Sportlich adrett erscheint er zum Interview, mit Blick auf den Fußballplatz der Arena. Fortuna Düsseldorfs Vorstandschef Alexander Jobst im Angriffsmodus: Gerade mal 16 Monate auf dem Posten, schickt er den Verein auf die größte Reise seiner 128-jährigen Geschichte. Der Ex-Schalker denkt nicht nur an neue Bundesliga-Glanzzeiten, sondern auch an das große Heimat-Epos. Was wäre Düsseldorf ohne Fortuna! Wie es für den Club weitergeht und was er sich zu seinem 50. Geburtstag wünscht. Ein Gespräch über die Zukunft.

Herr Jobst, was kann Fortuna Düsseldorf vom Aufsteiger 1. FC Heidenheim lernen?

Der Verein hat sich nicht verrückt machen lassen von all den Aufgeregtheiten des Profi-Fußballs. Er ist mit Ruhe, Geduld und personeller Kontinuität bei den handelnden Personen seinen Weg gegangen. Konstanz scheint allerdings in der Bundesliga ein rares Gut zu sein. 

Warum steigt Fortuna Düsseldorf in der nächsten Saison in die 1. Bundesliga auf?

Ich werde den Teufel tun, ein Datum zu nennen. Sonst nageln Sie mich darauf fest (lacht). Klar ist jedenfalls, dass Fortuna Düsseldorf als Verein der Landeshauptstadt in die 1. Bundesliga gehört.

Na ja, Fortuna ist eher ein gewohnheitsmäßiger Zweitligaverein. In der 60-jährigen Bundesliga-Geschichte spielte der Club nur 25 Mal in der ersten Liga.

Über weite Strecken aber sehr erfolgreich. Fortuna ist aus dem Profi-Fußball nicht wegzudenken. Wir arbeiten sehr fokussiert daran, um spürbar nachhaltig besser zu werden. Dabei handeln wir vorausschauend seriös. Dazu zählt auch die Erkenntnis, dass sich sportliche Ambitionen auf Dauer nicht mit Schulden erreichen lassen.

Wie reich oder arm ist Fortuna?

Fortuna ist ein gesunder Verein. Wir haben als einer der wenigen Clubs noch ein positives Eigenkapital. Daraus mobilisieren wir für die Zukunft weitere wirtschaftliche Kraft, sodass wir gesund wachsen können. 

Auf Schalke warfen Ihre Vorstandskollegen das Geld säckeweise aus dem Fenster, bei Fortuna herrscht Omas strenges Haushaltsbuch. Haben Sie sich daran schon gewöhnt?

Die wirtschaftliche Herangehensweise von Fortuna ist vorbildlich. Das wollen wir als Vorstand gemeinsam weiter fortsetzen. 

Aber Sie sind der Boss.

Boss ist ein schreckliches Wort, weil sein Inhalt Dominanzgebaren ausdrückt. Ich sehe mich nicht so. Im Team mit Sportvorstand Klaus Allofs, Finanzvorstand Arnd Hovemann, allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen trage ich die Kapitänsbinde und es bringt die Position mit sich, dass man in kritischen Situationen vorangeht. 

In fast allen Ihren Interviews betonen Sie den Teamgedanken. Steckt dahinter ein psychologischer Sinn?

Die Zeit der One-Man-Show ist im deutschen Fußball lange vorbei, denn die Anforderungen an einen gut geführten Fußballclub werden immer komplexer. Uns eint bei Fortuna der gemeinsame Wille, für Kontinuität zu sorgen. Der Verein sehnt sich danach. Das spürt man nicht zuletzt in Gesprächen mit Mitgliedern, Fans, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Wir machen uns hierzu auf den Weg, der gerade erst begonnen hat.   

Aber mit welcher Geschwindigkeit? Fortuna hält ja weiterhin strikt und streng daran fest, ein eingetragener Verein zu bleiben. So ist jeder Taubenzuchtverein organisiert.

