Mitnichten, zumindest, wenn man nach der Wissenschaft geht. Was wir als schön empfinden,  ist laut aktueller Studien weder Geschmackssache noch zufällig. Klassische Attraktivitätsmerkmale signalisieren Gesundheit, Vitalität und Fruchtbarkeit und haben sich im Laufe der Evolution für uns Menschen als äußerst zuverlässig erwiesen, um potenzielle Paarungspartner zu bewerten.

Wir Menschen sind Augentiere. Gesichtsattraktivität ist uns sehr wichtig, denn wir haben die Tendenz, anderen Menschen zuallererst ins Gesicht zu schauen. Mit unseren Augen analysieren wir unablässig andere Menschen, ohne dass es uns bewusst ist. In Sekundenbruchteilen bewerten wir die Gesichtsmerkmale unseres Gegenübers und können unbewusst sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine momentane Stimmung, sein Bankkonto und seine Herkunft häufig präzise einschätzen. Der „erste Eindruck“, den wir uns von anderen machen, bestätigt sich später oft. Frauen und Männer beurteilen die Attraktivität des anderen Geschlechts in der ersten Begegnung nach dem Aussehen. Dabei sind die Einschätzungen dessen, was wir als schön oder attraktiv empfinden, ziemlich universell und haben sich im Laufe der Geschichte nicht wesentlich verändert. 

Bereits vor 30 Jahren fanden Psychologen heraus, dass schon Babys genau unterscheiden, welche Gesichter sie mögen und welche nicht. Dafür ließen die Wissenschaftler erwachsene Testpersonen aus verschiedenen ethnischen Gruppen Gesichter auf Fotos bezüglich ihrer Attraktivität bewerten. Danach zeigten sie die Bilder Säuglingen im Alter von drei bis sechs Monaten. Die Babys schauten sich die Gesichter, die auch die Erwachsenen attraktiv fanden, deutlich länger an. Liegt es also in unseren Genen, wen wir schön finden? Viele Studien scheinen dies zu bestätigen. Weibliche Attraktivität ist vor allem durch ihre Fruchtbarkeit gekennzeichnet. So soll das weibliche Gesicht während des Eisprungs femininer sein und die Haut gesünder aussehen. Ein weiteres Beispiel ist das berühmte Taille-Hüft-Verhältnis. Frauen mit einem Taille-Hüft-Verhältnis von 0,7 gelten als attraktiv. Symmetrische Gesichter werden als schöner empfunden als asymmetrische, denn Symmetrie gilt laut Entwicklungsbiologen als Zeichen für Entwicklungsstabilität. Im Umkehrschluss steht aber eine völlige Symmetrie der Gesichtszüge für Einseitigkeit – das Gesicht wirkt langweilig. Ist Durchschnitt schön? Andere Studien haben ergeben, dass das Schönheitsideal am stärksten dem Durchschnitt aller Gesichter des jeweiligen Kulturkreises  ähnelt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit finden wir das schön, was uns vertraut ist. 

Unser Streben nach Schönheit und Attraktivität ist jedoch keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, sondern spielt schon seit der Antike eine ganz entscheidende Rolle im gesellschaftlichen Leben der Menschen, die alles daran setzten dem gängigen Schönheitsideal möglichst nahe zu kommen. Damals verkörperte vor allem der Mann das Idealbild von Schönheit, das zwischen einem muskulösen Herkules und einem athletischen Adonis schwankte. Verglichen jedoch mit den hohen Schwankungen der weiblichen Körperideale zwischen Fruchtbarkeit und Vollweib bis hin zum knabenhaften Mädchen mit Brüsten, blieb das Bild der perfekten Männerfigur über die Jahrhunderte deutlich stabiler. 

Bei den alten Griechen galt ein schöner Körper als Statussymbol. Die Hauptrolle spielte die Ausgewogenheit der Proportionen. Fettleibigkeit war verpönt. Die Stilikonen von damals, mit denen man sich verglich, waren die unzähligen antiken Statuten, die den Menschen das allgemein gültige Schönheitsideal tagtäglich vor Augen führten: muskelstrotzende Männer, Frauen mit kleinen, knospenden Brüsten und kräftigem Becken. Die Haut der Damen sollte laut Homer „weißer als Elfenbein” sein, was Südländerinnen eigentlich nur durch Verwendung des hochtoxischen Bleiweiß erreichen konnten, die der Herren sonnengebräunt als Ausdruck einer aktiven und athletischen Lebensweise im Freien. Ähnlich wie bei den Ägyptern galt Körperbehaarung bei den Griechen und später auch bei den Römern als unästhetisch und als charakteristisches Merkmal der Barbaren. Auch heute noch wird der lästigen Körperbehaarung der Garaus gemacht mit schmerzhaftem (Intim)-Waxing und Laserbehandlungen. Auch wenn sich immer wieder mal Stars wie z. B. Julia Roberts öffentlich mit Achselbehaarung zeigen, wird sich daran vermutlich auch in nächster Zeit nichts ändern.  

