„Kunst ist, was bleibt“. Mit dieser Aufschrift und den Laufzeitdaten der Kunstausstellung „Die Grosse“ fährt aktuell eine Straßenbahn durch die Stadt. Kunst ist, was bleibt – das gilt nicht nur für die Kunst der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die wir in Museen bewundern können, sondern auch für die Kunst der Gegenwart. Seit 121 Jahren gibt es „Die Grosse“ in Düsseldorf. Sie ist die größte von Künstlerinnen und Künstlern organisierte Ausstellung in ganz Deutschland. Als eine der wenigen Kunstausstellungen weltweit können Besucher Kunstwerke in einem Museum käuflich erwerben. Noch bis zum 9. Juli werden im Kunstpalast, im NRW-Forum und unter freiem Himmel im Ehrenhof über 300 Werke der Malerei, Fotografie, Grafik, Bildhauerei sowie Installation und Videos ausgestellt. Wir trafen uns mit Michael Kortländer, der die Ausstellung seit 2010 organisiert und bei den Künstlerführungen im Wechsel mit anderen Künstlerinnen und Künstlern einen 90-minütigen Rundgang durch die Ausstellung anbietet.

Michael Kortländer, Vorsitzender des in Düsseldorf ansässigen Vereins zur Veranstaltung von Kunstausstellungen e.V.
Copyright Avraham Eilat

Die Ausstellung läuft traditionell fünf Wochen, also noch bis zum 9. Juli. Erreichen die aktuellen Besucherzahlen das Ergebnis der 120. Jubiläumsveranstaltung des letzten Jahres?

Michael Kortländer: Da die Ausstellung noch ein paar Wochen läuft, kann ich noch keine Zahlen nennen. Aber bislang sind die Besucherzahlen sehr gut. Im Jubiläumsjahr hatten wir über 15.000 Besucher. Der Eröffnungsabend fiel 2022 allerdings mit der „Nacht der Museen“ zusammen. Das hat in diesem Jahr terminlich nicht gepasst. Wir hoffen trotzdem, den Besucherrekord in diesem Jahr zu toppen. 

Womit?

Michael Kortländer: Wir haben ein neues Format für die Donnerstagabende eingeführt: Vereine und Verbände zu Sonderführungen einzuladen. Einerseits möchten wir den Vereinen ein ganz exklusives Kunstevent bieten. Andererseits sind die Vereine sehr gute Multiplikatoren in der Stadtgesellschaft. Wir hatten einen Kunstabend mit den Mitgliedern von Fortuna, mit den Düsseldorfer Jonges, dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), den Heartbreakers, also dem Förderkreis der Aidshilfe Düsseldorf e.V., sowie mit den Freunden des Kunstpalastes e.V. 

 

Seit 2021 müssen die an einer Ausstellung mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler ein Jahr pausieren. Gab es da Beschwerden innerhalb der Künstlerschaft?

Michael Kortländer: Die meisten haben Verständnis für diese neue Regelung. Von Seiten der Organisatoren mussten wir die Notbremse ziehen. Als ich 2010 das Amt des Kurators bei „Die Grosse“ übernahm, mussten wir aus 400 Bewerbungen auswählen. In diesem Jahr waren es 1.200 Bewerbungen. Das ist ein sehr großer Aufwand für die Jury, die seit meiner Amtszeit im Übrigen unabhängig ist und in der Mehrzahl aus Künstlern besteht. Der Verein lädt auch nicht wie in früheren Zeiten die Künstler ein, sich zu bewerben. Bei uns kann sich jede Künstlerin und jeder Künstler bewerben. Die Bewerbungsfrist startet bereits im November des Vorjahres. 

 

Wie wird gewählt?

Michael Kortländer: Ein siebenköpfiges Jury-Gremium aus gewählten Künstlerinnen und Künstlern, zwei Juroren aus Museen und zwei Vorstandsmitglieder des Vereins zur Veranstaltung von Kunstausstellungen gibt seine Stimmen anonymisiert in eine digitale Wahlurne. Alle Künstlerinnen und Künstler, die gewählt werden, haben zugleich die Chance, mit einem von zwei Kunstpreisen für besondere künstlerische Verdienste oder als Nachwuchskünstler ausgezeichnet zu werden. 

