Dem Fachkräftemangel in Düsseldorf begegnet die Wirtschaft auf ganz verschiedene Weise. Die IHK Düsseldorf hat bereits 2020 das Projekt „Hand in Hand for International Talents“ ins Leben gerufen, um Fachkräfte aus IT, Elektro und Gastronomie aus Drittstaaten zu rekrutieren. Das Institut für Internationale Kommunikation (IIK) hat 2023 ein Azubi-Pilotprojekt mit dem Nicht-EU-Ausland gestartet. Ercan Kara Osman, Geschäftsführender Gesellschafter der Rodopi-Gruppe, hat sich für einen anderen Weg entschieden. Sein Unternehmen schult Fachkräfte in seiner Akademie in Griechenland. Danach kommen diese weltweit beim Bau und Korrosionsschutz von Windkrafträdern und neuerdings auch bei der Installation von großen Solaranlagen zum Einsatz. Wir besuchten den Selfmade-Unternehmer in seinem Firmensitz in Düsseldorf-Rath.

Warum ausgerechnet eine Schulungsakademie in Griechenland, wenn man Osman heißt? Da kann man doch eigentlich kein Grieche sein … Der Widerspruch ist schnell aufgeklärt. Die Familie mit dem türkischen Namen hat ihre Wurzeln in Griechenland und gehört zur Minderheit der muslimisch-türkischen Pomaken. „Das mit der Minderheit ist schon ziemlich kompliziert. Aber wenn ich dann noch sage, dass meine Eltern aus Rodopi kommen, weiß kein Mensch, wo das liegt“, erzählt der Düsseldorfer Unternehmer. Dann erklärt er, dass Rodopi zur Region Ostmakedonien und Thrakien gehört. Geboren wurde Osman in Krefeld, er lebt aber seit seinem zweiten Lebensjahr in Düsseldorf. Sein Vater war Stahlarbeiter bei Mannesmann. Seine Mutter kümmerte sich um Ercan und seine drei Geschwister. In den Schulferien fuhr die Familie zum Verwandtenbesuch nach Rodopi. „Meine Eltern hatten immer vor, zurückzugehen. Dabei konnte ich kein Griechisch und wollte alles, nur das nicht“, erinnert sich Osman. 

Osman studierte BWL an der Fachhochschule in Düsseldorf und gründete zusammen mit einem „Landsmann“ aus Rodopi das Unternehmen Rodopi, das in über 33 Ländern in Sachen Korrosionsschutz unterwegs ist. „Unser Kerngeschäft ist die Montage und Reparatur von Windturbinenblättern. Aber auch Stahlwasser-, Industriebauten und Industriedenkmäler wie den Gasometer in Oberhausen haben wir saniert“, zählt Osman auf. 

 „Instandhalten und sanieren ist nachhaltiger als abreißen.“

Im Fokus: Erneuerbare Energien

Im Moment ist vieles im Umbruch. Aus der Rodopi Gruppe soll noch in diesem Jahr eine Holdinggesellschaft werden. Aus dem Korrosionsschutzgeschäft in der maritimen Industrie will Osman sich zurückziehen. „Ich möchte die Manpower von Rodopi lieber in den Bau von Windkraftanlagen, in die Sanierung von bestehenden Anlagen und Industriebauten und in Solaranlagen stecken.“ Also lieber Geld mit sauberem Strom als mit Kreuzfahrtschiffen verdienen, weil er ein grünes Gewissen hat? Ein bisschen spiele das auch eine Rolle, räumt der Unternehmer ein. Aber noch stärker wiege für ihn, dass man keine Kreuzfahrtschiffe mehr brauche und überhaupt ließen sich in Europa keine konkurrenzfähigen Schiffe in den Werften bauen. 

Aber der Motorsport sei doch auch nicht gerade grün, gebe ich zu bedenken und zeige auf die Bilder in seinem Büro, auf denen rote Rennautos und bekannte Rennfahrer zu sehen sind. „Der Rennsport war schon immer meine Leidenschaft. Aber Rennwagen gehen auch sauberer“, weiß Osman. Technikstudenten von der Universität in Xanthi in Rodopi, alle Anfang 20, kamen auf Osman zu, um ihn als Sponsor für ihr Rennteam zu gewinnen. „Sie hatten einen Businessplan, eine Kalkulation und wollten in ihrer Freizeit einen Elektro-Rennwagen für das Democritus Racing Team bauen“, erzählt Osman. Der Unternehmer war gleich Feuer und Flamme und sponserte den Studenten die Teilnahme an dem Formula Student Wettbewerb. Doch nicht nur das: Er gab das Know-how von Rodopi im Bereich der erneuerbaren Energien an die Studierenden weiter. Eine spätere Zusammenarbeit der jungen Ingenieurinnen und Ingenieure mit Rodopi hat Osman dabei durchaus im Hinterkopf. 

Warum die Kooperation mit der Universität in Xanthi? Weil die Verbindung eng ist. Hier hat der Unternehmer 2019 ein Schulungszentrum errichtet, an dem Gabelstaplerfahrer und Portalkranführer ausgebildet werden. Hier wird das Arbeiten in der Höhe trainiert, aber auch in Behältern, Silos und in engen Räumen. Es gibt Module in der Gerüstnutzung, im Gehörschutz, im Atemschutz, aber auch im Retten aus Höhen und Tiefen. Das Schulungszentrum ließ Osman nach den Standards der Global Wind Organisation (GWO) zertifizieren – da schlug die deutsche Gründlichkeit durch. 