Schier grenzenlos war die Zahl der griechischen Schönheitsgöttinen und -götter in der Antike. An der Spitze natürlich Aphrodite, die bei den Römern Venus genannt wurde, dann natürlich auch die mystische Helena. Heute sind die bewunderten Göttinnen der Social Media-Generation die Influencerinnen auf dem Instagram- und Tiktok-Olymp. Sie geben vor, was angesagt ist und als schön gilt. Sie werben nicht nur für einen bestimmten Kleidungsstil, sondern befeuern ein einseitiges und inszeniertes Schönheitsideal. 

Das Schönheitsideal der römischen Antike hatte starke Ähnlichkeit mit dem der Griechen. Jedoch galt Fettleibigkeit bei den Römern nicht mehr als Makel, sondern wurde vielmehr als Indiz für Reichtum hoch geschätzt. Bei den Römern spielte die Körperpflege eine zentrale Rolle, was sich allein schon an der Etablierung der grenzüberschreitenden Ausbreitung der Badekultur ablesen lässt, die die heutigen Wellness-Tempel vorweggenommen hat. Die Verwendung von Gesichtsmasken, Cremes oder Salben war ebenso Alltagsroutine bei den Damen wie der Gebrauch von Make-up, beispielsweise grüner Schminke aus Malachit, Bleiweiß für makellosen hellen Teint und Lippenstift aus Zinnober oder aus dem Schleim der Purpurschnecke. Laut Plinius dem Älteren versuchten die Römerinnen im 1. Jahrhundert n. Chr. Falten mit Eselsmilch, Pickel mit der noch warmen Plazenta einer Kuh und Gesichtsflechten mit einer Paste aus Kälber-Geschlechtsteilen zu bekämpfen. Da haben wir es heute besser, auch wenn wir bei allzu trockener Haut auf Cremes mit Urea (Harnsäure, also Urin) zurückgreifen und manche sogar Bleiche trinken für eine helle Haut oder war das nicht auch ein Mittel gegen Corona?

Der ultimative Anti-Aging-Geheimtipp der damaligen Zeit stammte von keinem geringeren als dem Dichter Ovid. Er empfahl eine Hauptpflegesalbe mit zermahlenen Hirschgeweihen. Heute steht Hyaluron statt Hirschgeweih allerorten hoch im Kurs. Viel Aufmerksamkeit legten die Römerinnen auch auf immer aufwendigere Frisuren, weil lange Haare absolute Pflicht waren. Am liebsten in der Farbe Blond, da beneideten die feinen Römerinnen die Germaninnen und halfen mit Färbemitteln aus Urin oder ätzenden Flüssigkeiten nach. 

Das Jahr 2022 hingegen gehört vor allem den Brünetten, der natürliche Look ist heute gefragt, wenn man den aktuellen Trendbarometern glauben darf.

Im Mittelalter fand unter dem restriktiven Einfluss des Christentums ein grundlegender Wandel des weiblichen Schönheitsideals statt. Mädchenhaft-schlanke, fast androgyne Körper mit kleinen Brüsten, schmalen Hüften, weißer Haut dank Mehlpuder, rosa Wangen, einem kleinen roten Mund, blauen Augen und hellblonden Haaren galten als vorbildlich. 

Ein Schelm, wer da an den ein oder anderen modernen Modedesigner denkt, der abgemagerte Size-Zero-Kleiderständer in ebendemselben Look auf den Catwalk schickt. Es war eben alles schon einmal da.

Kurvenreiche Frauen hingegen wurden im Mittelalter als  

sündhafte Verführerinnen betrachtet. Heute spricht man da in der Modebranche von Plus-Size-Models. Schminke war heidnisch und ketzerisch. 

Im Spätmittelalter kam die hohe Stirn in Mode, sprich die Haare wurden an Stirn und Schläfen bis zum Haubenansatz ausgezupft. In den USA ist heute die hohe Stirn immer noch en vogue. 

Übermäßige Körperpflege galt in Zeiten der Pest als gesundheitsgefährdend, weil man Angst hatte, sich durch zu häufigen Kontakt mit Wasser infizieren zu können. Heute in Corona-Zeiten ist ständiges Händewaschen und Hygiene absolute Pflicht. 