Natürlich nicht. Unsere Organisationsform ermöglicht uns dynamisches Handeln in einem verlässlichen Umfeld. Wir sind ein Verein und bleiben es auch. An anderen Standorten kann das aber anders aussehen: In vielen Vereinen stehen Erlöse und Aufwendungen in einem Missverhältnis, sodass eine Umwandlung in eine GmbH oder AG sinnvoll sein kann, um Finanzkraft in den Verein zu holen. 

Bayern München hat sich trotz seines vollen Bankkontos für das Investorenmodell entschieden und ist mit adidas, Allianz und Audi jetzt noch reicher. 

Wir schauen nur auf uns. Wir sind ein gesunder Verein und können uns aus eigener Kraft solide weiter entwickeln. Das bedeutet aber auch: mutig sein, um unsere Fußball-Welt für Ideen zu öffnen.

Große Worte …

… und die Taten folgen. Die Komplexität des Fußballs mit Ticketing, Sponsoring, Merchandising und TV-Einnahmen, mit allen rechtlichen und finanzwirtschaftlichen Fragen, erfordert aus unserer Sicht neue Lösungen für eine nachhaltige Wirkkraft. Mit einem weiter so ist das nicht mehr zu schaffen. Deshalb haben wir 13 Monate mit Hochdruck und enormem Zeiteinsatz unser Konzept „Fortuna für alle“ erarbeitet – und nichts drang nach außen. Auch das spricht für unseren Corpsgeist. 

Mit diesem Konzept hat es Fortuna sogar in die Weltpresse geschafft. 

Wir sehen über die sportliche Perspektive hinaus auch unsere gesellschaftliche Verantwortung, ohne dabei Moralapostel zu sein. „Fortuna für alle“ bedeutet, dass Fußball für uns mehr ist als nur die Finanzierung der Profi-Mannschaft. 20 Prozent investieren wir in den Nachwuchsbereich und den Frauenfußball, 10 Prozent in den Breitensport der Stadt, 20 Prozent in die Arena und die digitale Infrastruktur. Wir setzen das selbstbestimmt um, weil uns keiner hineinreden kann. Schon deshalb ist unser Modell des e. V. nicht
verhandelbar.

Das entscheiden doch die Mitglieder.

Sie wollen, dass es so bleibt, wie es ist.

Aber darüber hat es noch keine Abstimmung gegeben.

Das Meinungsbild ist überwältigend klar. Deshalb die klare Botschaft: Fortuna bleibt Fortuna und davon profitiert auch Düsseldorf als Sport- und Fußball-Stadt. 

Fußball-Stadt? Nur selten ist das Stadion ausverkauft.

Die Sportstadt ist ohne unsere Fortuna nicht denkbar. Wir sind der wichtigste Sympathieträger für Düsseldorf und tragen deutlich zum Bild unserer weltoffenen und lebenswerten Stadt bei. Das ist keine Frage eines immer vollen Stadions, sondern auch der Durchdringung aller gesellschaftlichen Gruppen.

Haben Sie Oberbürgermeister Stephan Keller schon mal bei einem Heimspiel gesichtet?

Stephan Keller schaut sich regelmäßig unsere Spiele in der Arena an. Unser Austausch ist sehr offen und vertrauensvoll. 

Fortuna wird also den Breitensport in der Stadt fördern, was bekommt Fortuna von der Stadt als Gegenleistung?

Wir bilanzieren das nicht. Aber wir arbeiten mit der Stadt Hand in Hand, das war in der Vergangenheit nicht immer so. Unser gemeinsamer Tatendrang führt in eine gute Richtung. 

Wohin genau?

Die Stadt hat uns signalisiert, dass wir das Stadion stärker für unsere Vermarktungschancen nutzen können. Es ist doch klar, dass wir für unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit abseits der üblichen Einnahmequellen attraktive Möglichkeiten nutzen möchten. Wir sind nicht nur Mieter der Arena, sondern auch ihr Hauptakteur. Das sollte in Zukunft auch stärker zum Tragen kommen.

Woran denken Sie?

Das werden wir gemeinsam jetzt mit der Stadt erarbeiten. 

Um im Bild der Fußball-Stadt zu bleiben. Fortuna hat mit 27.200 Mitgliedern etwa so viele wie die graue Maus Bayer Leverkusen. Warum ist das so?

