Johanna Antonie Tjaden-Schulte, Vorständin der NRW.Bank, im Interview

Deutschland steckt scheinbar fest: Die Konjunktur schwächelt, der Innovationsmotor stottert. Und gerade jetzt braucht es Menschen, die Bewegung reinbringen. Eine davon ist Johanna Antonie Tjaden-Schulte. Seit Oktober 2024 im Vorstand der NRW.BANK, treibt sie Vertrieb und Förderstrategie mit dem Fokus auf Transformation und Innovation voran. Sie denkt „vom Ziel her“, stellt alte Strukturen in Frage und will „mit jedem Förder-Euro“ Wirkung erzielen. Im Interview erzählt sie, warum NRW mehr kann als man denkt.

Fotos: Michael Gstettenbauer

Wie haben Sie Ihre ersten Monate bei der NRW.BANK erlebt?
Ich komme aus dem klassischen Geschäftsbankenumfeld und war überwältigt von der Breite, der Tiefe und der Stärke, mit der die NRW.BANK aufgestellt ist. Wir genießen eine große Reputation  am Markt – das ist ein großes Asset, auf dem ich aufsetzen möchte.  Außerdem bin ich sehr herzlich empfangen worden: einerseits von den Mitarbeitenden, andererseits konnte ich auch direkt wieder an mein altes NRW-Netzwerk anknüpfen – ich war vor einigen Jahren schon einmal in Nordrhein-Westfalen tätig und es ist schön, wieder hier zu sein.

Sie setzen einen Fokus auf Transformation und Innovation. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um Innovationen in Nordrhein-Westfalen noch stärker zu fördern?
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Innovationen der Kern unserer Zukunftssicherung sind. Innovationen ins Rollen zu bringen und damit den Fortschritt unseres Landes zu sichern, sehe ich dabei ganz deutlich als unsere Aufgabe als NRW.BANK. Mein Ziel dabei ist, dass wir unsere Produkte noch stärker vom Markt denken und noch genauer schauen, was die Unternehmen in unserem Bundesland konkret brauchen. Wir nehmen Impulse aus dem Markt auf und lassen sie in unsere Förderung einfließen. Das Ganze mit dem Ziel, den Fortschritt in Nordrhein-Westfalen voranzutreiben und ihn für die Unternehmen wirtschaftlich zu gestalten. Wenn wir am Ende eines Geschäftsjahres sagen können, dass wir für viele innovative und fortschrittliche Ideen die passende Förderung bereitstellen konnten, dann haben wir einen guten Job gemacht.

Was bedeutet passende Förderung in diesem Zusammenhang?
Grundsätzlich folgen wir dem Credo, dass wir für jeden Anlass und jede Unternehmensphase das passende Produkt anbieten. Das reicht von der Beratung über Zuschüsse und Risikoübernahmen bis hin zu Eigenkapitalfinanzierungen und klassischen Darlehen. Wir haben gerade erst ein neues Produkt an den Markt gebracht: NRW.BANK.Invest Zukunft. Das neue Förderprogramm unterstützt alle Unternehmen, die in Transformation investieren: von innovativen Technologien über digitale Prozesse bis zur Umstellung auf erneuerbare Energien.

Bei dem neuen Produkt geht es um ein Darlehen – wie unterstützen Sie im Thema Eigenkapital und wie stellen Sie hier sicher, dass aus den geförderten Technologien marktfähige Lösungen entstehen?
Wir investieren immer im Schulterschluss mit privaten Kapitalgebern über verschiedene Fonds entlang des gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens. Zum Beispiel über NRW.Venture, den Venture-Fonds der NRW.BANK. Unser Team bringt technologische und unternehmerische Erfahrung mit – von Biochemie bis Maschinenbau. Diese Kenntnisse helfen uns bei der Prüfung, ob wir ein Geschäftsmodell für erfolgversprechend und skalierbar halten.  Gleichzeitig prüfen wir, wie sich Innovationen in mittelständische Wertschöpfungsketten integrieren lassen.

Wie bringen Sie diese beiden Welten – Start-ups und Mittelstand – zusammen?
Ein gutes Beispiel ist unsere Private-Equity-Konferenz – die größte ihrer Art in NRW. Dort treffen sich Start-ups, Investoren und mittelständische Unternehmen zu Pitch-Sessions und zum Matchmaking. Erst wenn Start-ups und etablierte Unternehmen zusammenarbeiten, entsteht Wirkung.

Förderung ist da – dennoch gibt es  aktuell eine Investitionszurückhaltung seitens des Mittelstands. Woher kommt die? 
Die Gründe sind vielfältig: die Unternehmen sind nach den Krisenjahren immer noch vorsichtig. Energiepreise, Fachkräftemangel, geopolitische Spannungen und eine insgesamt schwer kalkulierbare wirtschaftliche Lage führen dazu, dass viele Investitionen erst einmal aufgeschoben werden. Da wollen wir ansetzen. Mit unserer Förderung sorgen wir dafür, dass die im Sinne der Transformation wichtigen Investitionen für die Unternehmen auch wirtschaftlich sind.

Was braucht es aus Ihrer Sicht noch, um Innovation in NRW weiter zu stärken?
Mehr Austausch und Vernetzung. NRW ist stark durch regionale Strukturen geprägt. Das bietet viele Chancen, aber auch die Herausforderung, Akteure miteinander in den Dialog zu bringen. Genau das sehen wir als unsere Aufgabe – über Veranstaltungen oder Netzwerke, bei denen Unternehmerinnen und Unternehmer voneinander lernen. Auch unser „NRW.Bank.Innovationspartner“, ein landesweites Netzwerk, das kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei Innovations- und Digitalisierungsvorhaben unterstützt, spielt hier eine zentrale Rolle: Er vernetzt Industrie- und Handwerkskammern sowie Wirtschaftsförderungen mit Unternehmen und Gründern.  Hier sehen wir noch großes Potential und haben entsprechend viel vor!

Sie kommen aus der klassischen Bankwelt – wie steht’s mit Ihrem Interesse an Technologie?
Technologie hat mich schon immer fasziniert. Ich begleite seit über 25 Jahren mittelständische Unternehmen und habe erlebt, wie sehr technologische Entwicklungen Geschäftsmodelle verändern. Und natürlich nutze ich auch privat Tools wie ChatGPT – sie sparen Zeit, geben Inspiration und sind eine Arbeitserleichterung.

Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?
Ich bewege mich gerne an der frischen Luft. Ich bin beruflich viel in Innenräumen und genieße es deshalb, privat draußen aktiv zu sein. Joggen gehört für mich dazu – ich habe meine besten Ideen beim Laufen. Ansonsten verbringe ich jede freie Minute mit meiner Familie.

Sie haben erwähnt, dass Sie in der Reiterei verwurzelt sind…
Ja, ich bin auf einem kleinen Gestüt aufgewachsen und war leidenschaftliche Springreiterin. Momentan reite ich nicht, aber mein Sohn interessiert sich ebenfalls dafür. Vielleicht ergibt sich da wieder ein gemeinsamer Weg zurück in den Stall.

Welcher Beruf hätte Sie alternativ zur Bankenwelt gereizt?
Wahrscheinlich etwas mit Pflanzen (lacht). Vielleicht hätte ich einen kleinen Blumenladen eröffnet. Ich mag es, Dinge wachsen zu sehen – im wörtlichen und übertragenen Sinn. Das wäre ein schöner Gegenpol zu meinem Job. Aber ich bin sehr glücklich mit dem, was ich tue.

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