Die Männer präsentierten sich in Röcken und Schnabelschuhen, aus denen bunte Strumpfhosen hervorlugten. Mann zeigte gewissermaßen Bein, während die Damen ihre Beine und das sündhafte, was dazwischen lag, keusch unter langen Roben mit einer knapp unter dem Busen hochgeschnürten Taille verbargen. 

Heute ist Keuschheit keine Frage mehr. Wir haben alles gesehen, ob in Deep Throat, auf dem Cover des Sterns oder im RTL Dschungelcamp. Und schon wird ein Ende der Nacktheit heraufbeschworen. Der Playboy verzeichnet Auflagenschwund und Pirelli fotografiert lieber Karrierre-
frauen als Role Model. Rührt dies aus einer neuen Wertschätzung für Frauen her oder ist es einfach die reine Langeweile an der Nackheit?

In der Renaissance waren bei den Damen dann wieder Kurven gefragt. Starke Hüften, ein üppiger Busen und sogar ein Doppelkinn wurden als Ausdruck sinnlicher Weiblichkeit akzeptiert. Ein warmes Goldblond war die trendigste Haarfarbe, die frau durch Sonneneinstrahlung und bleichende Tinkturen erzielen konnte. Die Haut sollte schneeweiß sein, der Mund purpurrot und die Augen am besten dunkelbraun. Katharina von Medici führte das aus Cochenilleschildläusen gewonnene Rot für die Lippen- und Wangenbemalung ein. Auch Männer schminkten sich, damit sie einen vornehm blassen Teint aufweisen konnten, die Haare wurden lang und idealerweise blondgelockt getragen. 

Auch in den 2020er Jahren schminken sich immer mehr Männer. Galt das Schminken für Männer lange Zeiten (nach der Renaissance) als Tabu, ist es heute für viele Männer normal. Laut einer aktuellen Studie der Kosmetikmarke Wahl verwenden erstaunliche 20 Prozent der Männer heutzutage täglich Make-up. 

Im Barock wurden die weiblichen Rundungen noch üppiger, allerdings wurde die zunehmende Leibesfülle ab Mitte des 17. Jahrhunderts durch Korsetts in Form gepresst. 

Die Sanduhr-Figur sollte fortan für rund drei Jahrhunderte zum Inbegriff der Weiblichkeit werden. Das Gesicht der vornehmen Damen hatte kalkweiß zu sein, weshalb viele im Freien sogar Gesichtsmasken trugen – und wir beschweren uns heute über die Corona-Maskenverordnung. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. machte in Versailles für beide Geschlechter die Perücke zur Pflicht.
Waschen war erneut aus Angst vor Krankheitserregern quasi verboten, stattdessen kamen Unmengen von Puder, Cremes, Schminke oder Parfüm zum Einsatz. Nicht zu vergessen sind Flohfallen, die unter der Kleidung versteckt wurden. Schönheitsflecken aus Leder, Samt oder Seide waren nicht nur Eyecatcher, sondern halfen dabei, unschöne Pockennarben zu verbergen. Die Männer von Stand stolzierten in Rockhosen mit Seidenstrümpfen auf Pumps durch die Salons, die Blässe der Haut war Noblesse und wurde durch ausgiebige Aderlässe forciert. 

Nach der Französischen Revolution, mit Beginn der Industrialisierung wurde die Schönheit völlig neu definiert. Von nun an waren nur noch die Frauen das „schöne Geschlecht“. Für Männer war es ein absolutes No-go, sich herauszuputzen oder gar Schminke und lange Haare zu tragen. Frauen durften sich weiterhin aufhübschen, aber ein zu starkes Make-up galt als Markenzeichen der Prostituierten. Die ersten Diäten auf Basis von Essig und Zitrone tauchten auf und sollten fortan Generationen von Frauen lebenslang quälen. Diese tauchten dann in den 1980er Jahren unter dem Titel „Hollywood-Star-Diät“ wieder auf, bei der man tatsächlich nur Zitronensaft mit Wasser trinken darf.

Körperfülle wurde mit Trägheit in Verbindung gebracht, Schlankheit hingegen stand für Erfolg. Die perfekte weibliche Figur sollte durch Disziplin und Sport erreicht werden, ein natürlich gebräunter Teint war das Maß aller Dinge. In den 1920er-Jahren löste der Bubi-Kopf die langen Walla-Walla-Mähnen ab. 

