Fotos: Ricci Sports

Über Leidenschaft, Handwerk und eine Branche im Wandel

Fast jeder im Radsport kennt Rennrad-Urgestein „Richie“. Er gehört zu den letzten Rennradspezialisten in Düsseldorf. Der gebürtige Schotte betreibt seit zwei Jahrzehnten seinen Laden Ricci-Sports im Düsseldorfer Zooviertel – exklusiv für Rennräder. Hier trifft jahrzehntelange Erfahrung auf präzises Handwerk. Im Interview spricht er über sein Leben, seine Passion und den Wandel auf dem Radsportmarkt.

Richie, seit wann spielt das Radfahren eine Rolle in deinem Leben?
Angefangen habe ich als kleiner Junge. Mit vier habe ich mir das Bein gebrochen und sollte Radfahren, um es zu stärken. Mit elf, zwölf bin ich dann schon meine ersten Touren gefahren.

Was hat dir das Radfahren gegeben?
Es war vor allem ein Fluchtweg für mich. Meine Eltern hatten jeden Tag Streit. Auf dem Rad war ich frei.

„Wenn es keine Rennen gibt, gibt es auch keinen Nachwuchs.“

Richard Pratt, Rennrad-Mechaniker

Erinnerst du dich noch an dein erstes Rennen?
Das habe ich gleich gewonnen. Ab da wollte ich immer Erster sein.

Wieviele Rennen bist du insgesamt gefahren?
Weit über tausend. Ich war nicht immer Sieger, aber immer platziert. Zweimal war ich schottischer Straßenmeister. Und Schottland ist ein heißes Pflaster.

Wie bist du nach Deutschland gekommen?
Es war eine Mischung aus Zufall und Neubeginn. Ich hatte meinen Job als General Manager in einem Elektronikunternehmen gekündigt, dazu kam ein schwerer persönlicher Verlust: Mein Sohn verstarb plötzlich und alles änderte sich von einer Sekunde auf die andere. Auf Mallorca lernte ich beim Radfahren eine Frau kennen – erst Freundschaft, dann mehr. Ich flog öfter nach Amsterdam und fuhr von dort mit dem Rad nach Düsseldorf. Irgendwann habe mich entschieden hier zu bleiben.

Wie bist du in der Fahrradbranche gelandet?
Ich wollte nicht zurück in meinen alten Beruf. In Schottland hatte ich bereits Laufräder für Profifahrer gebaut – das konnte ich. In Düsseldorf landete ich zufällig im Radsportladen von Willi Müller. Ich sagte: „Ich kann Laufräder bauen.“ Er war skeptisch, also bot ich an, einen Monat umsonst zu arbeiten. Zwei Tage später baute ich ihm ein besonderes Laufrad für ein Rennen – danach bekam ich direkt den Jahresvertrag.

Wie erlebst du die Radsportkultur in Europa – und wo steht Deutschland?
In Ländern wie Frankreich oder England hat sich in den vergangenen Jahren viel getan.
Paris war früher kaum befahrbar – heute gibt es überall Radwege. In Deutschland ist das Auto noch der König. Selbst dort, wo Radwege entstanden sind, sind sie oft nicht zu Ende gedacht. Gleichzeitig gibt es diese breiten Radspuren, die den gesamten Verkehr blockieren.

Wie haben sich die Radrennen verändert?
Heute gibt es fast nur noch Rundstreckenrennen – kurze Kurse mit ca. einem Kilometer. Wenn du eine einzige Kurve vermasselst, fliegst du raus und bist am Ende vielleicht nur zehn Kilometer gefahren. In richtigen Straßenrennen kannst du immer bis zum Ende fahren, selbst wenn du nicht der Schnellste bist.

Wie würdest du die Veränderungen im Markt beschreiben?
Es fahren heute viel mehr Menschen Rennrad – vor allem mehr Frauen. Gleichzeitig sterben die Vereine aus: kaum noch gemeinsames Training, immer weniger Zeit, immer weniger Rennen. Viele fahren nur noch für die Fitness, nicht mehr leistungsorientiert. Das heißt: weniger Materialverschleiß, weniger Ersatzteile, weniger Reparaturen. Und das merkt man auch am Umsatz.

Steckt die Fahrradbranche in der Krise?
Corona hat die Branche aus dem Gleichgewicht gebracht: Alle dachten, der Boom hält ewig, und es wurde zu viel produziert. Gleichzeitig drücken die Discounter die Preise, so dass viele Kunden ein Rad zum halben Preis erwarten. Dazu kommt die Technik: Hydraulikbremsen, integrierte Cockpits, spezielle Sattelstützen. Viele Mechaniker können das gar nicht mehr reparieren, und die Kunden erwarten trotzdem „Hollandrad-Preise“. Da prallen Realität und Erwartung aufeinander.

Wo siehst du für dich eine Perspektive?
Viele Markenrahmen kommen längst aus China. Ein Rahmen, der hier 5.000 bis 7.000 Euro kostet, liegt dort bei ca. 400 Dollar. Die guten chinesischen Hersteller kommen jetzt direkt auf den Markt. Für mich ist das eine Chance, hochwertige Rahmen individuell aufzubauen. Ich bin schon in Gesprächen: Anfang nächsten Jahres fliege ich nach China.

Warum sollte man jetzt im Winter zu dir kommen?
Es ist viel klüger, das Rad jetzt fit zu machen, statt im März zu kommen, wenn alle gleichzeitig vor der Tür stehen. Außerdem mache ich jetzt noch bessere Preise.

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