v. l.: Dr. Anna Herrhausen (PHINEO), Caroline Lindekamp (CORRECTIV),  Fabienne Twelemann (Uniper) und Susanne Wieseler (WDR) | Fotos: Uniper

Verantwortung in einer Welt des globalen Wandels

Wie widerstandsfähig ist eine Wirtschaft, deren politische Ordnung ins Wanken gerät? Wie innovativ kann ein Standort sein, wenn Desinformation Debatten verzerrt, Lieferketten geopolitisch aufbrechen und globale Partner unberechenbar werden? Und welche Verantwortung tragen Unternehmen in einer Zeit, in der demokratische und ökonomische Stabilität so eng miteinander verknüpft sind wie heute? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der her.summit des Initiativkreises Ruhr, bei dem rund 120 Managerinnen und Führungskräfte aus Wirtschaft, Energie, Finanzwelt, Industrie, NGOs und Politik in der Uniper-Zentrale nach Düsseldorf zusammenkamen.

Gastgeberin Fabienne Twelemann, CPTO von Uniper, betonte, dass Offenheit, Vertrauen, psychologische Sicherheit und klare Entscheidungswege Voraussetzungen für moderne Führung seien – und zugleich Kern der Unternehmenskultur von Uniper. „Demokratie beginnt im Unternehmen“, sagte sie. Formate wie der her.summit seien notwendig, „weil wir nur weiterkommen, wenn wir uns mit unseren unterschiedlichen Erfahrungen einbringen.“ 

Fabienne Twelemann, CPTO von Uniper

Demokratie unter Druck

Dr. Anna Herrhausen, Mitglied des Vorstands der Beratungsorganisation PHINEO gAG, eröffnete den Summit mit einem Impulsvortrag zur Lage der Demokratie. Herrhausen, Tochter des 1989 ermordeten Deutsche Bank-Chefs Alfred Herrhausen, verwies auf den globalen Demokratiereport des V-Dem-Instituts. Der internationale Forschungsverbund misst den Grad demokratischer Freiheit und Teilhabe von Staaten weltweit. Aktuell befindet er sich auf dem  niedrigsten Stand seit zwanzig Jahren, so Herrhausen.

Dr. Anna Herrhausen, Mitglied des Vorstands der Beratungsorganisation PHINEO gAG

Immer mehr Staaten verlieren zentrale demokratische Grundlagen – etwa die Unabhängigkeit der Justiz, die Pressefreiheit oder freie Wahlen. Herrhausen sieht auch in Deutschland eine „schleichende Erosion demokratischer Kultur“ und verweist auf die Zugewinne der AfD.

Diese Entwicklung passe in das Muster des „democratic backsliding“: eines schrittweisen Abbaus demokratischer Strukturen. Dieser beginne mit der Schwächung unabhängiger Institutionen, gefolgt von der systematischen Verunsicherung der Öffentlichkeit durch Desinformation. Politische Gegner werden delegitimiert, gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt. Am Ende stehe der Umbau zentraler demokratischer Strukturen, was Regierungen ermöglicht, ihre Macht abzusichern.  „Deshalb braucht die Zivilgesellschaft Schutz, Ressourcen und Partner aus der Wirtschaft.“

Desinformation – Risiko für Wirtschaft und Demokratie

Caroline Lindekamp (CORRECTIV.Faktencheck) zeigte auf, wie Falschinformationen strategisch aufgebaut werden. „Ein Gerücht wird nicht einfach gestreut, sondern über Wochen weitergedreht.“ CORRECTIV erhält rund 500 Hinweise pro Woche – ein Frühwarnsystem, das regionale Trends sichtbar macht. Narrative wandern zwischen privaten Messenger-Gruppen und öffentlichen Plattformen hin und her, werden emotionalisiert, neu verpackt und algorithmisch verstärkt. „Desinformation dockt dort an, wo reale Sorgen sind – und begleitet inzwischen jedes große gesellschaftliche Thema.“

