Erbstücke – Das Dilemma der Vollmacht: Wenn Vertrauen zum Verhängnis wird

Aus der täglichen Erbrechtspraxis* – Frau Müller, 86 Jahre alt, hat bereits vor geraumer Zeit in gutem Glauben ihrer jüngeren guten Freundin, Frau Schmidt, eine umfassende notariell beurkundete Vorsorgevollmacht erteilt – ein Instrument, das eigentlich dazu dienen soll, ihre Angelegenheiten gemäß ihren Wünschen zu regeln, wenn sie selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Doch was als vertrauensvolle Geste beginnt, nimmt eine düstere Wendung. Als die ältere Dame aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenz nicht mehr in ihrer geliebten eigenen Wohnung gepflegt werden kann, nutzt Frau Schmidt ihre Vollmacht, um Frau Müller in einem einfachen Pflegeheim unterzubringen und ihre Wohnung umgehend – ohne ihr Wissen – auf sich selbst zu übertragen und dann zu verkaufen.

Es ist einem Zufall zu verdanken, dass dies bekannt wurde, da Frau Müller selbst nicht mehr geschäftsfähig ist. Das Betreuungsgericht hat nunmehr aufgrund meiner Intervention eine Betreuung angeordnet und eine Berufsbetreuerin bestellt, die die Interessen von Frau Müller vertritt und sich um ihre Angelegenheiten kümmert. Außerdem ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft gegen Frau Schmidt wegen Untreue. Das aus dem Verkauf der Wohnung erzielte Geld ist nicht auffindbar.

Die rechtlichen Folgen für Frau Müller sind schwerwiegend. Die Wohnung, ihr Hauptvermögen, sollte ihrer finanziellen Absicherung im Alter dienen, insbesondere für mögliche Krankheits- und Pflegekosten. Vermutlich wird sie das Geld nicht zurückerhalten, da Frau Schmidt mittellos ist. Für die Erben von Frau Müller bedeutet dies, dass sie durch den Missbrauch der Vollmacht um ihr Erbe gebracht wurden.

* Die Namen wurden geändert.

„Vertrauen ist gut.

Kontrolle ist besser.“

Um das Risiko eines Missbrauchs zu verringern und dafür zu sorgen, dass Ihre Interessen gewahrt bleiben, helfen bei der Erteilung einer Vollmacht folgende Maßnahmen:

Wählen Sie weise: Wählen Sie sorgfältig Ihre Vertrauensperson, Sie vertrauen ihr Ihr Leben an. Vielleicht ist es auch sinnvoll, mehr als eine Vertrauensperson einzubeziehen, um eine gegenseitige Kontrolle zu ermöglichen.

Begrenzen Sie die Vollmacht: Überlegen Sie, ob es notwendig ist, eine Generalvollmacht zu erteilen oder ob die Vollmacht auf spezifische Handlungen oder Zeiträume beschränkt werden.

Kontrollinstanzen schaffen: Etablieren Sie Kontrollmechanismen, wie zum Beispiel die Pflicht zur Rechenschaftslegung gegenüber einem Dritten.

Regelmäßig überprüfen: Ihre Lebensumstände können sich ändern. Überprüfen Sie daher regelmäßig, ob die erteilte Vollmacht noch Ihren aktuellen Wünschen entspricht.

Rechtliche Beratung: Ziehen Sie einen Anwalt hinzu, der Ihnen dabei hilft, die Risiken zu minimieren und die Vollmacht so zu gestalten, dass sie Ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht.

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Dörte Berendes-Schaefer

Dörte Berendes-Schaefer ist Rechtsanwältin für Erbrecht & Vermögensnachfolge, Mediatorin, Referentin und Inhaberin der Kanzlei dbs. Sowohl aus eigener Erfahrung als auch in ihrer täglichen Praxis erlebt sie, wie hoch emotional und belastend ein Krankheits-/Todesfall in der Familie ist – gerade, wenn nichts geregelt ist. Daher ist es ihr ein besonderes Anliegen über gängige Fehlinformationen rund um Vorsorge, Vererben & Erben aufzuklären und zum Handeln anzuregen. Sie arbeitet und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Düsseldorf-Oberkassel.

https://kanzlei-dbs.de

Foto: © Manor Lux

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