 Seit wann gibt es die Kunstpreise?

Michael Kortländer: Der Kunstpreis der Künstler wird seit 1975 vergeben, der Förderpreis seit 1985. 1977 hat übrigens der Bildhauer Bert Gerresheim den Kunstpreis verliehen bekommen. 

 

Und in diesem Jahr?

Michael Kortländer: Der Kunstpreis der Künstler ging an den Düsseldorfer Maler Jan Kolata. Den Förderpreis erhielt die 26-jährige Malerin Lara Kaiser. Beide Künstler waren bei der Eröffnungsveranstaltung mit dabei. Wir haben im Jubiläumsjahr 2022 eingeführt, dass das Publikum mit den Künstlern ins Gespräch kommen kann. Außerdem geben wir den Preisträgern sehr viel Raum für ihre Kunstwerke.

 

Wie sind die Preise dotiert?

Michael Kortländer: Beide Preisträger bekommen je 7.500 Euro. Seit dem letzten Jahr gibt es auch noch den Publikumspreis für die Lieblingskünstlerin oder den Lieblingskünstler, den die Besucher mit einer Karte am Eingang wählen können. Diesen Preis hatte im letzten Jahr der Euref-Campus gesponsert. In diesem Jahr haben wir als Veranstalter die Dotierung in Höhe von 1.500 Euro übernommen.

 

Das heißt, der Euref-Campus ist raus aus dem Sponsoring?

Michael Kortländer: Nein, ganz im Gegenteil. Reinhard Müller, der Vorstandsvorsitzende der Euref-AG, hat den ehemaligen Publikumspreis in diesem Jahr sogar auf 10.000 Euro aufgestockt mit dem Euref Campus Art Award. Das freut uns natürlich sehr, wenn die Kunst „unserer“ Künstler in einem öffentlichen Raum gezeigt wird wie dem Zukunftsort Euref-Campus am Düsseldorfer Flughafen.

 

Ist „die Grosse“ nur für Düsseldorfer Künstlerinnen und Künstler groß?

Michael Kortländer: Von den 153 Künstlern, die aktuell dabei sind, kommen sehr viele aus Düsseldorf und aus der näheren Umgebung: aus dem Ruhrgebiet, aus Wuppertal und Aachen, aber auch aus Münster und Berlin. Nach Düsseldorf ist die zweitgrößte Gruppe mit 23 Künstlerinnen und Künstlern übrigens Köln. „Die Grosse“ ist aber auch international bekannt. Wir haben Künstlerinnen und Künstler aus den Niederlanden, der Schweiz und Italien.

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Kulturtipp Sonntagsmatinee 2. Juli um 11.55 Uhr: Elisabeth Heil Performance

TürsteherInnen und Servicekräfte, Fragebögen oder Beratungsgespräche, Wegeleitungssysteme und Überwachungsmedien … sie strukturieren Alltag und Umwelt und sind Teil der Performances von Elisabeth Heil.

Dauer ca. 45 Minuten im Kunstpalast

www.elisabethheil.de

Sie sind das letzte Jahr Ausstellungsleiter. Dann geben Sie den Staffelstab an Emmanuel Mir weiter, warum?

Michael Kortländer: Der Zeitpunkt einer Übergabe ist immer schwierig. Das gilt für einen Künstlerverein genauso wie für jedes Unternehmen. Ich bin gerade 70 Jahre alt geworden und hinter mir liegt ein echter Kraftakt. Wir haben es geschafft, der Künstlerschaft wieder ein Forum zu geben und unsere Nische mit der Ausstellung so zu nutzen, dass wir wirklich groß geworden sind. Wenn Sie so wollen, ist der Kunstpalast dadurch wieder ein Künstlerpalast geworden und wir haben es geschafft, die Künstler und vor allem die Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie an uns und vor allem an Düsseldorf zu binden. Und es ist eine Riesenchance, im Kunstpalast und im NRW-Forum ausgestellt zu werden. 

