Darunter in diesem Jahr auch Richard Pratt, der legendäre schottische Radsportler und Inhaber des Rennrad-Fachgeschäfts Ricci-Sports an der Grunerstraße im Düsseldorfer Zooviertel. Richard, von seinen Freunden und Stammkunden Richie genannt, hat sich neben modernen Hightech-Rennmaschinen auch auf historische Rennräder, Classic oder Vintage Bikes spezialisiert. Das älteste Rennrad, das bei Ricci Sports zu bestaunen ist, stammt aus dem Jahre 1910. Es ist ein seltenes BSA (Birmingham Small Arms Company Limited) Single Speed Fixed Gear Bike.
Richard Pratt, Inhaber des Rennradshops Ricci Sports war bei der L‘Eroica 2024 mit am Start.
Mit welchem Rad darf man am Klassiker-Rennen teilnehmen?
Zur L’Eroica zugelassen sind nur Stahl-Rennräder, deren Baujahr vor 1987 liegt. Richie wählte für seine Teilnahme ein gelbes Stahlrad der Marke Rikert aus dem Jahr 1961, ausgestattet mit einem Original-Campagnolo-Grand-Sport-Schaltwerk, ebenfalls aus dem Jahr 1961. Moderne Radbekleidung ist bei der L’Eroica übrigens genauso verpönt und verboten wie technische Hilfsmittel. So tragen die Teilnehmer kratzige Trikots und klassische schwarze Radhosen aus Wolle. Manche ergänzen ihr Outfit sogar mit einem stilechten Schnauzbart. Nur moderne Fahrradhelme sind ausdrücklich erlaubt.
Die Strecken, die es zu absolvieren gilt, gehen wahlweise über 46 km, 81 km, 106 km, 135 km oder über 209 km, also ein Rad-Marathon. Alle haben es in sich.
Richie hat die 106 km gewählt. Als es um 7.00 Uhr morgens in dem kleinen toskanischen Ort Gaiole, etwa 40 km südlich von Florenz, an den Start geht, herrschen frostige Temperaturen von vier bis sechs Grad. Dabei hat Richie noch Glück. Die Teilnehmer der 209 km langen Strecke mussten bereits um 4.00 Uhr mit null Grad Außentemperatur starten. Richie trägt ein Wolltrikot und darunter ein Thermo-Trikot. Los geht`s durch die malerische Hügellandschaft. Bis zum Mittag gelangen sie nach Siena, eine der schönsten Städte der Toskana. Hier erwartet die Fahrer ein großer Verpflegungsstand mit italienischen Köstlichkeiten. In der Touristenstadt sorgen die Retro-Rennradfahrer für Aufsehen.
Gründung des Nostalgierennens
Ins Leben gerufen wurde die L’Eroica 1997 von Giancarlo Brocci nicht nur mit dem Ziel die „gute alte Zeit“ lebendig zu erhalten, sondern auch die letzten charakteristischen Schotterstraßen der Toskana, die „strade bianche“, vor der Asphaltierung zu schützen – was bisher auch gelungen ist. Beim ersten Klassiker-Radrennen 1997 gingen 92 Teilnehmer an den Start. Seitdem wächst das Event kontinuierlich. So zieht es mittlerweile 10.000 Rennrad-Enthusiasten in das kleine verschlafene Gaiole, das nur rund 2.800 Einwohner hat. Zur Zeit der L’Eroica herrscht hier absoluter Ausnahmezustand. Die Menschen feiern eine riesige ausgelassene Party in den Straßen.
Strenge Regeln
Neben dem Alter des Fahrrads ist das Reglement der Rennleitung sehr strikt. So müssen die Rennräder außen liegende Schalt- und Bremszüge haben sowie Schalthebel, die am Unterrohr angebracht sind. Für die langen Strecken ist ein medizinischer Nachweis für wettkampfmäßiges Radfahren notwendig, für die kurzen reicht eine allgemeine Gesundheitsbescheinigung. Die Teilnehmer müssen mindestens 15 Jahre alt sein. Für internationale Teilnehmer ist eine Mitgliedschaft im Radsportverband U.C.I. zwingend erforderlich. Ohne Vintage- oder Retro-Kleidung droht die Disqualifizierung, ausgenommen sind moderne Schutzhelme. Alle Teilnehmer müssen ein Reparaturkit für unterwegs mitführen.
Im Café Lo Sfizio di Bianchi treffen sich Rennrad- Enthusiasten aus aller Welt.
In Gaiole ist die L‘Eroica das Event, ein großes Stadtfest mit DJ Nicky, den hier jeder kennt.
Heldenhafte Leistungen auf rustikalen Strecken
„Eroica“ heißt auf italienisch „heldenhaft“, was die Teilnahme an diesem „Rennen“ sehr treffend beschreibt. Die teilweise schwer befahrbaren Schotterstraßen schlängeln sich mit bis zu 18-prozentiger Steigung durch die toskanische Landschaft. Bei der Marathon-Strecke gilt es rund 3.900 Höhenmeter zu bewältigen. So schön die toskanische Landschaft auch sein mag – die Teilnehmer der L’Eroica stellt sie vor große Herausforderungen. Richie erzählt: „Ich habe viele Fahrerinnen und Fahrer gesehen, die sich die Hügel hochgekämpft haben, einige mussten ihr Rad schieben.“ Die Zeit wird bei der L‘Eroica nicht gemessen. Vielmehr geht es darum, möglichst „heldenhaft“ ins Ziel zu gelangen. Dazu gehört auch wahrer Sportsgeist, also z. B. anderen Teilnehmern beim Reifenwechsel zu helfen. „Die Fahrt selbst war einfach traumhaft. Super Wetter, nette Mitfahrer aus allen Ländern der Welt, Italiener, Amerikaner, Kanadier. Auf den Höhen hatten wir weite Sicht über das Chianti-Gebiet, wunderschön“, erzählt Richie. An den Raststationen können sich die Radfahrerinnen und Radfahrer mit toskanischen Spezialitäten und echtem Chianti für die kommenden Streckenabschnitte stärken. Beim Start und der Zieleinfahrt werden sie von den Einwohnern und Besuchern bejubelt wie wahre Helden, die sie auch sind.