Schwarz mit Neon Magenta, 2021, Öl auf Leinwand, 190 x 240 cm

1.
Welchen Stellenwert nimmt Kunst in Ihrem Leben ein?

Seit ich denken kann, hat mich die Kunst interessiert. In meiner Familie gab es dafür keine Vorbilder, aber meine Familie hat mich immer auf meinem Weg dorthin unterstützt. Ich war neun Jahre alt, als ich bei einem Besuch bei meiner Großmutter in einem Geschäft am Markt in Warschau eine Packung mit 36 Wachsmalkreiden entdeckte. Die musste ich unbedingt haben. Irgendwann in dem Sommer hatte ich dann das Geld für die Kreiden zusammen und war überglücklich, als ich alle Farben ausprobieren konnte. Ich kam dann nach dem Abitur und einem sehr strengen Auswahlverfahren an die Akademie in Danzig. Nach einem Jahr an der Akademie erhielt ich ein Hochbegabten-Stipendium. Für mich setzt Kunst Energie frei. Ich fühle mich wohl mit der Kunst. Das ist wie der Motor im Auto, man begibt sich auf eine Reise. Das Ziel ist das Bild, welches gerade bei mir im Atelier entsteht. 


2.
Welche künstlerischen Vorbilder haben Sie am 

meisten beeinflusst?

Bei mir geht es weniger um Vorbilder. Es gibt Kunstwerke, die mich berühren und Künstler und Künstlerinnen, die mich beeindrucken. Reicht es bei jemand Anerkanntem zu lernen? Was bedeutet es, ein/eine Künstler/in mit Genie zu sein? Gibt es das? Was ist Talent? Mein Blick, meine Sensibilität sind immer fokussiert auf bestimmte Momente beim Arbeiten. Dabei entsteht dann etwas, was ich interessant finde, und ich versuche dieses Interessante weiter herauszufiltern und festzuhalten. 

Ich war fasziniert von der abstrakten Kunst Piet Mondrians und seinen reduzierten Formen, diesen quadratischen Rhythmen, und der Kraft seiner Farben. Der Prozess der Reduktion in den Arbeiten, von einem Baum zu einem Quadratsystem mit farbigen Rhythmen. Ich entdeckte in Florenz und Siena durch die Düsseldorfer Akademieklassen-Reisen Piero della Francesca mit seinen fast mathematischen Kompositionen, seiner Klarheit und Ruhe. Jan Vermeer bewundere ich für seine fotografischen Kompositionen, den festgehaltenen Augenblick und die farbliche, flirrende Stofflichkeit der Dinge, Diego Velázquez für die abstrakten Details bei der malerischen Behandlung der Oberflächen,  Van Gogh für seine Intensität der Farben und Kompositionen und Picasso für seine Entwicklungen, seine Kreativität, Offenheit und Kraft. Dann interessiert mich die amerikanische, abstrakte Kunst Mark Rothkos mit seinen monumentalen, meditativen Farbbildern und Joan Mitchells mit den Kontrasten und der Expressivität in der Farbe, die Britin Bridget Riley für die Spannung zwischen Geometrie, Farbe und Raum. Mir fehlen etwas die weiblichen Stimmen in der Kunst. Das liegt nicht daran, dass es diese Stimmen nicht gibt, sie sind nur in diesem Kunstmarkt immer noch zu wenig sichtbar.  1996 bin ich an die Akademie Düsseldorf, Klasse Graubner, gewechselt, danach war ich in der Klasse Anzinger. Mir war damals klar, dass ich in Düsseldorf an einen Ort kam, der ein Zentrum der zeitgenössischen Kunst war, genau da wollte ich hin. Ich bin glücklich, dass mir dieser Schritt gelungen ist. Mein Blick verändert sich ständig. Was früher vielleicht nicht interessant für mich war, entdecke ich neu. Humor ist wichtig. Ich lache über mich, das Leben und zusammen mit Freunden.

Türkis Gestreift Vertikal, 2018, Öl auf Leinwand, 200 x 160 cm
Türkis mit Schwarzgrün, 2017, Öl auf Leinwand, 40 x 30 cm


3.
Welche anderen Berufe wären auch für Sie in Frage gekommen?

Bis jetzt habe ich mir diese Frage nicht gestellt. Ich habe Illustrationen für Kinderbücher gemacht, für die Deutsche Oper Kostüme bemalt und an Bühnenbildern bei Dreharbeiten beim Film und für Ausstellungen gearbeitet.  