 

Also gehen Sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

Michael Kortländer: Es ist ein bisschen wie ein Generationenwechsel in einem Familienunternehmen. Das operative Geschäft, also alles rund um die Organisation der Ausstellung, übernimmt Emmanuel Mir. Ich bleibe weiterhin der Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins zur Organisation von Kunstausstellungen und werde die Ausstellung und Emmanuel Mir weiterhin als Mentor begleiten – frei nach der Kölner Schauspielerin und Sängerin Trude Herr: Niemals geht man so ganz. 

„Wir haben es geschafft, der Künstlerschaft wieder ein Forum zu geben und unsere Nische mit der Ausstellung so zu nutzen, dass wir wirklich groß geworden sind.“ 

Seit zehn Jahren organisieren Sie als Vorstand des Vereins Düsseldorf – Palermo Kunstausstellungen, Projekte und Workshops in beiden Städten. Wie geht es da weiter?

Michael Kortländer: Da ändert sich nichts, auch weil ich die Städtepartnerschaft zu Palermo, die ihren Anfang in der Kunst hatte, für sehr wichtig halte. Seitdem sind die Künstler beider Städte im Dialog, stellen im „Haus der Kunst“ in Palermo oder in Düsseldorf aus, zum Beispiel im Goethe Museum oder im Stadtmuseum sowie in Galerien und besuchen sich als Stipendiaten. 

 

Düsseldorf ist eine Kulturmetropole, warum sollte man „Die Grosse“ nicht verpassen?

Michael Kortländer: Neben den über 300 Kunstwerken ist sicher das schlagende Argument, dass es weltweit nur wenige Kunstausstellungen in Museen gibt, bei denen Besucher Kunstwerke käuflich erwerben können. Das ist ein regelrechter Boom. Ich kann das jetzt nur für meine Zeit als Ausstellungsleiter sagen. Als ich 2010 anfing, haben wir 4.500 Euro durch Privatverkäufe umgesetzt, 2022 waren es rund 230.000 Euro. Ansonsten kaufen natürlich auch viele Institutionen, Unternehmen wie Banken, Versicherungen und auch die Stadt bei uns ein. Und das zu Preisen, die attraktiv sind. 

 

Das klingt nicht nach einer Gelegenheit für den kleinen Geldbeutel. Auch junge Leute denken bereits daran, in Kunst als Kapitalanlage zu investieren …

Michael Kortländer: Dafür gibt es seit 1982 das „Kleine Format“ direkt im Eingangsbereich, das von unserem Verkaufsbüro betreut wird. Hier werden in diesem Jahr ca. 280 Kunstwerke hängen, die bis maximal 800 Euro kosten inklusive Rahmen. Jeder der hierzu eingeladenen Künstler kann bis zu vier Arbeiten dort einbringen. Ist ein Werk verkauft, hängt das Team vom Verkaufsbüro sofort ein anderes Werk des Künstlers an die Wand. Dieses Format hat sich zu einem echten Publikumsrenner entwickelt. Im letzten Jahr spielte dieses Format über 65.000 Euro ein. Apropos Publikumsrenner. Wer beim Publikumspreis, mitmacht, hat die Chance, eine von drei Sondereditionen der diesjährigen Förderpreisträgerin Lara Kaiser zu gewinnen.

 

Wie funktioniert das?

Michael Kortländer: Einfach eine der ausliegenden Karten am Eingang mitnehmen und sich beim Rundgang durch die Ausstellung für eine Künstlerin oder einen Künstler entscheiden, die oder der dem Besucher am besten gefällt. Der Publikumspreis wird bei der Finissage am 9. Juli bekanntgegeben. Dabei werden auch die drei Gewinner für die Sondereditionen gezogen.