Der Argos Award 2022

Was hat Düsseldorf von der europäischen Idee?

Ercan Kara Osman besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft und möchte mit seinem Unternehmen und seinen über 550 Mitarbeitern für beide Länder etwas bewirken, aber auch für die Mitarbeiter, die aus Portugal, Frankreich oder Skandinavien kommen. Da denkt er europäisch. 50 Prozent seines Umsatzes generiert er in Deutschland, die anderen 50 Prozent europa- und weltweit. „Alle unsere Mitarbeiter sind hier in Deutschland zu deutschen Lohnstandards angestellt. Denn nur so können die Familien in ihren Heimatländern zu Wohlstand kommen“, erläutert Osman. Er betreibt also kein Brain Drain, keine Abwanderung von qualifizierten Fachkräften, die dann in ihren Herkunftsländern fehlen? Eben nicht, erklärt er, denn für Ingenieure gäbe es in Rodopi kein gewerbliches Umfeld und so mancher arbeitet dann im Restaurant des Onkels als Kellner. „Wer für uns arbeitet, geht zwei Monate auf Montage und ist dann einen Monat bei der Familie. Von dem Geld wird die Kaufkraft in der jeweiligen Region gesteigert. Die Familien bauen ein Haus und stecken das Geld in die Ausbildung der Kinder.“

Was die Firma Rodopi für die Region Rodopi tut, hat auch die griechische Regierung mitbekommen. Sie verlieh den beiden Gründern Ercan Kara Osman und Achmet Gkaroglou in Athen den „Argo Award 2022“ in der Kategorie Entrepreneurship. Ein Ritterschlag für die beiden Expatriats, die nach den Worten der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou den hellenischen Geist in die Welt tragen. „Wir sind so stolz, dass wir zusammen mit der Weltranglisten-Tennisgröße Maria Sakkari und dem Präsidenten der biopharmazeutischen Forschung und Entwicklung bei AstraZeneca Menelas Pangolos ausgezeichnet wurden.“ 

Für Osman war der Award ein Ansporn, weiterzumachen – nicht nur für die Heimat seiner Eltern und als Unternehmer in Düsseldorf, sondern auch, um den Einsatz von erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben. „Ehrlich gesagt, haben mich meine Kunden aus der Windindustrie auf die Idee gebracht, dass wir in die Photovoltaik einsteigen sollten.“ Aktuell laufen die ersten Schulungslehrgänge in Xanthi an, bei denen Elektromeister Elektrofachkräfte ausbilden. Diese Fachkräfte wird Osman dann wohl auch einsetzen, wenn er in Düren eine Solaranlage auf dem Dach der Dürener Korrosionsschutz GmbH bauen wird. Ein Unternehmen, das die Rodopi-Gruppe im Juli übernommen hat, selbstverständlich sozialverträglich. Entlassen wurde niemand. Das Unternehmen kannte Osman bereits seit Jahren, hatte vorher eng durch Personalüberlassungen für Sandstrahl- und Beschichtungsarbeiten zusammengearbeitet. Außerdem fehlten dem Düsseldorfer eigene Hallen. Alle Gewerke, die Rodopi nicht vor Ort mit Korrosionsschutz versehen konnte, mussten an Drittanbieter vergeben werden. Mit der Übernahme erweitert die Rodopi-Gruppe nicht nur ihre wirtschaftliche Präsenz im Bereich des Korrosionsschutzes, Osman plant, das Arbeitsvolumen in dem Dürener Unternehmen zu verdoppeln. Im Schichtbetrieb will er so die Instandhaltung der Infrastruktur und bestehender Anlagen in Deutschland gewährleisten. Denn Instandhalten statt abzureißen sei nachhaltiger.

Susan Tuchel

Foto: Alexander Vejnovic

Das Roll-Out Event des von RODOPI gesponserten Democritus Racing Teams fand im Mai in Xanthi statt.

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Ercan Kara Osman

Ercan Kara Osman lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nicht weit von der Firmenzentrale in Oberrath am Aaper Wald. Seine Leidenschaft für den Rennsport hat er in die zweite Generation vererbt. Sein Sohn Armin ist mit 12 Jahren schon in Deutschland und in Italien als erfolgreicher Kartrennfahrer unterwegs. „Wir müssen das nur mit der Schule in Einklang bringen. Internationaler Kartsport ist sehr zeitaufwändig, aber Bildung ist natürlich wichtiger“, findet Vater Osman. 

Als Europäer macht es für ihn keinen Unterschied, ob etwas in Griechenland oder in der Türkei passiert. Als an der türkisch-syrischen Grenzregion im Februar dieses Jahres die Erde bebte und eine der schlimmsten Naturkatastrophen der letzten hundert Jahre auslöste, waren auch viele Rodopi-Mitarbeiter betroffen. Kurzentschlossen rief Osman die Aktion #100ForAid ins Leben. Seine Idee: Jedes Unternehmen, das Mitarbeiter aus der Türkei hat oder einen Standort in der Türkei unterhält, spendet pro Mitarbeiter 100 Euro. 55.000 Euro überwies der Unternehmer an eine türkische Hilfsorganisation mit Sitz in Instanbul, verbreitete die Spendenaktion in den sozialen Medien und bat auch seine Kunden zu helfen. „Aktuell ist die Katastrophe kaum noch in den Medien. Dabei ist die Situation vor Ort noch immer sehr schlimm, wie wir von einem unserer Mitarbeiter wissen, der gerade dort ist.“

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