Caroline Lindekamp, CORRECTIV.Faktencheck

Wie breit das Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie geworden ist, zeigten auch die vier nachfolgenden Deep Dive Sessions auf. Eine Gruppe widmete sich der Rolle von NGOs (Non-Governmental Organizations) in demokratischen Prozessen – angeleitet von Lisa Claus, Finanzreferentin bei Germanwatch e.V. Sie erklärte, warum zivilgesellschaftliche Organisationen längst Teil politischer Entscheidungen sind. Weshalb sie aktuell so stark unter Druck geraten und wie sich trotz politisierter Debatten konstruktive Kooperationen mit Unternehmen gestalten lassen. Der zweite Deep Dive führte in den Spitzensport. Hier ging es um Leistungsdruck, Scheitern und Resilienz. Die Marathonläuferin Esther Pfeiffer und ihr Trainer Timo Kuhlmann, der zugleich das D.Running Team coacht, sowie Olympiateilnehmerin Sonja Oberem zeigten wie sich mentale Stärke, Ausdauer und der Umgang mit Rückschlägen aus dem Spitzensport auf Führung übertragen lassen.

Unter dem Titel Borussia verbindet“ erläuterten Marieke Philippi und Amelie Gorden vom BVB, wie ein Fußballverein mit Millionenreichweite Antidiskriminierungsarbeit betreibt, Vielfalt und soziale Verantwortung fördert. Der vierte Deep Dive rückte die Kernfrage ins Zentrum: Wie lässt sich Gleichstellung heute gestalten? Prof. Dr. Anja Seng, Präsidentin von „Frauen in die Aufsichtsräte“, zeigte, warum Quoten nicht ausreichen, welche Mechanismen Karrieren blockieren und wie Unternehmen Gleichstellung als strategische Führungsaufgabe verstehen können.

Die Verteidigungsindustrie im Fokus

Sabine Becker, Leiterin Sustainability bei Rheinmetall, sprach über Europas sicherheitspolitische Versäumnisse. „Wir haben nicht investiert“, sagte sie – und verwies darauf, dass inzwischen über Verteidigungsinvestitionen von drei bis fünf Prozent des BIP gesprochen werde. Rheinmetall selbst befinde sich in einer Transformation und verfolge die Zielmarke, den Umsatz in den nächsten fünf Jahren von zehn auf fünfzig Milliarden Euro zu steigern. Nachhaltigkeit bedeute für den Konzern viele Herausforderungen: Klimarisiken, instabile Energienetze, internationale Standorte, Lieferketten, Cybersicherheit, Exportregime und Generationenwechsel.

Europa und die USA

Über Europas Rolle in einer unsicheren Welt diskutierten Sabine Becker, Jane Ploeger, Vice President bei Siemens Energy, und Eveline Metzen, Leiterin Government & Public Affairs bei der Deutschen Bank, im Abschlusspanel. Ploeger, selbst US-Amerikanerin, betonte, dass Europa seine Exportregularien vereinheitlichen müsse, um global handlungsfähig zu bleiben. Eveline Metzen brachte die finanzielle Perspektive ein: Mittelständische Zulieferer in kritischen Industrien bräuchten einen früheren und mutigeren Kapitalzugang. „Das ist ein Henne-Ei-Problem. Wer soll investieren, bevor die Aufträge da sind?“ Während die USA ihre Vorgaben gesenkt hätten, bleibe Europa strikt. Metzen plädierte dafür, strategische Industrien übergreifend zu betrachten: Energie, Rüstung, Digitalisierung, Infrastruktur. Nur ein integriertes Modell mache Europa widerstandsfähiger. Sie sprach sich klar für eine Kapitalmarktunion aus. Gleichzeitig verwies sie auf politische Hindernisse: „Das EU-Parlament ist fragmentierter geworden. Populistische Parteien bremsen wichtige Entscheidungen aus.“ Becker warnte zusätzlich vor innenpolitischen Risiken: „Die AfD ist kein Partner für Europa und kein Partner für die NATO.“

Vier Fragen an Fabienne Twelemann

// Was hat der her.summit 2025 gezeigt?
Der her.summit 2025 war ein starker Impulsgeber und machte die Vielfalt von Managerinnen sichtbar. Die Veranstaltung hat gezeigt, wie wichtig es ist, Raum für Austausch, Inspiration und das Knüpfen neuer Kontakte zu schaffen – insbesondere in unserer schnelllebigen Zeit. Solche Initiativen sind unverzichtbar, um Vielfalt und Chancengleichheit zu stärken. Ich freue mich besonders über die vielen bereichernden Begegnungen und die Energie, die von diesem Netzwerk ausgeht.