Susan Tuchel

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„Die Grosse“ läuft noch bis zum 09. Juli 2023

Ehrenhof 4-5 

40479 Düsseldorf

Dienstag bis Sonntag:
11-18 Uhr

Donnerstag: 11-21 Uhr

Montags geschlossen

10 Fragen an Jan Kolata

Maler und diesjähriger Gewinner des Kunstpreises der Künstler von „Die Grosse“

Copyright Jaebong Jung, Düsseldorf

Welchen Stellenwert nimmt Kunst in Ihrem Leben ein?

Einen ziemlich hohen, so wie sicher bei den allermeisten Künstlerinnen und Künstlern auch.

 

Welche künstlerischen Vorbilder haben Sie am stärksten beeinflusst?

Um nur einige zu nennen: Kurt Schwitters, Edvard Munch, John Constable, Helen Frankenthaler

Welche anderen Berufe wären für Sie auch in Frage gekommen?

Archäologe oder Priester

 

Was brauchen Sie, um schöpferisch tätig zu sein?

Mein Atelier

 

Worauf legen Sie momentan Ihren künstlerischen Schwerpunkt?

Auf die Malerei

 

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich male ein die Eingangswand füllendes Bild für den Kunstpalast Düsseldorf, 8,20 x 5,20 m.

 

Welches Kunstmuseum würden Sie gerne leiten?

Das van Abbemuseum in Eindhoven nach der Entfernung des Erweiterungsbaus.

 

Düsseldorf hat eine lebendige Kunstszene, womit sind Sie zufrieden und wo wünschen Sie Veränderungen?

Dass die Stadt nach langer Zeit nun endlich wieder damit begonnen hat, leerstehende städtische Immobilien an Künstlergruppen in Eigenverantwortung zu geben – das freut mich ganz besonders. Die Stadt spart Geld, weil die Subventionen an Privatvermieter entfallen. Die reiche, immer wieder aus der Akademie heraus sich erneuernde, Kunstszene bekommt ihren Platz in der Stadt.

 

Welche Rolle wird die Kunst Ihrer Meinung nach im digitalen Zeitalter einnehmen?

Im Grundsatz wird sich da nicht so viel ändern. Die Künstler ergreifen ja von Beginn an diese neuen Möglichkeiten und genauso wie die Erfindung der Tube im 19. Jahrhundert der Kunst ihrer Zeit etwas hinzufügen konnten, nämlich die Freiluftmalerei, so ähnlich werden auch die technischen Erfindungen im Bereich des Digitalen den Kunstbegriff einmal mehr erweitern. Allerdings, solange wir auf zwei Beinen laufen, essen und verdauen, so lange wird das Bedürfnis da sein, neben der virtuellen auch die materielle Welt zu erproben.

 

Wie hat die Coronakrise Sie und Ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst?

Gar nicht.

Susan Tuchel

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Jan Kolata

Am liebsten malt er lebensgroße Bilder und meint damit seine Körpergröße, die bei 1,90 Meter liegt. Geboren wurde Jan Kolata 1949 in Immenstadt im Allgäu. Im Alter von drei Jahren kam er nach Düsseldorf. Sein Vater war Vergolder. Jan wuchs mit dem Geruch von gekochtem Leim auf, war fasziniert von den Landschaftsbildern in der Werkstatt seines Vaters. Als Akademiestudent baute er ein Mal-Moped, das er mit allem ausstattete, was er für seine Kunst brauchte: eine Staffelei, Farben und Pinsel, Leinwände. Er fuhr an den Niederrhein und ins Bergische Land, machte Skizzen, vollendete die Bilder im Atelier. Irgendwann wurde ihm die Arbeit im Atelier wichtiger und die Landschaften in seiner Erinnerung abstrakter. Kolata mag den Perspektivwechsel. Er lernte die Enge des Raums kennen, als er bei der Bundeswehr den Dienst an der Waffe verweigerte und in eine Arrestzelle gesteckt wurde. Die Welt von oben lernte er als Dachdecker kennen. Er absolvierte ein Kunsterzieherexamen, gab Kurse in der Erwachsenenbildung und unterrichtete an der Schule. Von 2006 bis 2016 war er Professor für Malerei an der TU Dortmund. Ausgestellt werden seine Bilder in Galerien in Düsseldorf, Paris und Toronto.

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