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die weiblichen Schönheitsideale facettenbreiter, auch dank der verschieden Typen von Film-Ikonen wie Marilyn Monroe, Brigitte Bardot, Audrey Hepburn, Grace Kelly oder Sophia Loren. Ende der 1960er Jahre tauchte das rappeldürre Model Twiggy auf der Bildfläche auf und die Magersucht griff um sich, die in den 90er-Jahren durch den „Heroin-Chic” von Kate Moss noch weiter gepusht wurde und viele Models und normale Mädchen an den Rand des Wahnsinns brachte. Auch heute noch machen die vermeintlichen Idealmaße „90-60-90“ Frauen das Leben schwer. Genauso wie bei den Männern das Antrainieren des Sixpacks zumeist eine ewige Lebensaufgabe bleiben wird. Ein einheitliches Schönheitsideal lässt sich nur noch bedingt ausmachen. Schön ist vor allem, was gefällt. Also ist Schönheit doch Ansichtssache? Wir meinen ja. Schönheit ist so vielfältig wie das Leben und die Menschen.

Alexandra von Hirschfeld

Individualität ist schön

Drei Menschen erzählen ihre Geschichte

Martina Alles (51) macht keinen Hehl daraus, dass sie sich für die Schönheit und ihr persönliches Wohlbefinden unters Messer begeben hat. In unserer Story spricht sie ganz offen über ihre Eingriffe. Seit ihrer Pubertät war sie mit ihrem Körper, sprich ihren zu großen Brüsten, grenzenlos unzufrieden. Elementar war der Veränderungswunsch, den sie jedoch erst im Alter von 50 Jahren realisieren konnte. Mit einer Brustverkleinerung und Bauchstraffung hat sie sich einen Traum erfüllt. Seitdem genießt sie ein völlig neues Körper- und Lebensgefühl. 

Onkel (62) ist ein Mann, der in seiner Schulzeit von seinen Klassenkameraden gemobbt wurde, weil er kleiner war als die anderen. Sie hatten leichtes Spiel mit ihm, denn er hatte den Größeren nichts entgegenzusetzen, wenn sie ihn verprügelten. Er musste also etwas tun, um aus der Opferrolle herauszukommen. So kam Onkel schon in frühen Jahren zum Bodybuilding und wurde unlängst fast zum Mr. Universum gekürt. Im Interview verrät er uns alles über sein Körpergefühl und seine  Trainingsleidenschaft, die nun schon seit über 40 Jahren ungebrochen ist.  

Jojo (49) ist eine Frau, die sich nicht auf gängige weibliche Schönheitsideale festlegen lassen will. Statt langer Haare oder einem trendigen Kurzhaarschnitt trägt sie radikal Glatze und es steht ihr mindestens so gut wie einst Sinéad O `Connor. Jojo hat ihren Körper, den unzählige Tattoos zieren, zu einem Kunstwerk gemacht. Wie es dazu kam, verriet sie uns in einem offenen Gespräch.

Martina Alles: 

Mit 50 habe ich ein neues Leben angefangen

Seit der Pubertät litt Martina Alles unter ihren großen Brüsten. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und wunde Stellen waren ihre täglichen Begleiter. Mit Mitte 20 stellte sie einen Antrag auf eine Brustverkleinerung bei der Krankenkasse. Der wurde abgelehnt, sie hakte nicht nach. Mit 50 hatte sie Geld genug, um ihren Lebenswunsch zu verwirklichen. Auf die Brust-OP folgte eine Bauch-OP und ein neues Körpergefühl. Das wollte sie in einem Fotoshooting festhalten und landete mit diesem Wunsch beim Düsseldorfer Fotografen Alexander Vejnovic.

Wer „Alles“ heißt, setzt auch schon einmal alles auf eine Karte. Zumindest dann, wenn man jeden Morgen aufwacht und sich nicht wohl fühlt in seiner Haut. Bei Martina Alles drehte sich alles um ihren Körper, genauer um ihre Brüste. An dem Erbe ihrer Großmutter trug sie seit ihrer Pubertät schwer. Der Frust darüber und die Rücken- und Kopfschmerzen, die die Körbchengröße 85 f bei einer Körpergröße von 163 cm auslösten, ließ sie Trost im Essen suchen. So kletterte die Waage im Laufe der Jahre immer wieder nach oben. Dann wurde diätet, dann wieder gefuttert, denn die Brüste blieben von den Gewichtsschwankungen unbeeindruckt. Und störten sie vor allem bei ihrem Lieblingssport, beim Tennis. „Sie waren mir einfach immer im Weg und haben mich krank gemacht. Seit ich 14 Jahre war, habe ich davon geträumt, mich operieren zu lassen. Das war der größte Wunsch in meinem Leben.“ 

