Wer tanzt da eigentlich? Zusammen mit dem Düsseldorfer Fotografen Alexander Vejnovic porträtierten wir sechs Tänzerinnen und Tänzer des Ballett am Rhein, das unter der Leitung von Ballettdirektor und Chefchoreograph Demis Volpi 2020 neu aufgestellt wurde. Sie kommen aus Europa, Asien, Amerika und Kanada. Wir trafen sie im Balletthaus an der Merowingerstrasse – backstage im Trainingsdress zwischen Probe, Training und Stretching.

Edvin Somai

begann seine Ausbildung an der Hungarian Dance Academy in Budapest. Danach absolvierte er die Palucca Hochschule für Tanz Dresden. Es folgten Gast-Engagements an der Semperoper Dresden und der Ungarischen Staatsoper in Budapest. Seit dieser Spielzeit ist der Tänzer Mitglied der Compagnie des Ballett am Rhein, es ist sein erstes festes Engagement.

Edvin Somai sah sich als Kind alle Filme mit Gene Kelly an, war fasziniert von  Hollywood-Filmen mit Singing and Dancing. Mit sechs Jahren ging er zum Kinderballett, mit neun besuchte er eine Ballett-Schule in Budapest. Zuhause rannte er damit offene Türen ein. Sein Vater arbeitet als Ökonom an der Oper, wäre aber lieber Opernsänger geworden. 

Das Wissen um seinen Körper ist für ihn der Schlüssel zum Erfolg. Gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vitaminen gehört dazu. „But I love sweets“, lacht er. Edvin Somai kocht gerne, wenn er die Zeit und Energie hat, aber bei den kleinen Zeitfenstern zwischen Proben, Gymnastik, Yoga und Pilates holt er sich dann doch öfter Sushi und Wraps beim Discounter.

Immer wenn sich Kniebeschwerden einstellen, ein Fuß verstaucht ist oder der Rücken schmerzt, sucht der Balletttänzer die Physiotherapeuten im Balletthaus auf. „Das hilft uns Tänzern sehr, dass aus den Beschwerden keine ernsthaften Verletzungen werden.“ 

Edvin Somai lebt allein in Unterbilk und genießt es, seine Zeit selber zu organisieren, vermisst aber seine Familie. Als er jünger war, war das Royal Ballett in London sein Traum. Aber es gibt immer neue Dinge und Ziele, die ihn glücklich machen. „In der letzten Saison habe ich die Uraufführung des Stücks ‚Spectrum‘ des spanischen Choreographen Juanjo Arqués in Düsseldorf getanzt, ein Stück, das für uns geschaffen wurde. Ich fühle mich sehr wohl hier in der Compagnie.“

Michael Foster

wurde in Oklahoma geboren. Mit sechs Jahren hatte er seine erste Rolle im „Sommernachtstraum“. Er war sehr beeindruckt von dem Treiben auf der Bühne und liebte die Atmosphäre hinter der Bühne. Mit 12 wusste er, dass er sich entscheiden musste: Studium oder Tanz? „Es musste ernster werden mit dem Hobby.“ Michael Foster ließ sich an der Tulsa School of Ballet in Texas ausbilden, bekam Engagements am Texas Ballet Theater und dem Ballett der Staatsoper Hannover. Dort entdeckte der amerikanische Tänzer sein Talent als Choreograph. Seit der Spielzeit 2013/14 tanzt er im Ballett am Rhein. Nebenher studierte Foster Tanzpädagogik und leitet seit diesem Sommer zusätzlich zu seinem Job in der Compagnie das neu geschaffene Vermittlungsprogramm „Tanz mit“, um die umfangreiche Arbeit des Ballett am Rhein auch abseits der Bühne für interessierte Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu öffnen.

Michael Foster hat sehr disziplinierte Phasen. „Dann sehe ich Essen als Nährstoff, nicht als Genuss.“ Dann verzichtet er auf Zucker und Alkohol, um gut schlafen zu können. Und sein Körper reagiert. Nach drei oder vier Wochen sieht er das Ergebnis. Feiern, Spaß haben und loslassen, das muss er planen. Dafür erfordert sein Job zu viel Konzentration und nicht nur körperliche, sondern auch mentale Vorbereitung. Jede Bewegung muss er sich bewusst machen. Schmerzen und Probleme gehören für ihn zu seinem Beruf dazu. „Jeder muss seine Grenzen kennen.“  Foster hat den Wechsel von Martin Schläpfer zu Demis Volpi mitgemacht. „Die Compagnie hat sich verjüngt. Wir sind einheitlicher im Tanzstil, das gefällt mir. Und wir sind immer noch sehr divers.“ 

