„Morgen habe ich mein Leben wieder im Griff“
Vizekanzler Lars Klingbeil beim Ständehaus Treff in Düsseldorf – über Kickboxen im Finanzministerium und das Erbe der SPD
42 Tage ist er erst im Amt und freute sich, einen Abend aus Berlin weg zu sein. Und ab morgen würde sowieso alles besser: „Ich habe entdeckt, dass es im Finanzministerium einen riesigen Fitnessraum gibt. Morgen Mittag ist eine Stunde Training geblockt – statt Mittagessen. Morgen habe ich mein Leben wieder im Griff.“ Beim gestrigen Ständehaus Treff im K21 räumte der 47-jährige Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen ein, dass sein Terminkalender wenig Raum für Reflexion lässt – zwischen Haushaltsverhandlungen, Wachstumsprogrammen und Krisenmanagement. Und auch die Verantwortung habe zugenommen, die auf seinen Schultern lastet: „Früher stand in der SPD immer noch jemand über mir – jetzt drehe ich mich manchmal um, und da steht keiner mehr.“

Fotos: © Meike Schrömbgens
Die SPD muss für ihn wieder eine Partei für die werden, „die in der Pflege schuften, an der Supermarktkasse stehen oder als Polizist Nachtschicht schieben“. Und schiebt nach: „Wenn die sich nicht mehr vertreten fühlen, haben wir ein Problem.“ Damit er weiß, wo den Bürgerinnen und Bürgern der Schuh drückt, geht er auf Schützenfeste.
Klarer Kurs in der Außenpolitik
Die Unterstützung der Ukraine bleibt für ihn nicht verhandelbar: „Putin versteht nur Stärke. Wir helfen militärisch, aber wir betreiben auch Diplomatie – das eine schließt das andere nicht aus.“ Dass einige in seiner Partei eine weichere Russlandpolitik fordern, kontert er: „In der SPD muss Platz sein für Debatte. Aber mein Kurs bleibt klar.“ Und sein Verhältnis zu Schröder, hakte Döbler nach. „Er hat sich verrannt, was Putin angeht.“ Aber gelernt habe er viel von ihm.
Auch zu Nahost-Konflikt bezog er Stellung: „Das Existenzrecht Israels ist für mich nicht verhandelbar. Aber ich sage auch offen: Bei allem Leid in Gaza sehe ich, dass die Verhältnismäßigkeit in Teilen nicht mehr gegeben ist. Solidarität mit Israel heißt nicht, jede Handlung einer Regierung Netanjahu kritiklos zu schlucken.“
Haushaltsdisziplin trifft Investitionsoffensive
Politisch setzt Klingbeil auf eine Mischung aus solider Kasse und kräftigen Zukunftsinvestitionen. Mit dem sogenannten „Wachstumsbooster“ will er die Wirtschaft ankurbeln, Bürokratie abbauen, Unternehmen entlasten – „damit endlich die Bagger rollen“. Für Klingbeil sind das keine abstrakten Zahlen: „Jeder Euro, den wir in die Funktionsfähigkeit des Landes stecken, ist auch ein Euro für die Demokratie. Wenn Menschen den Staat als handlungsfähig erleben, stärkt das das Vertrauen.“ Gleichzeitig warnt er vor zu viel Blockade in Zeiten globaler Spannungen: „Die Bahn, die zu spät kommt, ist längst ein Demokratieproblem.“
Auf der Ukulele, die für den Gitarristen auf der Bühne stand, wollte Klingbeil übrigens nicht spielen, versprach das aber beim nächsten Mal zu tun, aber eben mit Ansage.