Es bleibt nicht so. Aber klar, Düsseldorf ist eine facettenreiche Stadt mit einem breiten sportlichen und kulturellen Angebot. Da müssen wir mithalten. 

In Köln ist auch viel los, aber der 1. FC hat 125.000 Mitglieder.

Köln hat es geschafft, die Identifikation der gesamten Stadt für den Verein zusammenzuführen. Durch unser Konzept „Fortuna für alle“ wollen wir in der Stadt noch enger verankert Projekte umsetzen und stärken somit die Identifikation. So wird unsere Saisoneröffnung in diesem Sommer auf der Rhein-Kirmes stattfinden, ein gutes Beispiel wie ich finde. Die Mitgliederzahl ist demnach nur eine Komponente. 

Seit wann sind Sie Fortuna-Mitglied?

Seit ich meinen Vorstandsvertrag unterschrieben habe. Das war aber nur ein Formalakt. Ich lebe seit vielen Jahren mit meiner Familie in Düsseldorf, da bleibt es gar nicht aus, auch in die Fortuna-Welt einzutauchen und mit der Mannschaft zu fiebern.

Sind Sie auch noch Schalke-Mitglied?

Auch das, der Verein hat mich geprägt, immerhin war ich dort fast zehn Jahre Mitglied des Vorstands. 

Beide Mitgliedschaften sind erlaubt?

Sie müssen erlaubt sein.

Fortuna gegen Schalke, da wäre ein Unentschieden doch in Ihrem Sinn?

Wie kommen Sie darauf? Ich bin Sportler und möchte mit meinem Verein gewinnen. Und der heißt Fortuna Düsseldorf.

Welches Image hat Fortuna Düsseldorf?

Wir sind ein beherzter und familienfreundlicher Verein, beseelt von der Kraft der Tradition, die sich von Generation auf Generation vererbt. Das geht sehr tief und das sehen wir ausdrucksstark gerade auch bei den Auswärtsspielen. Vereine ohne Tradition spielen auswärts fast ohne nennenswerten Anhang. 

Passt der Spielhallen-Betreiber Merkur, Namensgeber des Stadions, zum familienfreundlichen Selbstbild der Fortuna?

Auf die Namensvergabe hatten wir keinen Einfluss und generieren dazu auch keine Einnahmen für die Fortuna. Das entschied die Betreiberin des Stadions, also D.LIVE. 

Im öffentlichen Mittelpunkt des Konzeptes „Fortuna für alle“ steht das langfristige Ziel, alle Spiele ohne Eintritt zu ermöglichen. Sie kennen den Spruch: „Was nichts kostet, ist auch nichts wert.“

Wir öffnen den Fußball, unabhängig von der Einkommensstruktur einer Familie, und wir ermöglichen allen Menschen in Düsseldorf das Stadionerlebnis, ohne ständig ins Portemonnaie schauen zu müssen. Laut einer Erhebung sagen zwei von drei Fans: Wir können uns nicht jedes Heimspiel leisten. Das ändern wir. Das ist wertvoll. Diese Einzigartigkeit im deutschen Fußball befruchtet auch das Stadtleben.

Das Projekt beginnt in der nächsten Saison, aber gegen Top-Mannschaften wie Schalke, HSV und Hertha BSC müssen die Fans weiterhin zahlen. Weil Fortuna auf diese Einnahmen nicht verzichten kann? 

Sobald der Spielplan da ist, setzten wir uns zusammen und prüfen, welche Spiele wir anbieten wollen.

Woran machen Sie Erfolg oder Misserfolg dieses Freikarten-Konzeptes fest?

Wir werden mit den Unternehmen, die dieses Konzept ermöglicht haben, kontinuierlich darüber reden, wie sich die Entwicklung anfühlt. Aber noch einmal: Das Konzept „Fortuna für alle“ zielt nicht nur auf die Liga-Spiele, sondern auch auf Jugend, Breitensport und Digitalisierung. Es kommt also auf die Gesamtbetrachtung an. 

War „Fortuna für alle“ Ihre Idee?

Ich habe sie angestoßen, das Konzept ist das Ergebnis intensiver Teamarbeit. 

