Wie fühlt es sich an, in einem zerstörten Land neu anzufangen? Was erzählen Gegenstände, die aus der Not geboren wurden, über das Leben nach dem Krieg? Am 10. März 2025 wurde im Düsseldorfer Künstlerverein Malkasten die Graphic Novel „Stell dir vor – Comics über die Nachkriegszeit“ vorgestellt. Das Buch nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf eine Zeitreise in die frühen Jahre der Bundesrepublik – eine Epoche des Mangels, der Improvisation und des Wiederaufbaus. Herausgegeben vom Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen, Philipp Abresch, Tobi Dahmen und Jakob Hoffmann, beleuchtet das Werk eine wenig bekannte Facette deutscher Nachkriegsgeschichte – durch die Geschichten von Alltagsgegenständen.

v.l. Gabriele Uelsberg vom Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen und Tobi Dahmen auf der Bühne im Düsseldorfer Malkasten, oben Comic-Szene mit Fokus auf Werner Abresch aus dem Buch, Fotos: Haus der Geschichte NRW

Die Sammlung Abresch als Inspiration

Der Pfarrer Werner Abresch sammelte seit den 1980er-Jahren Gegenstände der Nachkriegszeit, die den Erfindungsreichtum und die Not der Menschen nach 1945 eindrucksvoll zeigen. Aus Granathülsen wurden Blumenvasen, Fallschirmseide wurde zu Brautkleidern, und ein Stahlhelm verwandelte sich in ein Salatsieb. Diese Alltagsobjekte erzählten nicht nur von Mangel und Improvisation, sondern auch von Hoffnung und dem unaufhaltsamen Willen zum Wiederaufbau.

Trümmerfrauen in der Nachkriegszeit, dargestellt in Comic-Form

Werner Abresch vor den Ruinen des 2. Weltkriegs

Comics als Erinnerungskultur

Inspiriert von der Sammlung Abresch entstanden fünf Comicgeschichten, die die Vergangenheit lebendig werden ließen. Neben einer Rahmenhandlung, die Werner Abresch gewidmet war, schildern vier weitere Comic-Erzählungen mit viel Einfühlungsvermögen, Fantasie und künstlerischer Vielfalt, wie das Leben nach dem Krieg ausgesehen haben könnte. Die unterschiedlichen Zeichenstile – mal minimalistisch, mal expressiv, in Schwarz-Weiß oder farbig – zeigten, wie vielseitig Comics als Medium der Geschichtsvermittlung sein können.

Ein Brautkleid aus Fallschirmseide, die mögliche Geschichte hinter diesem Stück aus Werner Abreschs Sammlung, erzählt das Comic.

Zuerst wird der Fallschirm zum Lebensretter in letzter Sekunde…

… und dann zum Brautkleid für zwei Generationen

Die Buchpräsentation im Malkasten

Zur Premiere der Graphic Novel kamen rund 180 Gäste. Philipp Abresch, Tobi Dahmen, Jakob Hoffmann und Gabriele Uelsberg vom Haus der Geschichte NRW gaben Einblicke in die Entstehung des Buches. Sie sprachen über die Herausforderungen, Geschichte in Comics zu erzählen, und über die Bedeutung der gezeichneten Erinnerung.

Ein besonderes Highlight war die Lesung von Illustratorin Julia Bernhard, die für ihre Graphic Novel „Wie gut, dass wir darüber geredet haben“ mit dem Debütpreis des Comicsalons Erlangen ausgezeichnet wurde. Ihr Beitrag zur Anthologie „Stell dir vor!“ verlieh der Nachkriegszeit eine besondere Perspektive.

Die Kartoffeldiebe: Hunger und Nahrungsmittelknappheit sind in der Nachkriegszeit allgegenwärtig, da mussten die Jungs die Kartoffeln vom Acker klauen. Inspiriert zu dieser Geschichte hat die Zeichnerin ein altes Fahrrad aus Werner Abreschs Sammlung.

Ein gelungener Abend der Erinnerung

Die Buchpremiere von „Stell dir vor! Comics über die Nachkriegszeit“ zeigte, dass Comics mehr als nur Unterhaltung sind – sie sind wertvolle Dokumente der Erinnerung und ein kreatives Medium, um Geschichte für alle Generationen zugänglich zu machen. Die Besucherinnen und Besucher erlebten einen Abend voller bewegender Einblicke und spannender Diskussionen, die die Vergangenheit durch Bilder und Erzählungen neu erlebbar machten.

Das Buch mit 184 Seiten ist erschienen im Avant-Verlag, zu beziehen unter: https://www.avant-verlag.de/comics/stell-dir-vor-1/

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