Die Sprache kennt viele Redewendungen, die mit dem Herzen, der Königin aller Organe, zu tun haben: Es ist gut, wenn man das Herz auf dem rechten Fleck hat und mit dem Herzen dabei ist. Man kann sein Herz jemandem schenken oder so verliebt sein, dass das Herz entflammt ist. Manchen rutscht selbiges auch schon mal in die Hose. Gerne prüft man etwas auf Herz und Nieren. Aber was passiert, wenn das Herz gesundheitliche Probleme macht, wenn es stolpert, aus dem Takt gerät, wenn es bis zum Halse schlägt, wenn ein Engegefühl in der Brust einem das Leben schwermacht und jede Treppenstufe zum Hindernis wird?
„Auf die leichte Schulter nehmen sollte man das auf jeden Fall nicht. Das Engegefühl in der Brust könnte eine Angina pectoris sein. Die fängt unter Belastung an, wird dann stärker und geht dann wieder zurück“, erklärt Prof. Rolf Michael Klein, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Rhythmologie und konservative Intensivmedizin am Augusta-Krankenhaus in Düsseldorf-Rath. Auch wenn die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhebliche Fortschritte gemacht hat und die Sterblichkeitsrate von Patienten mit Herzinsuffizienz, also mit einer Herz- oder Herzmuskelschwäche, von 2011 bis 2021 um 40 Prozent gesenkt werden konnte: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit 360.000 Todesfällen nach wie vor die Todesursache Nummer eins in Deutschland.
In anderen westeuropäischen Ländern wie Spanien, Frankreich oder England ist das mittlere Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung niedriger und die Lebenserwartung höher. Um die Situation hierzulande zu verbessern, hat das Bundeskabinett Ende August das Gesunde-Herz-Gesetz auf den Weg gebracht, weil Vorsorge besser ist als Nachsorge. Laut Gesetz sollen bereits Kinder und Jugendliche Anspruch auf einen Früherkennungs-Checkup haben, um Fettstoffwechselerkrankungen zu erkennen. Zwischen 20 und 50 Jahren soll es einen weiteren Herz-Check-up geben und auf Cholesterinsenker soll es einen gesetzlichen Anspruch geben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht letzteres jedoch kritisch, vor allem bei Kindern.
Was sagt der Kardiologe?
„Atherosklerose, also eine Verkalkung von Gefäßen, kann schon in jüngeren Lebensjahren stattfinden, ohne dass der Patient etwas davon merkt.“. Sich einmal im Jahr ab 25 auf Herzerkrankungen wie die Koronare Herzkrankheit (KHK) checken zu lassen, also zu überprüfen ob Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung oder Diabetes vorliegen und dann durch eine Änderung des Lebensstils und unter Umständen mit Medikamenten entsprechend frühzeitig gegenzusteuern, hält Prof. Klein für eine sinnvolle Prävention.
„Ich hab‘ Herz“ – eine Zivilisationskrankheit
Die Risikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen sind bekannt: Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Diabetes, Rauchen, Übergewicht. Hinzu kommen unter Umständen eine genetische Disposition sowie der Altersfaktor. All diese Faktoren begünstigen Cholesterinablagerungen in die Gefäßwände. Je mehr Cholesterin im Blut, umso mehr kann sich einlagern. „Wir unterscheiden weichen von hartem Plaque. Gefährlicher ist der weiche. Oben haben die Ablagerungen eine Kappe, wenn diese aufbricht, hat man den klassischen Thrombus, also einen Gefäßverschluss, der zu einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall führen kann“, erklärt der Kardiologe. Im Herzkatheterlabor wird minimalinvasiv gearbeitet
Im Herzkatheterlabor wird minimalinvasiv gearbeitet
Prof. Klein kommt gerade aus dem Herzkatheterlabor. Der Verdacht einer Verengung der Coronararterien hatte sich bei zwei Patienten bestätigt. Die Gefäße wurden geweitet und dann ein Stent gesetzt. Bei diesem Verfahren werden – anders als bei einem Bypass – die bestehenden Blutgefäße rekanalisiert. Der speziell beschichtete Stent sitzt im Koronargefäß an der durch den Plaque hervorgerufenen Engstelle in der erkrankten Koronararterie. Für Prof. Klein und sein Team ein Routineeingriff. 4.000 Herzkatheteruntersuchungen werden jährlich bei ihnen durchgeführt. Rund 1.500 Mal wird ein Stent gesetzt. Bei Rhythmusstörungen des Herzens, verursacht von einer Extrasystole oder einem Vorhofflimmern, kann durch Verödung der zusätzlichen Impulsgeber in der Herzkammer der Herzschlag wieder normalisiert werden – ein Eingriff, der im Augusta-Krankenhaus rund 500 Mal im Jahr durchgeführt wird. Auch das Risiko eines plötzlichen Herztods, an dem jedes Jahr in Deutschland etwa 65.000 Menschen sterben, kann im Augusta-Krankenhaus durch eine so genannte ICD-Implantation verringert werden. Der kleine Defibrillator funktioniert wie ein Herzschrittmacher und erkennt Rhythmusstörungen aus der Kammer und schaltet sich im Notfall ein.
Interdisziplinärer Ansatz
Im Juni stand der Kardiologe Klein erstmals zusammen mit Priv.-Doz. Dr. Spiridon Botsios, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Therapie, im Herzkatheterlabor, um bei einem Patienten mit chronischer Herzschwäche eine Barostim-Implantation durchzuführen. „Bisher wurde diese Implantation nur bei Patienten vorgenommen, deren Bluthochdruck trotz Medikamentengabe nicht ausreichend kontrolliert werden konnte“, erklärt Botsios. Bei diesem Eingriff haben die Mediziner einen Impulsgenerator und eine Elektrode an der Halsschlagader, der Carotisbifurkation, implantiert.