4.
Was brauchen Sie um schöpferisch tätig zu sein?

Ein polnisches Sprichwort lautet: „Nie ma tego złego, co by na dobre nie wyszło“ (auf Deutsch: Jede Wolke hat einen Silberstreifen). Für mich bedeutet das, ein Zustand ist nie ganz festgelegt, sondern immer in Veränderung. So geht es auch in meiner Malerei. Es folgen Arbeitsschritt auf Arbeitsschritt, sehr konzentriert und immer auf den vorherigen Zustand der Sache aufbauend. Wenn ich sehe, es ist keine Veränderung an der Struktur, Farbe oder Licht mehr notwendig und ich bin maximal überrascht von der Arbeit, ist das Bild fertig. Natürlich brauche ich auch Impulse aus Reisen oder Ausflügen und die Begegnungen mit anderen Künstlern und Künstlerinnen im Atelier oder anderswo. Für mich kommen Ideen und Impulse aus meinem Inneren, fast automatisch, oft ungeklärt und nicht rationalisiert. Dann brauche ich die Hand und einen sehr klaren fokussierten Blick, um die Sache entstehen zu lassen. Den Kopf und die Emotionen mit der Hand verbinden, die den Pinsel hält. Eigentlich arbeite ich in diesem Sinne sehr klassisch, was die allgemeine und verbreitete Vorstellung betrifft, wie eine Künstlerin arbeitet. Ich liebe als Danzigerin das Meer, ohne den Rhein wäre ich nicht hier in Düsseldorf geblieben. Nach meinem Abschluss hatte ich überlegt, nach London zu gehen. Der Mix aus den vielen Kulturen, das Alte/Historische in Verbindung mit der Moderne, die Architektur und der Humor der Briten ziehen mich an. Das fehlt hier vielleicht ein wenig. Natürlich bin ich gerne hier. Es gibt hier wunderbare Menschen und ich werde hier auch gemocht und geschätzt. Das ist sehr wichtig. Ich brauche auch die Natur, fast unberührt und wild in ihrem Ursprung neben der Stadt.  

© Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

Katarzyna Cudnik

Studium der Malerei an der Kunstakademie in Danzig, Stipendium für Hochbegabte, und an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Gotthard Graubner und Siegfried Anzinger, Meisterschülerin. Seit 1996 zahlreiche Ausstellungen mit Malerei, Zeichnung, Fotografie, Installation und Happening in Deutschland, Polen und den Niederlanden, unter anderem Teilnahme zuletzt bei „Die Große“ Museum Kunstpalast, Duesseldorf Photo Weekend, Lange Nacht der Museen, Rheinterrasse „Nachtbrötchen“, Künstlerverein Malkasten.  


5.
Worauf legen Sie momentan Ihren künstlerischen Schwerpunkt?

Ich male abstrakt. Ich würde es als abstrakt bezeichnen – räumliche Strukturen.  Grundlage sind Farbe und Licht mit einem Fokus auf die Farbe, durchaus auch expressiv. Wenn nicht gegenständlich gearbeitet wird, so wie bei mir, sind die Beschreibungen dafür nicht ganz so einfach. Ich habe die Zeichnung für mich neu entdeckt, nachdem ich mehrere Jahre nur malerisch gearbeitet habe. Darin arbeite ich sehr ähnlich wie mit der Farbe, nur dass genau diese ja wegfällt. Es bleiben in den Zeichnungen die Strukturen und der Kontrast. Auch mache ich Fotografien, die immer ausgehen von Abstraktionen. Zurzeit eine Art Makrofotografie in durchleuchteten Wasserflächen, Farbe pur. Eine digitale Fotografie, die bei mir digital nicht weiterbearbeitet wird. Illusionistische Welten, deren Strukturen einen hyperrealistischen Eindruck erwecken. Ich arbeite meistens in Serien. Dabei konzentriere ich mich immer auf ein Medium, also Malerei, Zeichnung oder Fotografie. Es geht immer um Konzentration, um Auswahl, um Entscheidung von dem, was unmittelbar entsteht.   


6. 

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich arbeite gerade an Großformaten. Die Serie ist angefangen in Acrylfarben, dann Ölfarben mit Leucht- und Neonpigmenten. Dann arbeite ich an einem Projekt, in dem ich diese neuen Bilder und meine Fotografien als Grundlage nehme für große, schnell wechselnde, rhythmische Projektionen, die mit dem Beamer eben auf eine große Leinwand projiziert werden, vor der in diesem Projektionslicht Tänzer und Tänzerinnen zu Live-Musik tanzen. Eine Performance mit Licht, Schatten, Tanz, Farbe, Bewegung und Musik. Übrigens ein Corona-Stipendien-Projekt. Ich hoffe, ich kann es im Sommer aufführen. Ein weiteres Projekt ist eine größere Arbeit zusammen mit Veit Ferrer, der realistisch arbeitet. Es ist sehr spannend, eine Malerei nicht alleine zu machen, sondern als Team. Abstrakte und realistische Bildflächen wechseln sich darin ab. Im Hintergrund für die Arbeit steht eine Auftraggeberin. Eine andere Form der Arbeit und Veröffentlichung und Ermöglichung gerade in diesen Zeiten, in denen alle Galerien und Ausstellungsorte geschlossen sind. Die Kunst und ihre Vermarktungswege erfinden sich gerade zwangsläufig neu und wir erinnern uns, wie Kunst zum Beispiel in der Renaissance entstanden ist. Damals gab es nur Aufträge, durch die die Kunst entstand. Das kann auch eine Chance für uns Künstler und Künstlerinnen sein. 

