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Wer das Zukünftige emotional nutzt und das Gegenwärtige bewusst gestaltet, verändert seine Vergangenheit
Wenn es um Glück geht, sind wir erstaunlich ineffizient. Wir arbeiten, planen, konsumieren – aber fühlen oft zu spät, zu kurz oder gar nicht. Ein Erlebnis beginnt nicht erst, wenn es passiert. Es beginnt dort, wo Vorfreude beginnt. Vorausgesetzt, wir lassen sie zu. Doch genau hier wird’s spannend – und leider auch paradox: Je höher unsere Erwartungshaltung, desto schwächer ist oft die tatsächliche emotionale Wirkung. Das klingt unfair, ist aber neurobiologisch gut erklärt.
Susann Franke ist Psychologische Psychotherapeutin mit Praxen in Düsseldorf und Erftstadt. In ihrer Kolumne verbindet sie therapeutisches Wissen mit alltagsnahen Impulsen – für mehr Selbstwirksamkeit, innere Balance und seelische Gesundheit.
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Das Hirn liebt Vorfreude – aber hasst Enttäuschung
Die Glücksforschung ist sich einig: Unser Gehirn funktioniert nicht linear, sondern in Wellen – insbesondere dann, wenn Emotionen beteiligt sind. Es gibt drei zentrale Phasen, in denen wir Erlebnisse psychologisch „verwerten“ können:
- Vorfreude (Antizipation)
- Erleben (Präsenz)
- Erinnerung (Nachwirkung)
Wer nur Phase 2 nutzt, verpasst zwei Drittel des möglichen Glücks. Doch viele Menschen – insbesondere in der Stadt – leben genauso: schnell rein, konsumieren, schnell raus. Auf zum nächsten. Was dabei verloren geht: psychologische Sättigung. Und genau das führt zu dem Phänomen, das man auch in der Forschung das hedonistische Hamsterrad nennt: „Wir erleben mehr, aber fühlen weniger.“
Vorfreude ist nicht Erwartung – sondern ein Trainingsfeld für emotionale Beweglichkeit
Viele Menschen verwechseln zwei Konzepte, die zwar verwandt, aber grundverschieden sind:
- Vorfreude ist die bewusste emotionale Einstimmung auf etwas Positives – offen, lebendig, neugierig.
- Erwartung ist eine (oft unbewusste) mentale Vorschrift darüber, wie genau etwas zu sein hat.
Erlebnisverwertung statt Erlebnisjagd
In der Glücksforschung sprechen wir von „experience utility“ – dem inneren Nutzen eines Erlebnisses. Dieser Nutzen verteilt sich auf drei psychologische Zeiten:
- Die Zeit davor: Was spüre ich, wenn ich daran denke?
- Die Zeit darin: Bin ich präsent oder nur körperlich anwesend?
- Die Zeit danach: Was bleibt emotional übrig?
Je routinierter der Alltag, desto schneller vergeht er – zumindest gefühlt. Denn unser Gehirn misst Zeit nicht, es erinnert sie. Und zwar über emotionale Marker. Vorfreude auf etwas Neues verlängert das Zeitempfinden im Voraus. Präsenz im Moment verlangsamt es.
Reflexion danach verstetigt es. Einer meiner Klienten, Tobias, 46, Führungskraft, formulierte es so: „Ich arbeite, esse, schlafe – und plötzlich ist wieder Freitag. Ich war gar nicht richtig da.“ Seitdem er regelmäßig neue Mikro-Impulse einbaut (neue Wege, digitale Pausen, bewusste Genussmomente), spürt er: „Die Zeit dehnt sich wieder. Ich lebe nicht mehr nur an Momenten vorbei.
Fazit: Glück beginnt vorher – und dehnt sich mit Präsenz.
Über Susann Franke
Susann Franke ist Psychologische Psychotherapeutin mit Praxen in Düsseldorf und Erftstadt. Mit über 14.000 geführten Gesprächen, fundierter Ausbildung in Verhaltenstherapie, EMDR und klinischer Hypnose begleitet sie Menschen mit Empathie, Klarheit und fachlicher Tiefe. Zuvor war sie viele Jahre in der Wirtschaft tätig – zuletzt als Personalleiterin. Diese Erfahrung prägt ihren lösungsorientierten Blick auf psychische Belastungen im beruflichen wie privaten Kontext und lässt sie Arbeits- und Lebenswelten ganzheitlich erfassen. In ihrer Kolumne verbindet sie therapeutisches Wissen mit alltagsnahen Impulsen – für mehr Selbstwirksamkeit, innere Balance und seelische Gesundheit. www.therapie-franke.de
Kopfkraft. Der Psychotherapiekanal für SelbstWandel von Susann Franke