// Was bedeutet Verantwortung für Sie persönlich?
Verantwortung heißt für mich, zuzuhören, vorurteilsfrei zu diskutieren und an Lösungen zu arbeiten, die eine lebenswerte Zukunft ermöglichen. Und zwar im privaten wie beruflichen. Ich möchte meinen Kindern das Rüstzeug mitgeben, dass sie offen durch die Welt gehen, Dinge aber kritisch hinterfragen, um auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Bei Uniper übernehmen wir Verantwortung für eine sichere und zuverlässige Energieversorgung, ohne dabei den Klimaschutz aus den Augen zu verlieren. Die große Transformation heute ist die Energiewende. Diese wollen wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, unseren Mitarbeitenden und einem starken Netzwerk im Ruhrgebiet voranbringen. Verantwortung bedeutet für mich auch, in Zeiten des Wandels Orientierung zu geben, Mut zu machen und gemeinsam neue Wege zu gehen. Denn nur wenn wir Verantwortung übernehmen, können wir als Unternehmen und als Gemeinschaft wachsen und die Herausforderungen der Zukunft meistern.

// Wie verändern Frauen die Kultur im Unternehmen?
Führung verändert die Kultur, indem sie nicht nur Ergebnisse liefert, sondern auch Räume schafft, in denen Menschen sich sicher fühlen. Frauen in Führungsrollen fördern oft Offenheit, Respekt und gemeinsame Entscheidungen. So entsteht ein Umfeld, in dem Fragen erlaubt sind und alle sichtbar werden. Menschen bringen unterschiedliche Erfahrungen mit – geprägt durch Herkunft, Alter, Geschlecht oder Gesundheit. Vielfalt in der Führung zeigt, dass es nicht nur eine richtige Sicht gibt. Sie erweitert den Blick, stärkt Vertrauen und macht Teams mutiger und kreativer. Das führt oft zu besseren Lösungen und mehr Erfolg.

// Welche Fähigkeiten werden Führungskräfte in fünf Jahren brauchen, die heute noch unterschätzt werden?
Führungskräfte müssen künftig vor allem Wandel aktiv gestalten, flexibel bleiben und offen für Neues sein. Dazu gehören lebenslanges Lernen und Sinnorientierung. Digitale Führung wird wichtig, besonders der verantwortungsvolle Einsatz von KI und Entscheidungen auf Basis von Daten. Noch entscheidender ist jedoch der Fokus auf Menschen: Empathie zeigen, Sicherheit geben, auch wenn der Druck groß ist, Teams durch Unsicherheiten führen und Mitarbeitende stärken, damit sie Verantwortung übernehmen und neue Wege gehen. Vielfalt als Chance zu sehen und daraus Ideen zu entwickeln, wird oft unterschätzt. Führung bedeutet, Menschen zu befähigen und gemeinsam Neues zu schaffen. Erfolg entsteht nicht durch Lautstärke, sondern durch Vertrauen, Inklusion und die Fähigkeit, Wandel zu gestalten. Wer Vielfalt und Lernen als Stärke sieht, prägt die Zukunft.

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Über den her.summit

Der her.summit ist eine Eventreihe des Initiativkreises Ruhr. Jedes Jahr richtet eines der über 70 Partnerunternehmen des Wirtschaftsbündnisses das Netzwerkevent als Gastgeber aus. Ziel des her.summit ist es, die Sichtbarkeit von Managerinnen und weiblichen Führungskräften an Rhein und Ruhr zu fördern und die vielseitigen Karrieremöglichkeiten in der Rhein-Ruhr-Region aufzuzeigen.

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