Als ihr Stiefvater verstarb, stand ihr Entschluss fest, ihr Erbe in eine Brust-OP zu investieren. Auch ihr Mann ermunterte sie. „Eine befreundete Arzthelferin empfahl mir die Panteum Klinik in Krefeld. Die gehört zur Heliosklinik und wird von einem Spezialisten für Plastische und Ästhetische Chirurgie geleitet.“ Ob sie Angst im Vorfeld hatte? „Die Vorfreude war größer als meine Angst. Ich habe das nur für mich gemacht. Und Corona war für mich der Auslöser, es genau jetzt anzugehen. Die Vorstellung frisch operiert im Büro zu sitzen, wäre mir nicht so leichtgefallen. Im Homeoffice ist es niemandem aufgefallen.“ 

Im Sommer 2020 ließ sie sich in der Klinik beraten und fasste Vertrauen zum dortigen Chefarzt. „Auch dass ich nach dem Eingriff drei Tage in der Klinik bleiben konnte, war für mich eine beruhigende Vorstellung. Klar, man rechnet nicht wirklich mit Komplikationen, aber wenn doch etwas schief geht, fühlt man sich in einem Klinikum besser aufgehoben.“ Im Oktober war es dann soweit. Sechs Stunden dauerte der Eingriff, bei dem der Chirurg rechts 650 Gramm Gewebe und links 580 Gramm entfernte. Martina Alles fühlte sich gut, trug drei Monate lang einen Kompressions-BH und stellte ihre Ernährung um. Sie verzichtete auf Süßigkeiten und abends auf Kohlenhydrate und nahm zehn Kilogramm ab. „Das blieb nicht ohne Folgen. Da war dann diese Bauchfalte. Mir wurde auf einmal klar, dass die Sache für mich erst abgeschlossen ist, wenn ich auch noch diese Baustelle angehe. Vielleicht hätte ich mit einem entsprechenden Training die Situation noch verbessern können. Aber die überschüssige Haut kann man am Ende dann doch nicht abtrainieren.“ 

Als sie zur Abschlussuntersuchung nach Krefeld fuhr, stand ihr Entschluss fest, ihre Problemzonen durch eine zweite Schönheits-OP anzugehen. Im Dezember 2020, also nur drei Monate nach der Brustverkleinerung, lag Martina Alles wieder unter dem Messer. Dabei wurde ein Kilogramm Fett unter der Brust, am Bauch und an der Hüfte abgesaugt, um die Bauchfalte zu glätten. 

„Das war definitiv eine andere Nummer als die Brust-OP. Die Schmerzen danach waren heftiger und direkt nach der Bauch-OP geht man eine Weile gebückt, vergleichbar vielleicht mit einem Kaiserschnitt. Und dann läuft man auch noch eine Weile mit einem Bauchgurt herum.“ Während die Narben unter den Brüsten nach kurzer Zeit fast unsichtbar waren, blieb die am Bauch ein Jahr lang rot. In dieser Zeit nahm Martina Alles weitere zehn Kilo ab. Heute wiegt sie 65 Kilogramm und trägt statt 44/46 die Konfektionsgröße 38. „Es ist definitiv ein anderes Leben. Ich habe vorher keine Bikinis bekommen und kann jetzt alles tragen: Kleider, Bermudas und T-Shirts. Ich bin einfach glücklich.“

Wie ihre Umwelt reagierte? 

Während sie die Brustverkleinerung ihren Freunden und Kollegen ohne Probleme kommunizierte, war sie bei der Schönheitsoperation am Bauch deutlich zurückhaltender. „Auf der Arbeit wussten allerdings alle Bescheid. Die meisten haben gesagt, sie würden das nicht machen und fanden es ganz schön mutig.“ Als Martina Alles im April 2021 das erste Mal wieder auf dem Tennisplatz steht, weiß sie, dass sie alles richtig gemacht hat. Zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie sich beim Tennis so bewegen wie alle anderen. „Es war schon toll, meine Tennisfreunde, die mich lange nicht gesehen hatten, sagten: Mein Gott, du hast dich ja halbiert. Aber eine hat auch gesagt: Martina, du warst auch vorher schon eine Bombe.“ 

Vor der Operation zeigte Martina Alles sich nicht so gerne, das hat sich jetzt geändert. Die Narbe ist alles, was zurückgeblieben ist.

Wie sie heute zu Schönheitsoperationen steht?

