Neulich war eine junge Frau, Anna K.*, mit einem vermeintlichen Luxusproblem in meiner Kanzlei. Ihre 82-jährige Oma wollte ihr und ihren beiden Schwestern ihr Haus schenken. Die Schenkung war ohne ihr Wissen bereits beurkundet. Sie musste nur noch – wie es ihre beiden Schwestern bereits getan hatten – die Vollmacht zur Übertragung des Grundstücks auf sich genehmigen.
Eigentlich sollte Anna sich doch freuen, statt damit auch noch zu einer Anwältin zu gehen, würde man meinen. Annas Bauchgefühl hatte ihr aber Recht gegeben, sich hier fachlichen Rat zu holen. Das Problem: Ihre Oma hatte nicht mit ihren Enkeln gesprochen und meine Mandantin fragte sich, ob der Vertrag auch Verpflichtungen oder Risiken für sie selbst oder ihre Oma enthält und was die eine oder andere Klausel in dem Übertragungsvertrag konkret bedeutet.
Und tatsächlich: So großzügig die Hausschenkung war, so brachte diese nicht nur Vorteile mit sich.
Die Oma hat sich ein lebenslängliches Wohnungsrecht an dem Haus vorbehalten: Während die Oma als Wohnungsberechtigte die gewöhnlichen Kosten trägt, tragen die neuen Eigentümer – neben der Versicherung – die außergewöhnlichen Kosten. Gerade wenn außergewöhnliche Erneuerungen, wie Heizung, Dach o. ä. anstehen, kann dies teuer werden, ohne dass die Beschenkten das Haus zur Finanzierung beleihen könnten.
Auch die Rückforderungsrechte der Oma hatten es in sich; so sollte sie z. B. das Haus von allen zurückfordern können, auch wenn der Grund der Rückforderung nur eine ihrer Schwestern betraf. Selbst wenn die Oma diese selbst nicht geltend machen würde, würde dies im Falle einer Betreuung wohl ein Betreuer tun (eine Vorsorgevollmacht hatte die Oma bisher nicht).
Auch die Vorstellung mit ihren beiden jüngeren Schwestern, die weit entfernt wohnen, in einer Miteigentümergemeinschaft alles gemeinsam entscheiden zu müssen, erschien meiner Mandantin – trotz des bislang guten Verhältnisses – bereits jetzt überaus konfliktträchtig.
Mit der Schenkung des Großteils ihres Vermögens übergeht die Oma ihre Tochter (die Mutter meiner Mandantin) als zukünftige Pflichtteilsberechtigte. Obwohl sie nur ihre Enkel schützen und den ungeliebten Schwiegersohn von dem Haus fernhalten wollte, steht der Tochter im Erbfall ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zu. Dazu zählen auch Schenkungen (Pflichtteilsergänzungsanspruch). Wenn sich die Tochter übergangen fühlt, könnte der Familienfrieden dauerhaft gefährdet sein, da die Mutter im Todesfall der Oma Pflichtteilsansprüche gegen ihre eigenen Töchter als zukünftige Erben geltend machen müsste.
Schließlich hat die Schenkung auch sozial-rechtliche Folgen. Bei einem möglichen Pflegefall der Oma besteht das Risiko, dass die Sozialbehörden Ansprüche gegen die Beschenkten erheben. Auf Grund des Wohnungsrechts wäre das Haus aber faktisch für die Beschenkten nicht verwertbar, sodass sie die Rückforderungen der Sozialbehörden erstmal aus eigener Tasche vorstrecken müssten.
Obwohl die Vorteile der Schenkung wahrscheinlich überwiegen, ist es wichtig, die langfristigen Folgen und möglichen Risiken zu kennen, zu minimieren und von Anfang an zu berücksichtigen. Aus Sicht meiner Mandantin kämen einige Möglichkeiten in Betracht, die den Interessen aller Beteiligten wahrscheinlich gerechter würden (Übernahme des Hauses durch einen Enkel, Auszahlung der anderen, Erb- und Pflichtteilsverzicht, Vorkaufsrechte, Änderung der Rückforderungsrechte, Beendigung des Wohnungsrechts bei Auszug …)
Der Fall ist in vielerlei Hinsicht ein Musterfall. Lessons learned:
Miteinander reden: Ein gemeinsames Gespräch zwischen allen Beteiligten hilft eine interessengerechte Lösung zu finden und Missverständnissen vorzubeugen.
Das Gesamtkonzept im Auge behalten: Eine Schenkung zu Lebzeiten in diesem Umfang sollte immer Teil eines Gesamtkonzeptes einer Nachfolgeplanung sein, in der alle relevanten Personen und Aspekte berücksichtigt werden (Pflichtteilsberechtigte, Steuern, Sozialbehörden …)
Rechtliche Beratung: Ziehen Sie einen Anwalt hinzu, der Ihnen dabei hilft, die Risiken zu minimieren und die Nachfolge so zu gestalten, dass sie Ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht.
Dörte Berendes-Schaefer
Dörte Berendes-Schaefer ist Rechtsanwältin und Inhaberin der Kanzlei dbs – Erbrecht & Vermögensnachfolge, Mediatorin und Referentin. Sowohl aus eigener Erfahrung als auch in ihrer täglichen Praxis erlebt sie, wie hoch emotional und belastend ein Krankheits-/ Todesfall in der Familie ist – gerade, wenn nichts geregelt ist. Daher ist es ihr ein besonderes Anliegen über gängige Fehlinformationen rund um Vorsorge, Vererben & Erben aufzuklären und zum Handeln anzuregen. Sie arbeitet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Düsseldorf-Oberkassel.