Fotos: alphaben
Wenn Bücher mit alphaben lebendig werden
Im Klassenraum herrscht konzentrierte Ruhe. Auf den Tischen liegen Tablets, kleine Finger tippen auf Wörter, die aufleuchten und sich selbst erklären. Tippt man auf das Wort Hahn, dann kräht dieser, die Katze miaut, der Hund bellt. Das alles geschieht bei den animierten Magic Books aus der Buchreihe „WAS IST WAS Erstes Lesen“ des TESSLOFF Verlags. Nach jedem Kapitel erscheint eine Quizfrage, die überprüft, ob die Kinder das Gelesene auch verstanden haben. So sieht Leseförderung im Jahr 2025 aus – und steht bereits 50.000 Schülerinnen und Schülern in Deutschland zur Verfügung, und ab diesem Schuljahr als Pilotprojekt an allen Düsseldorfer Grundschulen. Das geht natürlich nicht zum Nulltarif. Die Stadtsparkasse Düsseldorf hat für alle Grundschulen der Stadt die Lizenz der Lese-App alphaben erworben. Damit können Kinder Lesen digital und spielerisch entdecken. Die alphaben-App ist eine Tablet-App, die es bei Google Play und im App Store gibt. Die Kinder können sie in der Klasse, unterwegs und auch auf elterlichen Endgeräten nutzen.

v.l. Marion und Markus Singler, die Erfinder von alphaben
Schüler schaut auf die Buchstaben und sagt „Kuh“ – mehr kann er nicht entziffern. „Es fehlt nicht an Neugier, sondern an Lesetechnik“, weiß Marion Singler. Sie ist Lehrerin, ihr Mann Markus Wirtschaftsingenieur. Beide beginnen in der Coronazeit an einer Lösung zu arbeiten, die in den Köpfen der Kinder ankommt. Ihr Prinzip: weniger Hürden, mehr Lesewege. Ihre Lösung nennen sie alphaben: eine Lesewelt mit kindgerechten Texten, integrierten Worterklärungen, Quizfragen zur Kontrolle und einer Oberfläche, die sich anfühlt wie ein Buch. Seiten werden digital umgeblättert, nicht weggewischt. So verbindet alphaben digitale Technik mit der Haptik des Lesens. Der Clou liegt in der Mischung aus Motivation und Routine. „Die Kinder finden schneller Texte, die zu ihrem Lernstand passen. Lehrkräfte erhalten Rückmeldungen, die den tatsächlichen Lernfortschritt sichtbar machen“, erklärt Markus Singler. Da alphaben ähnlich wie ein Buch aufgebaut ist, gibt es kein störendes Geflacker. Die Kinder lesen ruhig und konzentriert und können nach Herzenslust in der Bibliothek zu Hause weiterschmökern, ganz nach ihren Vorlieben, ob Abenteuer, Computer, Fantasie, Witze, Magie, Grusel, Tiere oder Sport.
Warum Lesen so schwerfällt
Spätestens seit der IGLU-Studie von 2023 ist klar: Deutschlands Kinder haben ein Lese-Problem. Jeder vierte Viertklässler kann nicht flüssig lesen. Zwei Jahre später schlagen Forscher erneut Alarm: Die Lesekompetenz sinkt weiter, viele Kinder haben Mühe, längere Texte zu verstehen oder überhaupt Freude an Büchern zu entwickeln. Gründe dafür sehen Bildungswissenschaftler darin, dass die Klassen heute sehr unterschiedlich zusammengesetzt sind. Hinzu kommen fehlende individuelle Förderung und eine wachsende Konkurrenz durch digitale Ablenkungen. Lesen ist für viele Kinder nicht mehr selbstverständlich.
Das möchte alphaben ändern. Die App bietet über 300 Kinderbücher von bekannten Verlagen für alle Leseniveaus. Für Erstklässler in einfacher Sprache und vielen Bildern. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Silbentrenner, ein Element der Silbenmethode zum Lesen- und Schreibenlernen. Die Silbenmethode hat der Kooperationspartner Mildenberger Verlag bundesweit etabliert. „Die Wörter werden in einzelne Silben zerlegt, jede zweite Silbe ist farbig hervorgehoben. Das fördert den Lesefluss und verhindert Stolperstellen wie beim Hängebauchschwein“, erklärt Marion Singler.

Ein Werkzeug für Schulen
Die App liefert Lehrkräften Auswertungen darüber, wo ein Kind stockt, wo es sicher liest und welche Themen es besonders interessieren. Wie das im Alltag wirkt, merkt man an kleinen Momenten. Ein Mädchen tippt auf das Wort Echse und bekommt ein Bild mit einer kurzen Erklärung. Zwei Tische weiter blättert ein Junge zum ersten Mal freiwillig um, weil ihn die Geschichte gepackt hat. In der nächsten Stunde öffnet die Lehrerin den Überblick und sieht, wer bei den Quizfragen durchrauscht und wer noch Fragen hat. Sie bildet kleine Tandems, legt Material bereit, setzt auf Themen, die ziehen. Fußball, Tiere, starke Freundschaften.
Dass die Stadtsparkasse Düsseldorf die Lizenzen für alle Grundschulen erworben hat, ist ein Signal weit über die Stadtgrenzen hinaus. „Wir möchten, dass alle Kinder in Düsseldorf die gleichen Chancen haben, besser zu lesen und Freude am Lesen zu entwickeln“, betont der Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Dahm. In den nächsten Wochen wird allen Düsseldorfer Grundschulen vom Team alphaben die App kostenlos zur Verfügung gestellt.
Gemeinsame Mission Lesefreude
Marion und Markus Singler sprechen selten über Technik, wenn sie über alphaben sprechen. Ihre App soll den Unterricht nicht ersetzen, sondern entlasten. Sie soll Kindern Mut machen und Lehrkräften Zeit zurückgeben, um dort zu erklären, wo Rückfragen sind. Darum ist alphaben kein Sammelsurium an Funktionen, sondern konzentriert sich bewusst aufs Lesen, Verstehen, Dranbleiben. Das Gründerpaar hat viele namhafte Verlage wie Tessloff, Loewe, Kosmos oder auch den DK-Verlag davon überzeugt, Inhalte digital zugänglich zu machen.

Düsseldorf macht daraus eine Stadterzählung. Ein Finanzinstitut investiert in Bildung, Schulen erhalten einen einheitlichen Zugang, Kinder kommen leichter zum Lesen. Das passt in eine Zeit, in der die Forschung nüchtern belegt, dass Lesen zuhause oft zu kurz kommt. Wenn eine ganze Stadt das Thema sichtbar macht, wächst die Chance, dass es auch am Nachmittag auf dem Sofa ankommt. Eltern können mitlesen, Geschwister schauen zu, Lieblingsgeschichten wandern aus der App ins Bücherregal.
Nütze die Jahre, Lerne und spare!
Ob Sammelbilder in den 1960er Jahren, Jugendzeitschriften in den 1980ern oder digitale Lernspiele heute – die Sparkassen haben ihre Rolle als Bildungsbegleiter über Medien und Zeiten hinweg erneuert. Spiel, Sammellust und Sparpraxis fördern kulturellen Zusammenhalt. Beliebt waren die farbig illustrierten Herba-Sammelalben, die mit bunten Bildern zu vielen Themen, z. B. Deutsche Geschichte oder Tiere der Heimat beklebt werden konnten. Wer regelmäßig Geld auf sein Sparbuch brachte, erhielt neue Bilder – eine direkte Verbindung von Sparverhalten, Bildung und Belohnung.




Fotos: privat