„Ich finde nicht alles gut. Aus meiner Lebensgeschichte heraus kann ich zum Beispiel nicht verstehen, wie sich eine Frau Riesensilikon-Brüste machen lassen kann. Hätte ich allerdings so Falten in den Mundwinkeln wie Angela Merkel, würde ich vielleicht doch etwas machen lassen.“ Im Freundeskreis redet sie so offen über ihre positiven Erfahrungen, dass eine ihrer Freundinnen bereits nachgezogen hat. 

Martina Alles (51) ist gelernte Steuerfachangestellte und ließ sich zur Bilanzbuchhalterin fortbilden. Sie arbeitete in der mobilen Pflege, in Einrichtungen für Behinderte, Erwachsene, in der Drogenhilfe und der Schuldnerberatung. Seit 2020 ist sie für eine Einrichtung mit Altenheimen und sozialer Betreuung in Moers tätig. In Moers ist auch ihr Tennisverein. Sie wohnt mit Mann und Sohn in Duisburg. 

Wer hatte die Idee zum Fotoshooting? 

„Mein Mann kam ein Jahr nach der Bauch-OP auf die Idee, weil er meinte, dass ich doch jetzt so toll aussehe und mich so wohl in meiner Haut fühle.“ Erst wollte sie nicht, hatte Hemmungen. Dann sah sie ein Video über Aktshootings auf der Website des Düsseldorfer Fotografen Alexander Vejnovic. Das überzeugte sie. „Außerdem hat er zunächst nur Fotos gemacht, auf denen ich angezogen war. Und er hat es geschafft, dass ich mich auch später nie nackt fühlte.“ Eigentlich wollte Martina Alles ihren Mann mit den Aktfotos zu Weihnachten überraschen. Aber das hat sie dann nicht ausgehalten. Sie schenkte ihm die Fotos noch am selben Tag. 

Susan Tuchel

No pain no gain! 

Das Leben ist zu kurz, um untrainiert zu sein

Mr. Universum (engl. Mr. Universe) ist einer der höchsten Titel im Bodybuilding. Onkel, der liebevoll von allen in der Szene so genannt wird, wollte es noch einmal wissen. Seit über 42 Jahren betreibt er Bodybuilding auf hohem Niveau. Onkel ist eine absolute Koryphäe und hat schon alles gewonnen, was man nur gewinnen kann: Deutscher Meister, Europameister, NRW-Meister und und und …. Der Mr. Universum-Wettkampf sollte sein letzter sein und natürlich wollte er als Champion in seiner Altersklasse (Ü 60) von der Bühne abtreten. Umso schmerzlicher war es für ihn, dass er ausgerechnet „nur“ auf dem zweiten Platz landete. 

Du bist Zweiter geworden bei Mr. Universum,
das ist ein großartiger Erfolg.

Es hat mich aber doch getroffen, dass ich so knapp am Sieg vorbeigerauscht bin, das muss ich zugeben. Alles war perfekt. Ich wäre lieber Fünfter als Zweiter gewesen. Man ist so nah dran. Als Fünfter hätte ich ja noch sagen können, o.k. da hattest du eben keine Chance. Aber so?  Hinzu kommt, dass ich schon zweimal Zweiter bei der Weltmeisterschaft war. Diesmal wollte ich auf dem Siegertreppchen stehen. Aber es sollte einfach nicht sein. 

Der ewige Zweite… 

Wie fing das überhaupt bei dir mit dem Bodybuilding an? Gab es einen Auslöser?

Angefangen habe ich schon als Junge. Ich war ca. 14 Jahre und war körperlich sehr klein. Da wurde ich von den größeren Jungs – und alle waren größer als ich – ziemlich herumgeschubst. Ich war das perfekte Mobbing-Opfer und habe eine ganze Zeit sehr darunter gelitten. Irgendwann hat es mir dann gereicht. Ich wusste damals nicht, ob ich noch viel größer werde, aber stärker wollte ich auf jeden Fall werden. Dann habe ich angefangen zu trainieren. Zuerst ganz primitiv mit einem Besenstil und einem Eimer an jeder Seite, in die ich Beton gegossen habe. Das war meine erste Lang-hantel. Das Training hat sich schon nach sechs, sieben Monaten positiv bemerkbar gemacht. In den folgenden Jahren habe ich sehr viel trainiert und schließlich festgestellt, ich bin gar nicht mehr so klein. Und dann habe ich es allen, die mich als Kind verprügelt haben, zurückgegeben. 

Wie hast du das gemacht?

