Aus dem Alltag eines Türstehers

 

Fotos: Alexander Vejnovic

 

Das Verhältnis der Öffentlichkeit zu Türstehern und Security-Mitarbeitern ist widersprüchlich. Sie werden zuweilen wegen ihrer Grobheit und Willkür gefürchtet und gehasst – aber oftmals auch als starke Beschützer und Retter in der Not bewundert. Doch geht es bei der Arbeit eines
Türstehers tatsächlich vorrangig um Gewalt? Stimmen die Klischees über den muskelbepackten Grobian, von dem man „Du kommst hier nicht rein!“ zu hören bekommt – oder gehört deutlich mehr dazu, um diesen Job ausführen zu können? ZOO:M sprach mit einem Insider, der seit Jahren in der Altstadt an vorderster Front seinen Dienst versieht. Nennen wir ihn Norman A., denn er möchte lieber anonym bleiben, und lassen uns von ihm schildern, wie er die harte Realität an der Tür in der Düsseldorfer Altstadt erlebt, in der die Gewaltbereitschaft immer mehr zunimmt.

 

Wann und wie kam es bei dir zu der Entscheidung, Türsteher zu werden?

Das Ganze fing so 2013 an. Ich hatte mehrere Bekannte, die in dem Bereich bereits tätig waren. Die sind dann auf mich aufmerksam geworden – wegen meiner Statur und weil ich mich vernünftig artikulieren konnte. 2013 habe ich dann in Köln angefangen, an der Tür zu arbeiten. Das ging von 2013 bis 2016. Ich habe dann lange Zeit aufgehört – und bin jetzt seit drei Jahren Türsteher in Düsseldorf. Zuerst habe ich bei Bekannten auf Veranstaltungen ausgeholfen. Die Zeit in Köln hat mich gelehrt, gelassen an die Arbeit heranzugehen. Das ist notwendig, da in Köln viele verrückte Leute und Gangs tätig sind. Allerdings geht die Düsseldorfer Altstadt langsam in die gleiche Richtung.

 

 

 

 Welche Voraussetzungen sind für diese Tätigkeit erforderlich – physisch, mental und gesetzlich? 

Man muss eine gewisse Robustheit haben. Es geht nicht darum, den Leuten Angst einzujagen, aber man muss eine Ausstrahlung haben, damit die Menschen, die vor dir stehen, dich auch ernst nehmen. Natürlich sollte man sich auch artikulieren können. Türsteher sollen deeskalieren. Leider agieren manche Kollegen gegenteilig und verschlimmern die Sache. Wenn ich z. B. in einer fremden Stadt in einen Club möchte und ein arroganter Türsteher mich vor meiner Freundin bloßstellen will, mucke ich natürlich zurück. Solch ein Benehmen eines Türstehers ist komplett falsch. Ich kann nach meiner eigenen Erfahrung 95 Prozent der Situationen durch Reden lösen. Wenn man auf die Leute eingeht und ihnen die Umstände vernünftig erklärt, merkt man, dass die Anderen eigentlich auch keine Lust haben, sich zu fetzen. Aber leider gibt es auch Menschen, die Freundlichkeit mit Schwäche verwechseln. Daher muss man manchmal handgreiflich werden, was ich sehr schade finde.

Ist ein Zertifikat durch die IHK zwingend erforderlich?

Das ist der Fall, wenn man für eine Security-Firma arbeitet. Ich habe zwar die ganzen Lizenzen, benötige sie für meinen Job aber nicht, da ich direkt für den Ladeninhaber arbeite.

Dein Arbeitsumfeld, die Düsseldorfer Altstadt, gilt von jeher als sehr problematisch. Was sind die typischen Aufgaben, die du und deine Kollegen zu bewältigen haben?

Natürlich sind da immer die Betrunkenen. Und seit ca. zwei Jahren gibt es viele kleine Gruppierungen – in der Regel sechs bis acht junge Männer in Jogging-Anzügen, die in die Altstadt gehen, um den Larry zu machen. Man kriegt mit, dass solche Gruppen grundlos ein bis zwei Personen angreifen und schlagen. Wir Türsteher dürfen da nicht aktiv eingreifen, da es sonst heißt, dass wir mitgemischt haben. Wir können nur versuchen, mit Worten zu beschwichtigen oder die Polizei anzurufen.

Waren die Arbeitsbedingungen stets gleich oder haben sie sich über die Jahre hinweg verändert?