Fotos: VKKD
Priv.-Doz. Dr. med. Spiridon Botsios, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Therapie, Augusta-Krankenhaus Düsseldorf
„Meine Schwerpunkte sind Menschlichkeit, Service und Qualität.“
Herzhosentherapie
Wer trotz Stent und Bypass noch an Angina Pectoris leidet und deshalb seine Gefäße nicht durch Bewegung trainieren kann, für den kann eine Herzhosentherapie sinnvoll sein. Diese ist jedoch eine Igel-Leistung. Über vier Wochen wird die Kompressionshose jeweils für eine Stunde angelegt. Sie ermöglicht die Bildung von biologischen Bypässen, schafft also einen eigenen Umgehungskreislauf. Um eine Überlastung zu vermeiden, ist die Herzhosen-Therapie der Anfang, um dann am individuell zugeschnittenen Sport-Cardioprogramm des Augusta-Krankenhauses teilnehmen zu können.
Brustschmerzzentrum
Um bei Patienten mit unklaren Brustschmerzen innerhalb weniger Minuten abzuklären, ob ein Herzinfarkt oder eine andere akute Erkrankung vorliegt, gibt es im Augusta-Krankenhaus das Brustschmerzzentrum, das als Chest Pain Unit zertifiziert ist. Das Zentrum ist an das hauseigene Herzkatheterlabor angebunden – denn bei einem Infarkt zählt jede Minute.
Schaufensterkrankheit klingt nur harmlos
Botsios hat gerade einen Patienten operiert, 59 Jahre und Diabetiker, der an der so genannten Schaufensterkrankheit litt. Der Gefäßchirurg hat ein verschlossenes Gefäß am Bein minimalinvasiv geöffnet. Morgen wird der Patient bereits entlassen. „Der Begriff Schaufensterkrankheit ist eine Verniedlichung. Die Leute bleiben stehen, weil sie Schmerzen haben und weil sie die Erkrankung damit vertuschen wollen“, erklärt der Mediziner. Die Ursache ist auch hier eine Atherosklerose der Gefäße. Botsios erklärt den Patienten, die zu ihm kommen, aber auch immer, dass durch Bewegung Umgehungskreisläufe entstehen können. Diese überbrücken die Durchblutung und der Patient kann wieder ohne Schmerzen laufen. „Deswegen planen wir gerade im Augusta eine Gefäßsportgruppe“, so der Chirurg.
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Prof. Dr. med. Rolf Michael, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Rhythmologie und konservative Intensivmedizin, Augusta-Krankenhaus Düsseldorf
„Vorbeugen ist besser als heilen. Alle Anzeichen auf eine Herzerkrankung müssen ernst genommen und abgeklärt werden.“
100.000 Kilometer Blutgefäße
Die gesamte Länger aller Blutgefäße im menschlichen Körper beträgt etwa 100.000 Kilometer. Verstopfte Gefäße, also Atherosklerose, treten vor allem an den Beinen (Schaufensterkrankheit), an der Halsschlagader (Carotis), im Bauchraum (Bauchaortenaneurysmen) und an den Herzkranzgefäßen auf. „Ein Sprichwort sagt, dass der Mensch so alt ist wie seine Gefäße. Da steckt viel Wahrheit drin. Gutes Essen ist zum Beispiel gut für die Gefäße, Bewegung und Sport auch.“ Botsios operiert nur dann, wenn es nicht anders geht. Dann weitet er die Gefäße mit einem Ballon, fräst und repariert und nur wenn es gar nicht anders geht, setzt er einen Stent. In der Carotis ist das 100 bis 150 Mal im Jahr der Fall. Die Gefahr eines Schlaganfalls, einer Carotis-Stenose, nach einem solchen Eingriff liegt im Bundesdurchschnitt bei zwei bis vier Prozent. Im Augusta-Krankenhaus aktuell bei null Prozent. „Das liegt daran, dass wir hier eine große Expertise haben und immer sehr individuell entscheiden, ob wir überhaupt operieren und wenn ja, ob minimalinvasiv oder offen, was an der Carotis kein Problem ist, weil diese sehr gut zugänglich ist.“ Ein Spezialist ist der Gefäßchirurg darin, die Bauchschlagader endovaskulär, d. h. minimal-invasiv mittels eines Katheters über die Leiste zu operieren. Dabei kann ein Stent zum Einsatz kommen, der für den Patienten millimetergenau angefertigt wird und spezielle Öffnungen (Fenster) hat. So kann ein Aneurysma behandelt werden und der Blutfluss zu den abgehenden Arterien aufrechterhalten werden.
Kosten für das Gesundheitssystem
Laut eines Berichts des Bundesministeriums für Gesundheit aus dem Jahr 2020 beliefen sich die direkten Kosten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland auf etwa 46,4 Milliarden Euro pro Jahr – das sind 13,7 Prozent der Gesamtkosten des Gesundheitssystems. Hinzu kommen indirekte Kosten für die wirtschaftlichen Verluste durch Arbeitsausfall, Produktivitätsverluste und Frühverrentung aufgrund von Erkrankungen oder Todesfällen. Eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) schätzte die indirekten Kosten auf etwa 20-30 Milliarden Euro jährlich.