Als Ehefrau des amtierenden Düsseldorfer Oberbürgermeisters
Thomas Geisel ist sie ist eine Person des öffentlichen Lebens. Wie
Dr. Vera Geisel zur Krise steht, wie der Familienalltag im aktuell
siebenköpfigen Haushalt abläuft, was sie bewegt und was sie sich wünscht, das verriet sie uns in diesem Interview.

Natürlich kommen wir auch noch auf Corona zu sprechen, aber zunächst möchte ich wissen, was Ihre aktuelle Aufgabe als Juristin bei der ThyssenKrupp AG in Essen ist? Dem Konzern gehöre ich seit 19 Jahren. Allerdings stand für mich schon vor der Corana-Krise fest, dass ich thyssenkrupp  im Frühjahr verlassen werde, weil ich mich beruflich neu orientieren möchte. Derzeit leite ich bei der thyssenkrupp AG als Head of Personnel Service and Labor Relations die Verhandlungen mit dem Betriebsrat zur Reorganisation der Holding und führe ein Freiwilligenprogramm für diejenigen Mitarbeiter durch, die sozialverträglich das Unternehmen verlassen möchten. Die Situation ist für den Konzern im Moment nicht einfach und einige Unternehmen werden aufgrund der Corona-Krise Kurzarbeit beantragen müssen. 

Damit wären wir doch schon beim Thema Corona. Sind Sie auch von der Kurzarbeit betroffen? 

Nein, ich arbeite Vollzeit und fahre jeden Tag nach Essen, was für mich mit den vier schulpflichtigen Kindern zu Hause auch definitiv die bessere Lösung ist. Aber die Mitarbeiter, die ich betreue, sind im Home-Office. Alles läuft digital ab per Web-, Video- und Telefonkonferenz. Mir fällt das nicht ganz so leicht. Einerseits ist das Bürogebäude geradezu gespenstisch leer, die Kantine geschlossen, die Kaffeeautomaten nicht in Betrieb. Ich habe lieber echte Kontakte, sehe die Menschen lieber vor mir. Vieles ist einfacher, wenn man sich in die Augen sehen kann. 

In Pempelfort sind Sie Head of Family einer 6-köpfigen Familie und zwar nicht irgendeiner Familie, sondern der „First Family“ der Stadt Düsseldorf.  Wie läuft Ihr Alltag derzeit ab, wie organisieren Sie Ihr Familienleben? Sitzen die Mädchen (15, 15, 13 und 9 Jahre alt) morgens hübsch angezogen am Frühstückstisch, Ihr Mann rast zu Terminen, die Töchter setzen sich brav an den digitalen Lernstoff und nach dem Abendessen  gibt es ein Hauskonzert mit Thomas Geisel (Querflöte), Vera Geisel (Geige) und Maria (Klavier) und abends tönt es durch Ihre Wohnung in dem Mehrfamilienhaus „Gute Nacht Thomas  – Gute Nacht Vera“? (lacht) Ganz so idyllisch ist es nicht. Das einzig Gute ist, dass mein Mann zur Zeit nicht mehr um halb fünf, sondern erst um 6.00 Uhr aufsteht. Unsere jüngste Tochter haben wir in den Online-Unterricht eingewiesen, das klappt ganz gut. Sie hat dadurch feste Schulzeiten. Die anderen drei erhalten ihre Hausaufgaben per E-Mail. Die bekomme ich morgens nicht so gut aus dem Bett. Abends frage ich dann, ob die Aufgaben erledigt sind. Die Kinder versorgen sich tagsüber weitgehend selbst. Im Moment wohnt auch noch mein Neffe bei uns, deshalb sind wir sogar zu siebt. Abends wird meist gemeinsam gekocht. Das war seit Jahren nicht mehr der Fall. Und tatsächlich spielt mein Mann manchmal Querflöte und die Kinder haben Online-Klavierunterricht, aber bis wir abends mit allem fertig sind, reicht die Zeit einfach nicht mehr für ein Hauskonzert.

Mit dem Gastbeitrag „Lange hält das unser Land nicht aus“ in der Rheinischen Post vom 25. März ist Ihr Mann massiv in die Kritik geraten. Bekommen Sie diesen Unmut auch ab, sprechen die Menschen Sie darauf an? Werden Sie in Sippenhaft genommen? Nein, außerdem gab es mehr positive als negative Stimmen. Ich bekomme in meinem Umfeld mit, wie sehr die Menschen mit kleinen Geschäften an der Situation leiden vom Nagel- und Kosmetikstudio bis zum Frisör, von der Hotellerie bis zum Veranstaltungsgewerbe. Die ersten Betriebe mussten bereits Insolvenz anmelden. Ich finde die Diskussion, die mein Mann damit angestoßen hat, völlig berechtigt. In dem Artikel ist auch die Rede davon, dass zu befürchten ist, dass die jungen Menschen gegen die Hypotheken auf die Zukunft rebellieren werden. Wir haben diese Punkte mit vielen jungen Menschen und auch mit unseren Kindern diskutiert. Und wir haben gemerkt, dass wir ihnen diese massiven Einschränkungen des öffentlichen und sozialen Lebens nicht vermitteln können. Ein O-Ton unserer Töchter: „Bei Corona erwartet ihr die volle Solidarität von uns. Wo ist die Solidarität der Alten mit den Jungen, wenn´s um den Klimaschutz geht?“ Mit dieser Frage werden wir uns auseinandersetzen müssen, ob uns das gefällt oder nicht.