Die Leute sind generell respektloser und gewaltbereiter geworden. Als ich aktiv in Clubs ging, hat man ein „Nein“ vom Türsteher akzeptiert und nicht groß diskutiert. Heutzutage wird beleidigt und provoziert. Wenn ich als Farbiger rassistische Beleidigungen ignoriere, werden die Personen manchmal aggressiv – und greifen teilweise ohne Hemmungen zu Bierflaschen oder Steinen. Mir macht meine Arbeit wirklich Spass, da wir viel mit den netten Kunden lachen. Die gibt es ja auch, das darf man nicht vergessen. Aber man muss immer auf der Hut sein. Es kommt vor, dass ein Abgewiesener nach einer Stunde zurückkommt und mit einer Flasche angreift. Solche Sachen machen die Arbeit gefährlich. Die Tätergruppen sind ethnisch und sozial bunt gemischt – und in der Regel zwischen 18 und 25 Jahre alt. Ich frage mich da oft: „Interessant, wie du dich gerade benimmst. Was würden deine Eltern dazu sagen?“

Was müsste aus deiner Sicht geschehen, um die Altstadt sicherer zu machen?

Es braucht mehr Polizeipräsenz. Damit die Altstadt sicherer wird, müssen mehr Streifen regelmäßiger durch die Altstadt gehen. Die Polizei weiß auch, wo die Problemzonen sind, z. B. Bolkerstraße oder Rheintreppe. Da müsste regelmäßig viel mehr Präsenz sein. Sonst wissen die Täter, dass sie ein Zeitfenster von ein bis zwei Stunden haben, in denen sie tun können, was sie wollen. Alle Türsteher fragen sich, warum bei einer Schlägerei es bis zu 30 Minuten dauert, bis die Polizei eintrifft, obwohl die Wache nur zehn Minuten entfernt ist.

 

 

Was war dein bisher dramatischstes Erlebnis als Türsteher?

An Karneval war ein Paar im Club. Der Mann hatte einen Rucksack an. Wir baten ihn, den Rucksack an der Garderobe abzugeben, damit er die anderen Gäste beim Tanzen nicht anrempelt. Nach einer Stunde kam der erste Gast und beschwerte sich über einen Mann, der auf der Tanzfläche die Leute mit seinem Rucksack anrempelt. Das war der Gast, den wir vorher gebeten hatten, seinen Rucksack abzugeben. Wir ermahnten ihn freundlich und er versprach, den Rucksack sofort abzugeben. Ich gebe immer zwei Chancen, bevor ich einschreite. Als eine halbe Stunde später die nächste Beschwerde kam, sagte ich nochmal Bescheid. Als dann weitere Beschwerden kamen, warf ich ihn mit seiner Freundin aus dem Club. Schließlich hatte ich ihm vorher erklärt, warum ich wollte, dass er den Rucksack ablegt – und ich muss auf die Wahrung meiner Autorität achten. Eine Stunde später: Ich beugte mich gerade nach rechts, um mit einem Gast zu sprechen, da schlug plötzlich neben meinem Kopf eine Bierflasche gegen die Wand. Einige Leute hatten den Gast mit dem Rucksack als Flaschenwerfer erkannt. Ich war so wütend, dass ich ihn mit der Faust niederschlug. Kurz darauf kam die Polizei, da ein Mann sich beschwert hatte, er wäre von einem Türsteher geschlagen worden. Ich gab zu, ihn geschlagen zu haben, da er versucht hatte, mir eine Bierflasche ins Gesicht zu werfen. Es gab Zeugen und mehrere Überwachungskameras. Der Polizistin, die mich befragte, habe ich gesagt, dass er mich ruhig anzeigen kann. Aber dann würde ich eine Gegenanzeige machen, mit Zeugen und Überwachungsaufnahmen als Beweis. Kurze Zeit später meinte die Polizistin, der Flaschenwerfer würde von einer Anzeige absehen. Es war nicht gut, dass ich mich in dem Moment nicht beherrschen konnte, aber es ging um eine Flasche, die nach meinem Gesicht geworfen wurde.

Hast du manchmal Angst, wenn du weißt, dass in der kommenden Nacht wieder eine schwere Schicht bevorsteht?

Angst habe ich nicht, da ich weiß, worauf ich mich einlasse. Das Entscheidende ist und bleibt die Kommunikation. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Ein Türsteher, der sich schlecht benimmt, muss sich nicht wundern, wenn er Schläge kriegt. Man kann so groß und stark sein wie man will, aber es kann ein kleiner, unscheinbarer Typ vor dir stehen, der sich als Psychopath entpuppt und versucht, dir in die Kehle zu beißen. Um solche Situationen zu vermeiden, sollte man nicht nur kämpfen, sondern vor allem reden können.

 

 Kannst du guten Gewissens den Job als Türsteher empfehlen?

Wer in jungen Jahren die verbalen und kämpferischen Fähigkeiten hat und eine gewisse Zeit lang Lust auf Action hat, kann das machen. Man lernt viele Leute, z. B. schöne Frauen kennen, hat Spaß, bekommt Geld und Freigetränke. Aber man muss auch die Kehrseite kennen. Eine Situation kann jederzeit kippen. Dann wird es sehr gefährlich. Dauerhaft kann ich nicht zu diesem Beruf raten.

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