La Palma kennt jetzt jeder

Wohin fliegst du? Nach La Palma? Ist das nicht auf Gran Canaria oder heißt nicht auch die Hauptstadt von Mallorca so? Die westlichste der Kanareninseln wurde oft mit Las Palmas auf Gran Canaria oder mit Palma de Mallorca verwechselt, so geschehen auch im Kinofilm „La Palma“ von 2019, in dem ein Liebespaar statt in einem Sternehotel auf Gran Canaria in einer Bananenplantage auf La Palma landet. 

Seit 2021 sind  Verwechselungen von La Palma undenkbar

Zu tief haben sich die Bilder des Vulkanausbruchs auf La Palma ins mediale Gedächtnis eingebrannt, erlangte La Palma über Nacht tragische Berühmtheit. 85 Tage bebte die Erde, türmten sich Eruptionssäulen aus vulkanischem Gas und Asche bis zu 5000 Metern Höhe auf, wurden vulkanische Bomben bis zu 800 Meter weit geschleudert, Lavafontänen schossen 600 Meter in die Höhe und ein Lavastrom ergoss sich vom Westhang des Höhenrückens Cumbre Vieja bis ins Meer. Die Palmeros leiden noch immer unter den Auswirkungen. Es fehlen nicht nur Wohn- und Feriendomizile, sondern auch Touristen auf La Palma.

Von der Kleinstadt La Laguna wurde inzwischen eine provisorische Straße zum vier Kilometer entfernten Ort Las Norias durch das kilometerbreite Lavafeld gefräst. Der Straßenbelag wurde aus einer Mischung aus Vulkanasche, Salzwasser und Kalk hergestellt – ein Baumaterial, das schon die alten Römer benutzten und deswegen auch „römischer Mörtel“ genannt wird. Mittlerweile ist die Piste beleuchtet und darf auch nach 22.00 Uhr befahren werden.

Lava-Asche statt grüne Landschaften auf La Palma

Ob die Insel La Palma mit dem neuen Vulkan und den schwarzen Lavafeldern womöglich noch attraktiver geworden ist, darüber lässt sich streiten. Für Anhänger von schwarzen Lavafeldern und Lanzarote-Fans auf jeden Fall. Es gibt zumindest mehr von der Isla Bonita: La Palma hat sich um 17,2 Hektar vergrößert und ist um einen Vulkan reicher. Sich mit diesem anzufreunden, fiel den Palmeros nicht leicht. Immerhin hatte der Ausbruch 1.700 Häuser und 3.000 Gebäude verwüstet oder komplett unter Lava begraben. Den malerischen Ort Todoque mit der weißen Kirche und dem großen Platz mit Bar und Blick auf das Meer gibt es nicht mehr und auch die Ortschaft La Laguna ist zur Hälfte verschüttet. 70 Kilometer Straße hat die Lava auf der Westseite zerstört und 370 Hektar Bananenplantagen unter sich begraben. 

Während des Ausbruchs hatte sich ein Tages-Fährtourismus von der Nachbarinsel Teneriffa eingestellt. Besorgte Anwohner trafen  auf dem Kirchplatz von Tajuya mit Schaulustigen zusammen, weil dort die Aussichten auf die brodelnde Lava und die Explosionen am besten waren. Das erzählt Lotte von Lignau. Lotte ist zertifizierte Wanderführerin für die Kanarischen Inseln und lebt seit sieben Jahren auf der Insel. Geboren ist sie in Bremen. 

Eindrücke von Menschen, die auf La Palma leben

Lotte hat den Ausbruch hautnah miterlebt, bis zu 300 Erdbeben am Tag. Keine 200 Meter von ihrer Finca und ihren beiden Ferienhäusern kam die Lava zum Stillstand. Während des Ausbruchs musste Lotte mit ihrem Mann und ihren drei Kindern mehrmals umziehen. „Auch gesundheitlich waren der Feinstaub und die Gase etwas, das wir unterschätzt haben. Mein Mann hat jeden Tag die Asche zusammengefegt und leidet jetzt an Asthma. Wir trugen zwar meistens Masken, aber mussten drei Monate lang mit der knirschenden Asche zwischen den Zähnen leben.“ 