Michael Foster lebt in Pempelfort. „Der Tänzerberuf passt eigentlich gut zu jungen Menschen, denken viele. Am besten nicht über dreißig und keine Kinder.“ Bei Michael Foster ist das anders. Das Compagnie-Mitglied lernte seine Frau im Jahr 2010 in Hannover kennen. Sie hat einen Job im Büro und war bereit, mit ihm dorthin zu ziehen, wo er das beste Angebot bekam. Das war in Düsseldorf/Duisburg. Sie haben eine Tochter, um die sich der Profitänzer meist nachmittags kümmert, denn abends ist Probe. Was er an Düsseldorf mag? „Dass immer etwas los ist und das großstädtische Gefühl, obwohl die Stadt eher klein ist, und dass ich überall mit dem Fahrrad hinkomme.“

 © Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

Miquel Martínez Pedro

ist das jüngste Compagnie-Mitglied. Er ist Absolvent des Dance Conservatory of Valencia. 2018 und 2019 nahm er an Kursen des Nederlands Dans Theaters teil. In Düsseldorf/Duisburg hat er mit der Spielzeit 2020/2021 sein erstes professionelles Engagement angenommen.

Seit seinem elften Lebensjahr tanzt Miquel Martínez Pedro. Seine Mutter ist ebenfalls Balletttänzerin. Gymnastik hat er von klein auf geliebt. Auf seinen Körper muss er noch nicht so achten. Aber bewusste Ernährung ist ihm wichtig. „Manchmal esse ich zu spät, manchmal bestelle ich auch bei einem Lieferdienst. Ich hätte gerne mehr Zeit zu kochen.“

Obwohl er so jung ist, hat Miquel Martínez Pedro seit einigen Jahren Probleme mit seinen Füßen. „Healthy and able to walk“ heißt seine Devise. Schmerzen möchte er nicht haben. Seinen Körper lernt er immer besser kennen, hört in sich hinein, achtet auf sich. „Du musst deinen Körper lieben.“

Der Spanier liebt die Malerei, die Kunstwelt und kann sich als Alternative zu seinem jetzigen Beruf auch vorstellen, Kunstgeschichte zu studieren.

Zusammen mit seinem Partner Julio lebt er in Friedrichstadt. Julio ist ebenfalls Balletttänzer. In Düsseldorf ist der Spanier schon angekommen. Er liebt seine Nachbarn, Unterbilk und Oberkassel. Wenn er Zeit hat, geht er in den Volksgarten oder an den Rhein, um einmal kräftig durchzuatmen.

Miquel Martínez Pedro hat ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Kolleginnen und Kollegen in der Compagnie. Trotzdem ist Düsseldorf nicht seine Traumstadt. Er liebt das Nederlands Dance Theater und träumt davon, einmal mit dem israelischen Tänzer und Choreographen Ohad Naharin zu arbeiten und an der Batsheva Dance Academy in Tel Aviv zu tanzen.

Neshama Nashman

tanzt seit ihrem achten Lebensjahr. Mit 13 Jahren stand fest, dass sie eine Profikarriere einschlagen würde. Sie studierte am Evelyn Hart Conservatory in Toronto, nahm Kurse an der Pariser Oper, dem Ellison Ballet und dem Central Pennsylvania Youth Ballet. 2018 gewann sie den ersten Preis beim Youth America Grand Prix in der Kategorie „Senior Contemporary“. 2019 wurde sie Halbsolistin am Ballett der Oper Krakau, Polen. Es ist ihre zweite Spielzeit als Mitglied der Compagnie des Ballett am Rhein.

Auf ihren Körper zu achten hat für die Kanadierin nichts mit ihrem Beruf zu tun. „Jeder Athlet hat einen trainierten Körper. Ich würde genauso leben, wenn ich keine Tänzerin wäre.“ Sie hält ihren Körper gesund, trinkt viel Wasser, schläft viel und achtet auf gesundes Essen. „Stay at home for the health of the body“ – für die 22-Jährige ist das kein Verzicht, sondern ihr way of life. 

Verletzt hat sich die Tänzerin noch nie ernsthaft, aber sie ist vorsichtig. Sie hört sehr genau auf ihren Körper und reagiert sofort, wenn der sich meldet. Denn sie liebt es, auf der Bühne und im Fokus zu stehen und sich im Tanz mit ihren Partnern zu verbinden. 

Düsseldorf ist für sie ein neues Abenteuer und harte Arbeit. „Aber die Dinge fließen und ich bin dankbar, hier zu sein.“ Auch wenn sie ihre Familie vermisst. Sie hört gerne Musik am Rhein, geht in den Volksgarten, findet die zentrale Lage gut, um in der Umgebung zu wandern oder Theater und Museen in den umliegenden Städten zu besuchen.  

Lampenfieber? Schon, sie mag es und sie mag es auch nicht. Im letzten Juni hat Neshama Nashman bereits ein Solostück choreographiert, „Erbarme dich“ aus der Matthäus-Passion von Bach. Sie möchte beides, tanzen, aber auch eigene Stücke erschaffen. „Etwas im Tanz zum Leben zu erwecken ist eine wundervolle Erfahrung.“ Was macht einen ausgeglichenen Menschen für sie aus? Für Neshaman Nashman heißt dies offen zu sein und sich als Künstlerin frei zu fühlen, an sich zu wachsen und in ihrer Karriere mit vielen verschiedenen Choreographen zusammenzuarbeiten.