7. 

Welches Kunstmuseum würden Sie gerne leiten?

Ich selber arbeite seit Jahren im Kunstraum Düsseldorf, aktuell ist das der NKR. Für jeden Künstler ist es interessant, eine große, zeitgenössische Ausstellung zu organisieren und zu kuratieren, zum Beispiel Städte-Biennalen. So etwas, was Kader Attia gerade machen kann für Berlin 2022. Das ist großartig, wenn Künstler in solche Positionen kommen gerade wegen ihrer Arbeiten. Grundsätzlich konzentriere ich mich auf meine Arbeit im Atelier. Gut finde ich den freien Eintritt in Kunstmuseen, so wie in London. So sollte es überall sein. 

8. 

Düsseldorf hat eine lebendige Kunstszene, womit sind Sie zufrieden und wo wünschen Sie sich Veränderungen?

Ich wäre nicht schon so lange hier als Künstlerin, wenn es diese lebendige Kunstszene nicht gäbe. Es gibt eine Tradition hier der Galerien und der klassischen Moderne, neben den interessanten, internationalen Museen, Sammlungen und institutionellen Ausstellungsorten. Es entstehen immer wieder neue Galerien und/oder es ändern sich deren Orte. Es gibt viele Kunstinitiativen, Off-Räume etc., einige bleiben länger bestehen, andere entstehen neu. Schön wäre, wenn gerade die Künstler und Künstlerinnen aus anderen Ländern und Kulturen hier noch sichtbarer werden. Da kann Düsseldorf noch besser werden. 

Magenta Kristall Grün, Macrofotografie, 2019 © Katarzyna Cudnik
Bunt Strahlendes Beige II, Macrofotografie, 2019 © Katarzyna Cudnik
Geometrisch English Grün, Macrofotografie, 2019 © Katarzyna Cudnik

9. 

Welche Rolle wird die Kunst Ihrer Meinung nach im digitalen Zeitalter einnehmen?

Es gab und gibt immer neu entstehende Entwicklungen und Techniken, die aber fast immer auf bestehenden Techniken aufbauen. Vielleicht ist das Digitale in diesem Sinne eine weiterentwickelte Technik. 1935 hat Walter Benjamin seinen Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ geschrieben. Es ging damals um die Fotografie/Film und deren Reproduktionstechniken und wie das zurückwirkt auf zum Beispiel die Malerei. Die digitalen Techniken sind ohne die Fotografie und deren damalige neuen Techniken eher schwer denkbar. Fotografie ist die Speicherung von Informationen und im Digitalen geht es auch genau darum, um Speicherung. So ist es mehr eine Entwicklung aus etwas heraus als das Entstehen von etwas ganz Neuem. So, wie sich künstlerisches Arbeiten auch immer beeinflusst. Wir stehen nie für uns ganz allein. Es gibt viele Entwickler, Wissenschaftler und Künstler, die auf diese digitalen Möglichkeiten reagieren und damit interessante Sachen kreieren und erforschen. Für die Kunst bietet die digitale Verbreitung und Technik eine andere Form, sich auszudrücken und das ist spannend. Die Fragen bleiben die gleichen. Mit den digitalen Techniken können Kunstprojekte entstehen im Zusammenhang zwischen der realen und der programmierten Welt. Dokumentarische Kunst, in der die Künstler sich mit sich und ihren politischen Bedingungen auseinandersetzen. Durch die globale Kommunikation in sozial-politischen Kunstbewegungen werden diese sichtbarer. Das ist eine tolle Sache. Ich kann mit jemandem zusammenarbeiten, der an einem ganz anderen Ort sitzt. Analoge Kunst bleibt heute wie vor 4.000 Jahren wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, was real ist. Was ist Realität? Für mich als abstrakt arbeitende Künstlerin ist diese Frage sehr spannend. 

Doku-Duesseldorf Photo Weekend 2019 © Jacek Plaza


10. 

Wie hat die Coronakrise Sie und Ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst?

Im Atelier arbeite ich weiter fast wie immer in meinem Rhythmus. Ich brauche diese Arbeit. Es wäre aber falsch zu sagen, die Krise hätte mich nicht beeinflusst. Wie genau, das kann ich vielleicht erst mit etwas Abstand sagen, dann, wenn sie vorbei ist. Projekte mit anderen Künstlern sind leider momentan nur begrenzt möglich. Ein Finnland-Reisestipendium, für das ich mich beworben hatte für den Sommer 2020, wurde abgesagt. Ich vermisse den Austausch mit anderen Künstlern, die  Ausstellungen, die Eröffnungen und das, was damit zusammenhängt und nicht möglich ist wegen der Pandemie.  Uns Künstlern kommt vielleicht zugute, dass wir immer schon mit unseren nicht routinemäßigen Herausforderungen lernen müssen, kreativ und am besten entspannt umzugehen. 

Hier gehts zum ZOO:M E-Magazin

Pin It on Pinterest