Viele Palmeros waren nicht versichert und Spenden versickerten. Obwohl die Regierung für zerstörte Wohnhäuser 60.000 Euro zahlen wollte und für den Hausrat 20.000 Euro, kennt Lotte einige Einheimische, die noch immer nichts bekommen haben. Ein Viertel der Ferienunterkünfte wurde zerstört und hunderte Inselbewohner haben noch immer kein neues Zuhause. Der Badeort Puerto Naos und die Küstensiedlung La Bombilla sind wegen der Kohlendioxidemissionen hermetisch abgeriegelte und bewachte Geisterorte. Lotte hat Freunde in Puerto Naos, deren Geschäfte seitdem geschlossen sind. Trotzdem verfolgt Lotte mit Sorge, dass noch immer zu wenig Maschinen mit Touristen auf La Palma landen. Die Direktverbindung Hamburg – Santa Cruz soll zukünftig sogar komplett gestrichen werden. Für viele Touristen ist La Palma die Insel, auf der es vielleicht jederzeit wieder losgehen kann.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden 50 Jahren einen neuen Ausbruch gibt, soll bei 48,7 Prozent liegen. So die doch verblüffend genaue Prognose des Involcan-Koordinators Nemesio Pérez. Wer sich von solchen Modellrechnungen in seiner Urlaubsplanung beeinflussen lässt, sollte auch nicht mehr nach Teneriffa fliegen. Denn bei der meistbesuchten Kanareninsel liegt die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs in den kommenden fünf Jahrzehnten bei 39,4 Prozent. 

Der neue Vulkan Tajogaite 

Gibt man einem Kind einen Namen, wird es in die Gemeinschaft aufgenommen. Mit Vulkanen funktioniert das im Grunde nicht anders. Er ist nun mal da, man kennt ihn, man gewöhnt sich an ihn, also braucht er einen Namen. Cabeza de Vaca war ein Vorschlag, aber auch La Bestia, am Ende machte im Juni 2022 der Name Tajogaite das Rennen und so wurde er dann auch getauft. 

Wer näher ran möchte an die neue Touristenattraktion der Vulkan- und Aschelandschaft, muss eine geführte Tour buchen. Das ist gut für Lotte, denn sie lebt von den Wandertouren auf der Insel. Mit einem Kleintransporter geht es von El Paso für 39 Euro ins Sperrgebiet Llano de Jable. Zwei Euro pro Reservierung spendet Lotte direkt an die Betroffenen der Naturkatastrophe. 

Am Einstiegspunkt angekommen, erwarten uns schwarze Kolkraben auf der schwarzen Asche und beäugen unsere Rucksäcke. Lottes Einweisung ist streng. Der mit Steinen markierte Weg ist unter keinen Umständen zu verlassen. Aufsichtspersonal in gelben Westen verleiht dem Verbot Nachdruck. 

Die Truppe zieht los durch den schwarzen Schnee. Es ist Januar und recht kühl. Lotte macht uns aufmerksam auf die Kiefern. Die Besonderheit der kanarischen Kiefer (Pinus canariensis) sind ihre biegsamen Nadeln, die immer zu dritt stehen. Mit diesen „kämmen“ die Bäume die Nebelwolken aus und sorgen für zusätzlichen Regen durch Kondenswasser. Die Kiefer ist die wirtschaftlich wichtigste Baumart der Kanaren und hält mit ihrem Wurzelwerk über weite Strecken die Insel zusammen. Und einen eigenen Brandschutz hat die kanarische Kiefer ebenfalls entwickelt. Ihre Rinden halten die Hitze vom Kern ab und sind so in der Lage nach Waldbränden aus den Baumstümpfen, Stämmen und Ästen mit grünen Büscheln wieder auszutreiben.

Nach rund zweieinhalb Kilometern sind wir am Ziel – natürlich in gebührendem Abstand zum Tajogaite, der bei Regen zusammen mit den riesigen Lavafeldern vor sich hindampft. 

Und weil Lotte es schade findet, dass alle immer nur auf den Tajogaite wollen, wandern wir zwei Tage später noch einmal mit ihr los in den Nationalpark, die Caldera de Taburiente. Den Ausgangspunkt Los Brecitos erreichen wir mit einem Taxi, weil dort oben auf 1.081 Meter niemand parken darf. Über einen leicht abfallenden Waldweg, dem die Kanaren-Kiefern Halt unter den Füßen geben, geht es vierzehn Kilometer durch die Schlucht der Todesängste hinunter zum weitgehend trockenen Flussbett mit gigantischem Kissenlava-Gestein, ein sicheres Indiz für subaquatischen Vulkanismus.

Für wanderbegeisterte Individualtouristen bleibt die Isla Bonita die schönste der Kanaren. Und von Düsseldorf ist Santa Cruz de La Palma nonstop zu erreichen. In kühleren Jahreszeiten empfiehlt sich – Lava hin oder her – die Westseite der Insel. Und wer nicht in einem Ferienhäuschen logieren möchte, kann sich in Los Llanos de Aridane eine Wohnung mieten. Die meisten Sonnenstunden in Europa hat übrigens das Örtchen Tazacorte. Susan Tuchel

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Drei kulinarische Tipps:

• Sterneküche zu mehr als moderaten Preisen bietet das Re-belle
mit deutschem Koch in Tazacorte.

• Für einen Abend im Las Norias mit Meerblick lohnt es sich, die
rumpelige Lavapiste in Laguna (Einfahrt auf die Piste sieht aus wie
eine Baustelle, trotzdem hochfahren) Richtung Porto Naos zu nehmen. 

• Die Küche von El Carmen in El Paso ist köstlich und auch etwas
fürs Auge. 

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