Vielleicht sind Künstler doch die besseren Menschen. Mit dem
Düsseldorfer Sänger und Songwriter enkelson. verbindet uns schon eine kleine Geschichte. Vor zwei Jahren berichteten wir über seine Reise nach Ghana und seine Schirmherrschaft für den gemeinnützigen Verein
„African Angels“. Dass sein Engagement tatsächlich grenzen- und selbstlos ist, hat er im Mai bewiesen, als er im Krankenhaus lag – glücklich darüber, dass er einem kleinen Mädchen das Leben retten konnte. Er schickte uns seine Geschichte, die mit einem Speicheltest begann. 

Längst hatte ich vergessen, dass ich mich vor sechs Jahren bei der gemeinnützigen DKMS GmbH als Stammzellenspender hatte registrieren lassen. Dann kam der Anruf im April: Ich käme als Spender infrage.

Auf einmal war ich aufgeregt, hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Und ich muss zugeben, dass ich nicht einmal wusste, welche Funktion das Knochenmark für unseren Organismus hat. Schon Ende des Monats sollte ich mich für eine Operation bereithalten. Der Patient oder die Patientin – zu diesem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht – sei zu schwach und aktuell anderweitig erkrankt. 

Bereits am nächsten Tag lagen alle Informationen in meinem Postfach, um die entscheidende Blutabnahme einzuleiten. Auch mein Hausarzt wusste bereits Bescheid. Ob ich am nächsten Tag um 9.00 Uhr bereit wäre, wollte er wissen. Ich stimmte zu und wurde von Stunde zu Stunde aufgeregter. 

Aktuell ist enkelson. für den musikalischen Teil der ersten It`s for Kids Kunstnacht am 22. Oktober im Forum der Stadtsparkasse Düsseldorf verantwortlich. Die Kunstwerke, deren Erlöse zu 50 oder sogar zu
100 Prozent an die Spendenorganisation für misshandelte, missbrauchte, kranke oder benachteiligte Kinder gehen, können schon jetzt unter
www.its-for-kids.de/kunstnacht besichtigt werden. Tickets können unter kunstnacht.tickets@its-for-kids.de bestellt werden.

Ich ein Lebensretter?

Auf einmal kam ich als möglicher Lebensretter in Frage. Die letzte Hürde: Mein Blut musste noch einmal getestet werden, um meinen Gesundheitszustand und meine Blutgruppe zu checken. Das Ergebnis des großen Blutbildes war positiv und man bat mich, in eine Klinik nach Köln zu kommen, um dort weitere Tests durchzuführen. Dort haben die Ärzte mich auf auf Herz und Nieren geprüft. Außerdem erstellten sie ein Profil mit allen möglichen Krankheiten, die ich jemals hatte, Operationen, die vor 20 Jahren vorgenommen worden sind, selbst mein Beruf und meine Musikrichtung wurden in mein Spenderprofil aufgenommen. Ich spürte: Jetzt wird es ernst. Und zwar ernster als in 90 Prozent der Fälle. Denn nur bei 10 Prozent der Spender wird eine Stammzelltransplantation vorgenommen. In den meisten Fällen wird am Arm Blut entnommen, die Stammzellen herausgefiltert und das Blut wieder über den anderen Arm in den Kreislauf zurückgeführt. 

 © Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

„enkelson.“ Mit 10 Jahren bekam er eine Orgel, er spielte Klavier und sang. Sein Lehramtsstudium unterbrach er, ging nach Wien und gewann auf Anhieb den Sony-Gesangscontest. Zu seinen Fächern Germanistik und Mathematik studierte er auch Musik und nahm Gesangs- und Klavierunterricht. 2015 entschied er sich, Berufsmusiker zu werden: „enkelson.“ war geboren. Er fing an, deutsche Texte zu schreiben, produzierte sein erstes Musikvideo zu dem Song „Holzweg“. 2016 dann ein Liebeslied auf seine Heimatstadt, das 2017 in der ESPRIT-Arena vor dem Spiel Fortuna gegen Union Berlin aufgeführt wurde. 2018 schrieb er „Die Welt Gehört Uns Allen“, das erste offizielle Mottolied des Düsseldorfer Christopher Street Day (CSD). 2017 und 2018 gewann er den Song Contest bei „Bilk ist auf der Rolle – Sound of Summer“. Seine erste EP „Jeder für sich“ erschien 2019. Als Corona ihm Auftritte vor Publikum unmöglich machte, gab er 79 Hinterhofkonzerte. Mit seinem Piano-Konzert in diesem Jahr auf dem Rheinturm landete er im Guiness-Buch der Rekorde. 