Ich will dir ein Beispiel geben. Als junger Mann war ich mit zwei Freunden nach dem Training in einem Restaurant. Da fiel mir auf, dass der Kellner ein ehemaliger Mitschüler von mir war. Er hieß Kiki, war groß und stark, vier Klassen über mir und hatte mich als Kind dazu gezwungen, ihm meine Pausenbrote zu geben. Jetzt, einige Jahre später als Erwachsener erkannte er mich nicht wieder. Ich ihn aber schon. Wir haben etwas zu trinken bestellt und dann kam Kiki, der Kellner, mit seinem Tablett und verteilte die Getränke. Als er damit fertig war, habe ich ihm eine schallende Ohrfeige gegeben und er ist auf seinem Popo gelandet. Er fragte mich, warum ich das gemacht habe. Da habe ich ihm gesagt, wer ich bin und ihn an die alte Geschichte aus unserer Kindheit erinnert. Er hat sich bei mir entschuldigt und sagte: ,In der Jugend macht man viele Dummheiten, jetzt sind wir erwachsen und machen immer noch Blödsinn.‘ Danach haben wir uns vertragen und sind bis heute richtig gute Freunde.

Das Training ist dann für dich zum Selbstzweck geworden. Kannst du dir vorstellen, irgendwann damit aufzuhören?

Nein, ich will gar nicht damit aufhören. Ich werde auch mit 90 noch trainieren, wenn ich so alt werde. Es gibt mir Selbstvertrauen, ich fühle mich gesund. Ich bin jetzt 62. Wenn ich andere Männer aus meinem Jahrgang sehe, haben die meisten schon viele körperliche Probleme. Ich habe fast überall Titan in meinem Körper, bin aber topfit.

Wieso überall Titan?

Aufgrund eines Motorradunfalls habe ich zwei künstliche Hüften und drei Wirbel aus Titan. Die Ärzte sagten zu mir ,nie wieder Sport‘, aber ich habe mich nach drei Tagen selbst entlassen und bin direkt wieder ins Fitnessstudio zum Training gegangen. Danach habe ich die Deutsche Meisterschaft gewonnen – und das mit einer teilweise künstlichen Wirbelsäule. 

Hast du ein spezielles Erfolgsrezept oder eine besondere innere Haltung?

Ich habe einfach einen starken Willen und ich weiß, was ich tue. Ich habe Sport studiert an der Sporthochschule in Köln und arbeite hauptberuflich als Physiotherapeut, Fitness- und Rehatrainer. Da ich das schon so lange mache, habe ich natürlich viel Erfahrung und kenne auch meinen eigenen Körper in- und auswendig. Weil ich genau weiß, wie mein Körper reagiert, kann ich mein Training optimal auf meine Bedürfnisse anpassen. 

Wieviel trainierst du in der Woche?

Es kommt darauf an. Ich versuche mindestens fünf Mal richtig zu trainieren, aber meistens ist es mehr. Auch wenn ich mit meinen Kunden arbeite, ist das ja schon Training. Aber es macht mir immer großen Spaß. Ich habe noch nie gesagt, heute habe ich keine Lust. 

Wie hoch ist dein Körperfettanteil?

Momentan habe ich ca. 10 Prozent Körperfett.

Das ist ziemlich wenig.

Es gibt eine Richtlinie, bei Männern sind 11 bis 20  Prozent Fett optimal, bei Frauen 19 bis 28 Prozent Fett. Frauen haben eben einen höheren Körperfettanteil aufgrund der Schwangerschaft, Brust usw. Im Wettkampf habe ich teilweise nur noch
3 bis 5 Prozent Fett. Alexandra von Hirschfeld

Tattoos sind wie Geschichten 

Sie symbolisieren die wichtigen Momente im Leben  

Jojo ist 49 und ein gefragtes Model, weil sie ein ganz besonderer Typ Frau ist. Den Kopf kahlgeschoren, den Körper zieren unzählige Tattoos in leuchtenden Farben – und jedes einzelne hat eine besondere Bedeutung. Im Interview verriet sie uns, wie es zu ihrer Tattooleidenschaft kam und was Schönheit für sie ausmacht. 

Wann hast du dir das erste Tattoo stechen
lassen? Was zeigt es?

Das war mit 18. Es war eine Rosenblüte über dem Po. Das war ein absolutes Desaster, denn leider ist sie nicht so gut geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wahrscheinlich werde ich sie in Kürze in ein anderes Tattoo integrieren oder covern lassen. 

Die Zeiten haben sich aber auch geändert. Früher ist man in ein Tattoo-Studio gegangen und hat sich sein Motiv aus einem Vorlagenbuch ausgesucht.  Heute entwirft man sein Tattoo selbst.

