Foto: Heike Katthagen / Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf
Monika Zeiner erhält den Düsseldorfer Literaturpreis 2025 für ihren Roman „Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“.
Wenn eine Autorin die Zeit selbst zum Flirren bringt, dann ist das Literatur in ihrer schönsten Form. Monika Zeiner gelingt das mit ihrem Roman „Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“. Dieser entfaltet ein Jahrhundert deutscher Geschichte, erzählt aus der Perspektive einer wechselvollen Familiengeschichte. Dafür wurde die in Berlin lebende Schriftstellerin im Oktober 2025 mit dem Düsseldorfer Literaturpreis ausgezeichnet – vergeben durch die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf. Im Forum der Stadtsparkasse, umgeben von rund 200 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Medien, las Zeiner aus ihrem Roman.
Autorin Monika Zeiner wurde mit dem Düsseldorfer Literaturpreis 2025 ausgezeichnet.
Foto: Christian Betz
Die Geschichte einer Familie – und eines Jahrhunderts
Im Mittelpunkt steht Nikolas Finck, ein gescheiterter Drehbuchautor, der zum 103. Geburtstag seines Großvaters in die fränkische Heimat zurückkehrt, der einst Schulmöbel herstellte und damit den Aufstieg einer Dynastie begründete. Doch das Fest wird zur Bestandsaufnahme, das Familienhaus zur Bühne eines unausgesprochenen Dramas. Zeiner lässt in meisterhaft komponierten Rückblenden nicht nur Nikolas’ eigene Kindheit aufscheinen, sondern auch die Geschichte der Gründerjahre, die Verwundungen der Kriegszeit, den moralischen Staub, der sich auf die glänzenden Oberflächen deutscher Nachkriegserfolge gelegt hat.
„Ich war lange Zeit nicht mehr in der Villa Sternbald gewesen, aber ich hatte sie mir oft vergegenwärtigt, als müsste mir die Erinnerung etwas zeigen, das bisher verborgen gewesen war. Das Haus hatte ich immer aus der Perspektive des vom Tor Hinaufblickenden vor Augen gehabt, so dass es merkwürdig filmkulissenhaft gewirkt hatte. (…) Ich kam mit der Abenddämmerung an. Sanftleben, der Gärtner hatte mich nicht abholen können, weil er wegen der Feier andere Gäste abholen musste, was mir nichts ausmachte, denn obwohl ich ihn mochte, war ich lieber mit der Bahn von Nürnburg nach Gründlach gefahren, da es mir das Gefühl gab, schneller wieder wegzukönnen.“
So beginnt der Roman, doch trotz seines Vorhabens schnell wieder weg zu sein, bleibt Protagonist Niklas wie magisch fasziniert auf dem Familienanwesen und wird zum Beobachter und Enthüller der Familie und deren lang gehüteter Geheimnisse.
Monika Zeiner (l.) und Literaturkritikerin Dr. Maike Albath
Foto: Heike Katthagen / Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf
Jury-Mitglied Dr. Maike Albath beschreibt den Roman als „episch ausgreifend“ und lobt Zeiners „virtuoses Spiel mit erzählerischen Traditionen von Ludwig Tieck bis Thomas Mann“. Tatsächlich erinnert die „Villa Sternbald“ an jene großen Familienromane wie die Buddenbrocks, in denen der Mythos der Herkunft langsam bröckelt – doch Zeiner verleiht dem Thema einen eigenen, zeitgenössischen Puls. Ihr Erzählton ist warm und präzise, teilweise melancholisch und stellenweise urkomisch. Das bewies sie während der Lesung, als sie fränkische Wirtshauslieder aus einer Dorffestszene wiedergab.
Eine Autorin zwischen Musik und Melancholie
Monika Zeiner, 1971 in Würzburg geboren, studierte Romanistik und Theaterwissenschaft in Berlin und Neapel. Sie promovierte über die Liebesmelancholie im Mittelalter – ein Thema, das in ihrem Schreiben fortlebt. Neben ihrer literarischen Arbeit steht sie auch als Sängerin mit ihrer Italo-Swing-Band „Marinafon“ auf der Bühne, unter dem Künstlernamen Mona Stinelli. Monika Zeiner verfasste neben ihren Romanen und Theatertexten auch mehrere Hörbücher und Hörspiele und wirkte an Hörbuchproduktionen mit.
Ihr Debütroman „Die Ordnung der Sterne über Como“ stand 2013 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, erhielt den Publikumspreis der lit.COLOGNE und brachte ihr den Ruf einer Autorin, die Intellekt und Emotion in Einklang zu bringen versteht. „Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“, erschienen 2024 bei dtv, führt diesen Weg fort – reifer, leiser, komplexer. Der Roman wurde vom Deutschlandfunk unter die zehn besten deutschsprachigen Bücher des Jahres gewählt, stand mehrfach auf der SWR-Bestenliste und bescherte Zeiner zusätzlich das London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds.
Foto: Heike Katthagen / Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf
Ein Preis, der Brücken schlägt
Der Düsseldorfer Literaturpreis, mit 20.000 Euro dotiert, würdigt Autorinnen und Autoren, deren Werk Brücken zu anderen Künsten schlägt. Eine Linie, die sich durch die bisherige Liste der Preisträger zieht – von Patrick Roth über Marion Poschmann bis zu Ronya Othmann.
„Es beginnt mit einer glänzenden Idee“, schrieb Maike Albath in der Jurybegründung. „Eine Idee, die das Jahrhundert in Schwingungen versetzt – und uns Leserinnen und Leser daran erinnert, dass Geschichte immer auch durch unsere inneren Räume geht.“
Am Ende bleibt Nikolas Finck, der Protagonist, in der Villa seines Großvaters gefangen – in einem Raum aus Erinnerungen, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart unaufhörlich spiegeln.
Der Düsseldorfer Literaturpreis
zeichnet Autorinnen und Autoren aus, deren deutschsprachiges literarisches Gesamtwerk inhaltlich oder formal Bezug auf andere Künste nimmt. Bisher wurden 23 Autorinnen und Autoren damit ausgezeichnet, unter anderem: Patrick Roth, Christoph Peters, Thomas Kling, Katharina Hacker, Ulrich Peltzer, Ursula Krechel, Michael Köhlmeier, Marcel Beyer, Marion Poschmann, Emine Sevgi Özdamar, Nico Bleutge und zuletzt Ronya Othmann. Die Preisträgerin wurde von einer siebenköpfigen Jury ausgewählt: Dr. Maike Albath, Literaturkritikerin, Dr. Sabine Brenner-Wilczek, Leiterin desDüsseldorfer Heinrich-Heine-Instituts, Dorothée Coßmann, Geschäftsführerin der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland,Emily Grunert, Leiterin des Literaturbüros NRW, Tobias Lehmkuhl, Literaturkritiker, Rudolf Müller, Inhaber derBuchhandlung Müller & Böhm und Dr. Hubert Winkels, Literaturkritiker.
