Alke Reeh, Bildhauerin und Gewinnerin des Kunstpreises der Künstler von „DIE GROSSE“ 2024

Röcke aus Röcke und Schnittmuster 2003 – 2012. Hier im Watteau-Saal des Schloss Pillnitz (staatliche Museen Dresden). Gips Videoinstallation © VG Bild

Schnittmuster aus Röcke und Schnittmuster. Fotomontage 40 x 60 cm und 60 x 80 cm

Welchen Stellenwert nimmt Kunst in Ihrem Leben ein?
Schon eine zentrale Rolle. Künstlerische Tätigkeit gibt einem die Möglichkeit sich in ein Thema zu vertiefen und nach immer erneutem Überdenken so etwas wie Erkenntnisse zu erlangen, etwas zu verstehen. Eine Idee im Kopf ist immer vage und schwammig, möchte man sie visualisieren – als Skizze zu Papier bringen und als Objekt entstehen lassen – merkt man wie undefiniert das Bild des inneren Auges, die scheinbar schon visuell existierende Form doch ist.

Welche künstlerischen Vorbilder haben Sie am stärksten beeinflusst?
Es gibt keine konkreten Vorbilder. Ich freue mich immer sehr intensive, auf den Punkt verdichtete Dinge zu sehen. Das kann ein gutes Theaterstück sein, ein Musikstück, ein Buch, Kunst und vieles andere. Wichtig ist mir eine durchdachte Intensität zu spüren, die Dinge aufzeigt, die obwohl uns vielleicht bekannt, doch neu durchdacht oder mit leicht verschobenem Blick gezeigt werden. Dadurch können wir Vertrautes frisch und neu sehen.

Welche anderen Berufe wären für Sie auch in Frage gekommen?
Naturwissenschaftlerin, Ingenieurin, Maschinenbauerin oder Grundlagenforschung in Medizin, Physik oder anderem. Dinge, die auf der Suche sind nach Verstehen, Analyse und Lösungen suchen. 

Was brauchen Sie, um schöpferisch tätig zu sein?
Eine stille Ecke und irgendein und irgendein Material.

Worauf legen Sie momentan Ihren künstlerischen Schwerpunkt?
Mich interessiert die Wandelbarkeit des Materials. Aus einem kompakt zusammengelegten Bündel Stoff entsteht bei dem Prozess des Auseinanderfaltens ein in den Raum greifender Körper. Wärme durch das Material Stoff als Antipode zur geometrischen Form – Stoff hängt, auch wenn er gespannt ist, etwas durch. Die Flexibilität des Materials gibt immer der Schwerkraft nach. So erhalten die entstandenen Werke ein nicht völlig steuerbares Eigenleben allein durch die Eigenschaft des Stoffes.

Woran arbeiten Sie gerade?
Derzeit arbeite ich mit Stoffen aller Art. Dabei entstehen groß- und kleinformatige Dinge, bei denen ich Unterschiedliches ausprobiere, z. B. mit Netzen, also locker gewebten Stoffen. Je nach Blickwinkel ist die Farbe manchmal blass und kaum wahrnehmbar und manchmal intensiv. Durchdringungen und Überlagerungen zeigen sich als Farbkonzentrationen. Die Transparenz der Stoffe nimmt mit der Anzahl der Überlagerung der Schichten ab, gleichzeitig nimmt die Farbintensität und das Leuchten des Stoffes zu. Wie mit Röntgenblick lassen sich die unterschiedlichen Schichten der Arbeiten durchblicken.

Decke genäht aus dem Werkblock 2009 – 2023. Stoff 290 x 290 x 18 cm

Welches Kunstmuseum würden Sie gerne leiten?
Diese Frage würde sich mir nie stellen. Ein Künstler interessiert sich nicht dafür Museen zu leiten.

Düsseldorf hat eine lebendige Kunstszene, womit sind Sie zu frieden und wo wünschen Sie Veränderungen?
Ich bin nicht aus Düsseldorf, doch lebe immer noch hier, da ich die Stadt in Bezug auf Kunst schätze. Es gibt hier und in der Umgebung viele Ausstellungs- und Veranstaltungsorte, die am Puls des Zeitgeschehens mitwirken. Das ist elementar, um sich daran zu messen und selber immer weiterzudenken. Toll wäre es Werkstätten für Künstler zu haben. Die Künstlerdichte ist hoch genug. Vorbild sind die vom Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin (BBK) geleiteten Bildhauerwerkstätten in Berlin, ein genialer Ort. Für geringe Gebühr können Künstler diese Werkstätten nutzen.

Welche Rolle wird die Kunst Ihrer Meinung nach im digitalen Zeitalter einnehmen?
Die Lust am kreativen Schaffensprozess wird immer gleichbleiben, sie ist dem Menschen immanent. So wird es immer Maler und Bildhauer geben, die auch rein händisch Werke erschaffen. Digitales ist ein Hilfsmittel, wie neuartige Maschinen, die einige Prozesse erleichtern werden.

Wie hat die Coronakrise Sie und Ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst?
Es war für mich eine sehr intensive Arbeitszeit, nichts lenkte ab. Der vorher angesammelte Input war groß genug, er reichte für die gesamte Zeitspanne. 

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