Gab es für die Rosenblüte einen
besonderen Grund?

Ich war gerade 18 geworden und fühlte mich frei. Ich musste meine Eltern nicht mehr um Erlaubnis bitten, sondern konnte selbst für mich entscheiden. Das fand ich cool.

Dann sind weitere hinzugekommen…

Ja, es folgten zunächst zwei weitere kleinere Tattoos, ein Schmetterling am Knöchel und ein Teufel am Schulterblatt. Den habe ich bereits covern lassen, weil er recht klein war und ziemlich verschwommen wirkte. Er wird nun von einem Pin-up-Girl in einer Blumenranke überdeckt. Danach habe ich eine Pause gemacht und erst vor zehn bis elf Jahren wieder angefangen mich weiter tätowieren zu lassen. Das erste Tattoo war ein Engelsflügel am linken Oberarm, der die Namen meiner sechs Kinder umschließt und sie schützen soll. Mein Lieblingstattoo ist ein Portrait meiner Eltern. Dazu haben wir ihr Hochzeitsbild als Vorlage verwendet. Sie sind vor elf Jahren verstorben und mein Mann und meine Kinder haben mir das Tattoo geschenkt. Jetzt habe ich meine Eltern immer bei mir. 

Wieviele Tattoos hast du insgesamt?

Das weiß ich nicht, das kann ich gar nicht mehr zählen. 

Präferierst du einen speziellen Stil?

Nein, sie sind alle unterschiedlich, nur bunt müssen sie sein, ich habe wenig in Schwarzweiß.

Was fasziniert dich am Tätowiert werden?

Ich finde, das ist eine Kunst für sich. Wenn die Tätowierer loslegen, weiß man ja am Anfang nicht, was dabei herauskommt. Es ist faszinierend, wie sie mit den Farben umgehen und wie nach und nach genau das Bild entsteht, das ich mir vorgestellt habe. Für mich ist es auch extrem wichtig, den richtigen Tätowierer zu finden. Ich habe ein Portrait von mir selbst auf dem Oberschenkel, darauf habe ich viele Monate gewartet, bis der Tätowierer, den ich mir ausgesucht hatte, nach Deutschland kam. Und das Warten hat sich gelohnt, das Tattoo ist perfekt geworden.

Tattoos sind ja mittlerweile gesellschaftsfähig geworden, aber immer noch lehnen einige Menschen das ab. Hast du auch schon mal negative Erfahrungen gemacht?

Bis jetzt noch nicht. Zu den Tattoos habe ich ja auch eine Glatze, aber bisher haben alle positiv reagiert. Auch ältere Menschen sprechen mich darauf an und sagen mir, wie toll sie meine Tattoos und meine Frisur finden. Manche sagen auch, dass ich ein Kunstwerk sei.

Du bist 49, Mutter von sechs Kindern und bemerkenswert gut in Form … wie hältst du dich fit?

Gerade mache ich gar nichts. Früher habe ich viel Sport gemacht, Fitness, Zumba, Laufen usw. Seit ein paar Jahren, auch durch mehrere Bandscheibenvorfälle, ist das etwas eingeschlafen, ich müsste dringend wieder anfangen.

Sind deine Kinder auch tätowiert?

Teilweise ja. Unserer einen Tochter haben wir ein Tattoo zum 18. Geburtstag geschenkt, damit sie nicht zu irgendeinem Billig-Tätowierer geht.  Mit meinen zwei Töchtern habe ich ein Mutter-Töchter-Tattoo in Spanien machen lassen, „Zimtzicke“, auf Spanisch heißt das puñetera. Da war die Jüngere erst 16 Jahre alt, ich habe meinen Mann überredet sein Einverständnis zu geben, denn eigentlich wollten wir es unseren Kindern erst ab 18 Jahren erlauben.

Wie wichtig ist dir dein Körper, deine Attraktivität?

Momentan ist mir das nicht so wichtig. Ich bin sehr viel ungeschminkt, was auch damit zusammenhängt, dass man wegen Corona gar nicht so viel rauskommt. Grundsätzlich bin ich aber auch kein eitler Mensch. Bei Shootings müssen mich die Fotografen vorher manchmal daran erinnern in den Spiegel zu schauen.

Was bedeutet Schönheit für dich?

Sich in sich selbst wohlzufühlen, mit sich selbst zufrieden zu sein. Das ist man ja manchmal mehr oder weniger im Leben. Momentan bin ich nicht ganz zufrieden mit mir selbst, mir fehlt eben der Sport.

Alexandra von Hirschfeld

zur Ausgabe 1 2022

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