten Arten ist das gleichzeitige Vorhandsein von männlichen und weiblichen Geschlechtszellen, also von Spermien und Eizellen, Normalität und fester Bestandteil der Überlebens- und Fortpflanzungsstrategie. Nehmen wir einmal die Landlungen Schnecken. Die sind alle Zwitter, weil sie nur selten die Chance haben, einem Sexualpartner zu begegnen. Und da sie so langsam bei der Suche sind, machen sie es halt selber. Treffen sie aber doch einmal auf einen Artgenossen, ist der ein potenzieller Partner. Und die Schnecken können sich sogar in aller Ruhe entscheiden, wer von beiden den männlichen und wer den weiblichen Part übernehmen möchte. In der Regel stellt die größere Schnecke das Weibchen.

Also brauchen auch Tiere wie wir Menschen etwas Männliches und etwas Weibliches zur Fortpflanzung, wenn wir das Clonen auslassen?

Nein, nicht unbedingt. In der Tierwelt gibt es auch die Jungfernzeugung, die Parthenogenese. Bei Kondoren können aus unbefruchteten Eiern Junge schlüpfen und bei der rotgeflügelten Stabschrecke gibt es weltweit nur Weibchen in der Zootierhaltung. Sie pflanzen sich selber fort wie auch die Gespenstschrecken, bekannt als das Wandelnde Blatt.

Menschen können ihr Geschlecht durch Hormone und Operationen ändern, wenn sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen. Wie läuft das im Tierreich ab?

Unter den Tieren kennen wir Geschlechtswechsel bei Fischen. Alle Lippfische werden zunächst als Weibchen geschlechtsreif und erst, wenn sie ein Territorium verteidigen müssen, werden sie zu Männchen. Bei Anemonenfischen, Clownfisch Nemo gehört, ist es genau umgekehrt. Da sind alle erst einmal Männchen und wenn sie groß genug sind, um viele Eier zu produzieren, werden sie zu Weibchen. Der Plot vom Film „Findet Nemo“ müsste genau genommen umgeschrieben werden: Nach dem Tod von Nemos Mutter hätte sein Vater Marlin das Geschlecht wechseln müssen. Das kommt heraus, wenn die Produzenten keine Biologen im Vorfeld befragen (lacht).

Lippfische (links) werden zunächst als Weibchen geschlechtsreif, werden später zu Männchen.

Bei Anemonenfischen (rechts) ist es umgekehrt. Die Tiere maximieren so ihren Fortpflanzungserfolg.

Bei den Seepferdchen werden die Männchen trächtig. Die Weibchen produzieren die Eier und spritzen sie den Männchen in die Bauchtasche. Die Männchen gebären den Nachwuchs.

> zum Film

Noch ein spezieller Tipp für die Ausstellung?

Die Ausstellung ist jugendfrei. Im wahrsten Sinne des Wortes ein echter Hingucker ist etwa die Scheinklitoris der Tüpfelhyäne. Damit die weiblichen Tiere sich besser in der Gruppe behaupten können, entwickeln sie eine Scheinklitoris, die dem Penis der Männchen zum Verwechseln ähnlich sieht.

Was möchten Sie mit der Ausstellung erreichen?

Wir wollten einmal das „Andere“ zeigen, weil es im Tierreich an der Tagesordnung ist. Manche Tiere haben es einfach in sich, wie zum Beispiel der Maulwurf. Weibliche Maulwürfe besitzen neben Eierstock- auch funktionales Hodengewebe, das männliche Geschlechtshormone, also Testosteron, produziert. Das macht die Weibchen muskulöser und aggressiver – und das hat offenbar große Vorteile beim Kampf um die Ressourcen unter der Erde. Vielleicht sieht man den nächsten Maulwurfshügel im Garten dann einmal mit anderen Augen.

Susan Tuchel

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Spenden für Amphibien am Titicaca- See

DonRobertoCoffee® aus Costa Rica spendet einen Teil der Verkaufserlöse seiner fair gehandelten Kaffee-Edition im Design des Aquazoo an das K‘ayra- Zentrum in Cochabamba, Bolivien, das sich für den Erhalt der Amphibien am und um den Titicaca-See einsetzt. Die Kaffee-Sonderedition ist im Shop des Aquazoo, Kaiserswerther Straße 380, zu je 250 Gramm für 9,90 Euro (gemahlen oder als ganze Bohne) erhältlich. Onlinebestellungen auch über https://donrobertocoffee.com/.

Auffallen funktioniert fast immer: Mit einer zusätzlich aufgesetzten Feder wirkt der männliche Zebrafink in den Augen der Weibchen noch attraktiver, auch wenn die Natur einen derart auffälligen Kopfschmuck nicht vorgesehen hat.

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Geschenktipps zu Weihnachten Tierische Patenschaften

Patenschaften für die Tiere des Aquazoo sind sehr beliebt.
• weil die Namen der Paten in einem Schaukasten mit ihrem Patenkind verewigt sind
• weil alle Patinnen und Paten am 1. Mai exklusiv zum Patentag in den Aquazoo eingeladen werden. Auf liebevolle Paten inklusive handsignierter Patenschaftsurkunde warten bei den Wirbellosen z. B. die Hirnkoralle, die Seegurke oder auch die Tote Meerhand. Bei den Fischen sind Patenschaften für Doktorfische, Mond-Scheibensalmler, Piranhas und Seepferdchen noch zu vergeben. Der Axolotl bei den Amphibien hat schon Paten, aber Feuersalamander, die Gelbbauchunke und der schreckliche Pfeilgiftfrosch sind noch ohne Sponsor – die genannten Patenschaften kosten nur 75 Euro Jahresbeitrag. Für 100 Euro teilt der Mickeymouse-Baum seinen Namen mit dem Paten. Hier geht es zu den Patenschaften.

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