Virginia Segarra Vidal

hat schon mit vier Jahren getanzt, ebenso wie ihre Schwestern. Sie trainierte drei- bis viermal in der Woche, ging mit 18 Jahren nach Barcelona, wo sie visuelle Kommunikation studierte, die Fotografie erlernte und am Institut del Teatre in Barcelona ihre Ballettausbildung aufnahm. „Ich wusste nicht, ob ich das alles gleichzeitig schaffe.“ Die Spanierin wurde Profitänzerin und bekam 2003 ihr erstes Engagement beim Ballet de Zaragoza. Es folgten Gastengagements beim English National Ballet in London und beim Ballet de l’Opéra-Théâtre in Limoges. Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie Mitglied des Ballett am Rhein. 

Verletzungen am Fuß, schwarze Fußnägel und blutige Füße kennt die Spanierin nur zu gut. Zweimal war ihre Schulter ausgekugelt, einmal passierte es auf der Bühne. „Ich habe diese Zeit genutzt, um richtig Deutsch zu lernen. Ich habe viel fotografiert, aber ich hatte immer das Gefühl, etwas zu verpassen, weil ich nicht bei der Compagnie war, nicht tanzen konnte.“

Virginia Segarra Vidal ist so schlank, dass sie viel essen muss. Sie mag Schokolade und Kuchen, isst aber auch viel Pasta, Reis mit Gemüse und Fisch. „Ich weiß einfach, was mein Körper gerade braucht.“

Auch sie gehörte zur Schläpfer-Compagnie, blieb aber beim Wechsel zu Demis Volpi, obwohl sie zu den älteren Tänzerinnen gehört. „Es geht sehr demokratisch zu und die Stimmung ist gut geblieben.“ Zusammen mit ihrem Partner lebt die Tänzerin in Flingern, geht gerne am Rhein und im Hofgarten spazieren, aber Freizeit ist eher ein rares Gut.

Fit hält sie sich mit Pilates und schwört auf die Maschinen bei Gyrontonics, die speziell für Tänzer entwickelt wurden. Virginia Segarra Vidal hat bereits zwei Stücke choreographiert. Eines wurde mit Musik von Beethoven im letzten September in der Tonhalle aufgeführt. „In dieser Richtung möchte ich gerne mehr machen.“

Wun Sze Chan

fing mit fünf Jahren an zu tanzen. Sie besuchte die Jean M. Wong School of Ballet in Hongkong, absolvierte aber auch eine physikalische Fachausbildung.  Mit 16 Jahren fielen die Würfel. Wun Sze Chan ging an die Ballettschule des Hamburg Ballett. Dann tanzte sie vier Jahre beim Bayerischen Staatsballett und erweiterte ihr Repertoire beim Nederlands Dans Theater. Seit der Spielzeit 2010/11 ist Wun Sze Chan Compagnie-Mitglied beim Ballett am Rhein. 2016 zeigte sie ihre erste Choreographie im Theater Duisburg, 2017 folgte eine Uraufführung im Opernhaus Düsseldorf.

Wenn Wun Sze Chan eine Aufgabe erledigen muss, kann sie 24 Stunden an sieben Tagen die Woche arbeiten. Das ist für sie völlig in Ordnung. Fitness steht an oberster Stelle und Ernährung ist ein wichtiger Faktor. „Als ich jung war, musste ich darauf achten, was ich esse. Heute kann ich, wenn ich viel Sport mache, alles essen, was ich möchte.“ Auch hier diszipliniert sie sich automatisch, hat im Gefühl, was ihr guttut.

Die Tänzerin schwört auf Gyrotonic und Gyrokinesis. Bei dieser Sportart ist die Wirbelsäule der zentrale Träger aller Bewegungen. Gyrokinesis wird auch dynamisches Yoga genannt. Außerdem hält sich Wun Sze Chan mit Feldenkrais, Pilates, Yoga und Krafttraining fit. Dennoch ist das Tanzen für sie oft mit Schmerzen verbunden. Vor vier Jahren hatte Wun Sze Chan eine Knieverletzung und ließ sich operieren. „Ich hätte auch ohne Operation weitertanzen können, aber das wäre ein großes Risiko für mein normales Leben gewesen.“ 

Wun Sze Chan hat einen kleinen Sohn. Als er vier Monate alt war, fing sie mit dem Training an, kam zunächst auf eine Teilzeitstelle zurück. „Die Compagnie und mein Mann haben mich sehr unterstützt.“ Mit ihrer Familie lebt sie in Pempelfort. Sie liebt den Rheinpark. Wo sie tanzt, ist ihr nicht wichtig. Nur mit wem und das Miteinander zählen. Und das erfährt sie bei der täglichen Arbeit in der Compagnie. „Wenn die Musik zum Beispiel bei einem Dirigentenwechsel plötzlich langsamer oder schneller ist, müssen wir spontan tanzen und darauf vertrauen, uns zur richtigen Zeit wieder an der richtigen Stelle zu treffen. Und das funktioniert.“

Susan Tuchel

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