In meinem Fall wurden mir 1,1 von 2,6 Liter oder Kilo – ich weiß nicht genau, in welcher Einheit man das Bindegewebe misst – Knochenmark aus dem Beckenkamm entfernt. Eigentlich wollte ich die Spende bei vollem Bewusstsein mit einer lokalen Anästhesie durchführen lassen, weil ich kein Fan von Vollnarkosen bin. Die Ärzte rieten mir wegen der „Ruckeleien“ ab, die ich dann spüren würde. Also blieb mir keine Wahl und ich stimmte der Vollnarkose zu. Was ich bei Dr. Google über die Operation las, war auch nicht gerade beruhigend. Doch ich warf all meine Ängste über den Haufen. Schließlich ging es auf der anderen Seite um ein Menschenleben. 

Die OP fand dann doch erst Ende Mai statt. Immer wieder hörte ich in der Klinik Sätze wie: „Sie wissen, Sie müssen das nicht machen“ oder „Das ist selbstlos von Ihnen.“ Ich habe das gar nicht verstanden. Ich hatte einfach ein schönes Gefühl, weil ich wusste, ich kann helfen. Aufgeregt war ich dann aber schon vor der OP. Als ich nach dem Eingriff aufwachte, sprach ich fließend Kölsch. Ich weiß, das darf ich in Düsseldorf nicht so laut sagen. Und woher ich auf einmal Kölsch konnte, weiß ich bis heute nicht, aber die Krankenschwestern hatten als „Beweismittel“ ein Video gedreht, als ich noch im Dämmerschlaf lag. 

Eine Stunde, nachdem ich wach war, rief mich jemand von der DKMS an und bedankte sich. Ob ich wissen wolle, wohin die Spende unterwegs sei? Das wollte ich natürlich unbedingt wissen und mein heimlicher Wunsch ging in Erfüllung. Meine Knochenmarkspende ging an ein kleines Mädchen aus Frankreich. 

Meine Gedanken überschlugen sich, denn vielleicht habe ich gerade das Leben eines Kindes gerettet und gleichzeitig auch das seiner Familie, Freunde und Nachbarn verändert. Was denken die Eltern gerade über mich? Was denkt das Kind gerade? Hatten sie überhaupt noch Hoffnung? Ich fing bitterlich an zu weinen. Es ist doch noch ein Kind. Ein Kind. 

Leider sieht die aktuelle Gesetzeslage in Frankreich vor, dass Spender und Patient anonym bleiben. In Deutschland kann man die Anonymität nach zwei Jahren aufheben. Gut, dann wollte ich wenigstens den Menschen hier erzählen, was für ein Gefühl es ist, ein Leben gerettet zu haben. Ich drehte Videos von mir in der Klinik, schnitt sie und veröffentlichte das Ergebnis. Die Reaktion war unglaublich: 750.000 Menschen haben sich das Video seitdem angesehen und jeden Tag werden es mehr. 

 © enkelson

Vor der Spende fragten mich viele Menschen: „Aber so eine OP ist doch auch riskant“ oder sie sagten: „Da kann so viel passieren“ oder „Was ist, wenn du bleibende Schäden davonträgst?“ Ich habe mich das nicht gefragt, sondern den Ärzten vertraut. 

Selbst wenn ich nach einem solchen Eingriff ein Leben lang humpeln würde, würde mich das immer daran erinnern, dass ich ein Leben gerettet habe. Ich würde es wieder tun.

enkelson.

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