© Alexander Vejnovic, das-fotostudio-duesseldorf.de

Vera Geisel

Vera Geisel wurde in Essen geboren und wuchs in einem konservativen Elternhaus auf. Sie lernte Geige und Klavier und spielte in einem Orchester. Trotz der musikalischen Ausbildung entschied sie sich für ein Jurastudium. Sie studierte an der Valdosta State University in Georgia (USA), absolvierte Praktika in Riga und bei der Europäischen Kommission und legte ihr erstes Staatsexamen an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster ab. Ihre Doktorarbeit schrieb sie an der Universität Hamburg. Über ihren Vater lernte sie Thomas Geisel kennen, beide arbeiteten bei der Ruhrgas AG. Seit 2001 ist Vera Geisel bei thyssenkrupp und hier seit über 10 Jahren im Personalbereich tätig, 2003 zog sie nach Düsseldorf Pempelfort. Das Ehepaar bekam Zwillingsmädchen und zwei weitere Töchter. Dr. Vera Geisel ist u. a. Schirmherrin vom Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland, Düsseldorf, Botschafterin des Deutschen Kinderschutzbundes OV Düsseldorf e.V., Schirmherrin der Werkstatt Lebenshunger e. V., Düsseldorf, der Loop Kinder- und Jugendhilfe und von HISPI – Das Lernhaus. 

Ist die Kommunalwahl im September zurzeit überhaupt noch ein Thema bei Ihnen? Wären Sie gerne weiterhin „First Lady“ oder wünschen Sie sich insgeheim mehr Familienleben und weniger Außentermine? Im Moment liegt der Fokus eindeutig darauf, wie wir in Düsseldorf die Krise bewältigen. Ich persönlich habe die letzten Jahre als sehr schön empfunden und würde meinen Mann auch in seiner nächsten Amtszeit unterstützen, wenn er denn wiedergewählt wird. So etwas kann man machen, wenn die ganze Familie dahintersteht und das ist bei uns der Fall.

Noch einmal zurück von der Politik ins Private. Wie organisieren Sie aktuell Ihre Einkäufe? Bestellen Sie abends in Restaurants und Geschäften, um die lokale Gastronomie zu unterstützen? Und eine Frage, die ich mir auch nicht verkneifen kann: Wie ist es um Ihre Toilettenpapiervorräte bestellt? Samstags kaufe ich ein, in der Woche die Kinder. Gerade gestern Abend haben wir unser Essen im Restaurant bestellt, weil wir den Aufruf natürlich unterstützen. Und in der Tat hatten wir einen kurzfristigen Engpass beim Toilettenpapier. Aber zwei Tage später hatte sich die Lage wieder entspannt.  

Dass Sie den Kopf angesichts der Krise in den Sand stecken, kann ich mir nicht vorstellen. Aber gibt es auch Augenblicke, in denen Sie die Angst übermannt? Sorgen Sie sich z. B. um die Gesundheit Ihrer Angehörigen? Haben Sie selber Angst sich zu infizieren und auszufallen? Ich habe keine Angst davor, mich anzustecken. Wir sorgen dafür, dass meine Eltern und mein Schwiegervater in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Unsere Haushaltshilfe kommt aktuell auch nicht zu uns, aber wir gehen für sie einkaufen. Freunde kommen im Moment nicht zu uns, aber hin und wieder Freunde unserer Kinder. Es geht ja nicht, die Kinder dauerhaft einzusperren. 

Was hat die Krise schon heute für Sie in Ihrem Gefühlsleben verändert? Was sehen Sie heute anders als vor zwei Wochen? Ich habe Angst vor Kontaktverboten und vor den weitreichenden Konsequenzen. Und was wird denn am 19. April geschehen? Was will man denn da machen? Was passiert mit den Schülern, wenn sie nur noch virtuell class-room haben? Auch wenn der Online-Unterricht im Moment ganz gut funktioniert, ist das auf Dauer keine Lösung. 

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich wünschen? Dass die Corona-Krise möglichst schnell vorübergeht, dass wir die schützen, die in Gefahr sind, und wir schnell einen Weg zurückfinden in die Normalität.
Susan Tuchel

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