Die grüne Politikerin, die für eine feministische Außenpolitik angetreten ist, machte auch beim 98. Ständehaus Treff im K21 keine halben Sachen. Die Redeanteile der quirligen Außenministerin im Polittalk mit RP-Chefredakteur Moritz Döbler lagen gefühlt bei über 90 Prozent. Und sie verlor niemals den Faden, verhaspelte sich nicht, so dass man sich als einer der rund 500 geladenen Gäste fragte, ob Social Media vielleicht doch nicht immer die beste Plattform für das Außenbild von Politikern ist. Wie sehr Shitstorms, Häme und Hetze die 43-jährige Außenministerin „anfassen“, schwang deutlich mit in ihrem Satz: „Man möchte gemocht werden.“ Aber wenn News und Tweets mit Beleidigungen sechs Mal besser geklickt werden, kenne das soziale Netz weder Freund noch Feind, rechnete die Politikerin vor.
Feigheit vor dem Feind kann man der Hannoveranerin nicht vorwerfen. Als erstes Kabinettsmitglied reiste sie Mitte Mai 2022 nach Kiew und war seit Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober 2023 sieben Mal in der Krisenregion unterwegs. Ja, der Brutalität des Videos aus Mannheim hatte sie sich auch gestellt und betonte, dass der 25-jährige Attentäter aus Afghanistan, der vor zehn Jahren als Asylant nach Deutschland gekommen ist, mit Tötungsabsicht auf den Polizisten losgegangen sei. „Extremisten, egal ob rechts oder links, wollen unser Land kaputt machen und Islamisten wollen Gesellschaften spalten“, warnte sie und rief zu einem Schulterschluss der demokratischen Parteien und der Gesellschaft auf.
Annalena Baerbock beim Ständehaus Treff, Fotos: (c) Meike Schrömbgens
Diplomatie hinter verschlossenen Türen
Die Bundesministerin des Auswärtigen spricht gerne Tacheles und erntet dafür oft Kritik und den Vorwurf, nicht mit diplomatischem Fingerspitzengefühl zu agieren. Baerbock ließ durchblicken, dass sich seit dem 7. Oktober die Partner Israels immer wieder an unterschiedlichen und geheimen Orten treffen, weil das, was dort verhandelt wird, nichts für die öffentliche Diskussion sei. Auf die Frage Döblers, wie der Ukraine-Krieg zu Ende gehe, antwortete sie sehr diplomatisch: „Es liegt in den Händen des Aggressors.“ Bis dahin gelte es, die Ukraine zu unterstützen. Sie bedankte sich auch bei den deutschen Unternehmen, die Hilfe leisten wie ein Hamburger Start-up, das nach wiederholter Zerstörung einer Wasserleitung eine Anlage zur Verfügung stellte, um mit Solarenergie Salzwasser in Trinkwasser zu umzuwandeln. „Ich liebe meinen Job sehr und würde ihn sehr gerne lange weitermachen“, verkündete Baerbock. Auch wenn die Grünen bei den Gästen des Ständehaus Treff vermutlich keine Mehrheit an der Wahlurne bekämen, kamen die Geradlinigkeit und das Sprachfeuerwerk der Politikerin gut an. Und sollte sie es eines Tages schaffen, mit Putin an einem Tisch zu sitzen, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sie auch im Kreml ihre Redeanteile durchsetzt.