Der Düsseldorfer Weltkonzern Henkel entwickelt sich für Fortuna mehr und mehr zu einem Sorgenkind. Das Unternehmen unterstützt weder das Konzept „Fortuna für alle“ noch ist er weiterhin Trikotsponsor. Was ist da los?

Henkel bleibt als langjähriger und geschätzter Partner erhalten. Er hat Fortuna gerade auch in schwierigen Zeiten immer unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar.

Wenigstens die eine Million Euro für Trikotwerbung könnte Henkel doch aus der Portokasse bezahlen. Da fragt man sich ja, warum der Konzern plötzlich so deutlich auf Distanz geht?

Zahlen kommentiere ich nicht. Aber noch einmal: Henkel und Fortuna bleiben zusammen, auch wenn sich die Schwerpunkte verändern. Henkel konzentriert sich in der kommenden Saison auf sein Logen-Engagement, das ist eine Entscheidung des Konzerns und die gilt es zu akzeptieren. Mit der Targobank haben wir ein starkes Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf gewonnen, das über Trikotsponsoring hinaus auch unser Konzept „Fortuna für alle“ mit Begeisterung tragen wird. Das haben wir von Beginn an in den Gesprächen gespürt. Dieses langfristige Vertrauen ist ein starkes Signal und darüber freuen wir uns.

Sie sparen jeden Tag mindestens 1,5 Stunden, weil Sie nicht mehr nach Schalke fahren müssen. Was machen Sie mit der gewonnenen Freizeit?

Dann frage ich mich, wo die Zeit geblieben ist? Was wir bei Fortuna aufbauen und mit dem Konzept „Fortuna für alle“ auf die Beine gestellt haben, mit unzähligen intensiven Gesprächen und Verhandlungen, hat den Vorstand und das Team extrem herausgefordert. Trotzdem muss ich irgendwie mein Sportprogramm in den Tag hineinbekommen.

Muss?

Sportlich war ich schon immer. Ich habe als Jugendlicher Handball und Tischtennis gespielt. Fußballerisch war ich allerdings völlig talentfrei. Im Berufsleben brauche ich Sport auch für meinen Kopf, um neue Energie zu laden. Wenn ich morgens die Kinder geweckt habe, laufe ich, fahre Fahrrad oder gehe schwimmen – fünf oder sechsmal in der Woche. Vor ein paar Jahren habe ich den Triathlon für mich entdeckt, aber den erforderlichen zeitlichen Trainingsumfang bekomme ich aktuell nicht genügend unter. 

Trotzdem, harte Nummer!

Ich kann auch anders. In geselliger Runde, leider viel zu selten, bin ich meistens der Letzte, der geht. Das war früher schon so. Mein Vater hat mich dann sonntags geweckt. Er meinte: „Wer trinken kann, kann morgens auch in die Kirche gehen.“

Sind Sie gläubig?

Ja, ich bin katholisch, aber in die Kirche gehe ich kaum noch. 

Über das Fortuna-Stadion fliegen die Flugzeuge in den Urlaub. Wohin verreisen Sie?

Wir haben ein kleines Ferienhaus in Zeeland am Veerse Meer, nur drei Autostunden entfernt. Wir haben dort alles, damit die ganze Familie Zeit, Spaß und Erholung zusammen findet.  

Im September werden Sie 50. Ihr größter Wunsch?

Gesundheit, Zeit mit der Familie und Freunden und dass jeder Spaß hat, um am Wochenende zur Fortuna zu gehen.

Frank Wilmes

„Fortuna für alle“

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Zur Person: Alexander Jobst (49)

Sport ist seine Berufung. Fast täglich läuft, radelt oder schwimmt er.  Nach dem Studium der Sportökonomie begann er seine Laufbahn bei Siemens im Sponsoring, wechselte zur spanischen Galionsfigur Real Madrid, zum Weltfußballverband Fifa und trimmte das Schalker Marketing auf höchstes Bundesliga-Niveau. Seit Februar 2022 ist Alexander Jobst Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Im Sommerurlaub geht’s ins holländische Zeeland. 

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