Fotos: Rheinbahn AG
Die Rheinbahn setzt auf reale Transformation statt auf Science‑Fiction
Stau in der Innenstadt – warum nicht einfach mit Autos durch die Luft fliegen? So stellen sich Kinder in einem TV-Spot die Zukunft der Mobilität vor. In der Realität plant die Rheinbahn (noch) keine Lufttaxis, sondern investiert in emissionsfreie Elektrobusse, Wasserstofftechnik und moderne Stadtbahnen. Dahinter steht Vorständin Annette Grabbe, die oft selbst in Düsseldorf im öffentlichen Personen-Nahverkehr unterwegs ist – als Straßenbahnfahrerin oder als Fahrgast.
Annette Grabbe kam 2023 zur Rheinbahn. Ihre Agenda beschreibt sie offen: Die wichtigste Aufgabe sei es, die Rheinbahn fit für die Zukunft zu machen, damit die Mobilitätswende gelingen könne. Dazu gehören laut Grabbe die Dekarbonisierung der Busflotte, intelligente Strategien gegen Fachkräftemangel, die Modernisierung der Infrastruktur und die Digitalisierung. Sie denkt dabei über die Stadtgrenzen hinaus. „Die Rheinbahn muss städteübergreifend planen und mehr Menschen für den Nahverkehr gewinnen“, sagt Grabbe und arbeitet längst daran.
Die Mobilitätsexpertin sieht die Stärke der Rheinbahn in ihren Mitarbeitern und setzt sich für eine bessere interne Vernetzung und die Einbindung von Mitarbeitern und Stakeholdern ein. Doch die Mobilitätswende stellt das Unternehmen nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell vor große Herausforderungen. Grabbe betont, dass kein Verkehrsbetrieb in Deutschland kostendeckend arbeite; die Region brauche einen attraktiven Nahverkehr, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür müssten Bund und Länder sich stärker an der Finanzierung beteiligen. Gleichzeitig will die Rheinbahn ihre internen Kostenstrukturen beleuchten, hinterfragen und optimieren.
„Die eigentliche Mobilitätswende beginnt nicht auf der Straße, sondern im System dahinter.“
Annette Grabbe, Vorständin Rheinbahn AG
Nicht nur Heerdt ist elektrisiert
Im September 2025 eröffnete die Rheinbahn auf ihrem Betriebshof in Düsseldorf-Heerdt einen E‑Bus‑Port, eine Anlage, die weit mehr ist als eine Garage. Auf 5.500 Quadratmetern entstanden zwei Abstellhallen, eine Wartungshalle und darüber ein Technikgeschoss mit Transformatoren, Lade‑ und Gebäudesteuerung. Das Dach ist begrünt und trägt 501 Solarmodule. Diese erzeugen jährlich rund 195 Megawattstunden grünen Strom und sparen rund 66 Tonnen CO₂ ein. Die Anlage ersetzt eine durch den Brand im Jahr 2021 zerstörte Halle. Die Planung dauerte 18 Monate, die Bauphase zwei Jahre – und sie musste bei laufendem Betrieb mit engen Platzverhältnissen bewältigt werden. Und als wäre das nicht schon Herausforderung genug, stieß das Projektteam beim Bau auf Rückstände des Löschschaums vom Brand– eine Altlast, die aufwendig entsorgt werden musste. Über zehn Kilometer Kabel, drei Schnelllader mit jeweils 300 Kilowatt Leistung und ein intelligentes Lastmanagement versorgen heute 60 Ladepunkte mit insgesamt vier Megawatt Energie. Parkt ein Bus ein, fährt automatisch ein Pantograph aus dem Dach und dockt an die Ladehaube in der Decke des Bus-Ports an. „Mit dem neuen E‑Bus‑Port haben wir in Heerdt jetzt den ersten Betriebshof, der konsequent auf E‑Mobilität ausgelegt ist. Seine Fertigstellung ist ein Meilenstein auf dem Weg zu abgasfreier und leiser Mobilität“, erklärt die Rheinbahn-Vorständin. Die Mobilitätswende hat ihren Preis: Der Depot‑Neubau schlägt mit 24 Millionen Euro zu Buche, die zu 90 Prozent vom Land NRW über den Verkehrsverbund Rhein‑Ruhr gefördert werden. Ein Preis, der sich in sauberer Luft und leiser Mobilität auszahlen soll.
Wasserstoff in Bewegung
Während in Heerdt die Batteriebusse laden, tanken im Osten der Stadt die Wasserstoffbusse. Ende Mai 2025 eröffnete H2 Mobility eine Hochleistungs‑Tankstelle am Höherweg. Sie liefert bis zu fünf Tonnen Wasserstoff am Tag und kann drei Fahrzeuge gleichzeitig betanken. Die Rheinbahn betreibt 20 Brennstoffzellen‑Busse, die mit Wasserstoff fahren. Bisher mussten sie zum Tanken bis nach Reisholz fahren. Nun liegt die Zapfsäule in unmittelbarer Nachbarschaft zum Depot Lierenfeld und sorgt für mehr betriebliche Flexibilität.
Für Annette Grabbe ist das eine wichtige strategische Ergänzung der Mobilität von morgen: „Mit der Inbetriebnahme der Wasserstofftankstelle sind wir infrastrukturell so aufgestellt, dass wir unsere Wasserstoffbusse flexibel und effizient betanken und sie zuverlässig im Linienbetrieb einsetzen können. Die Fahrzeuge haben sich im Alltag bereits bewährt – unsere Fahrer schätzen den Fahrkomfort und die Leistung.“ Auch bei dieser Technologie denkt die Rheinbahn regional: Ab 2026 soll der Wasserstoff direkt vor Ort mit Strom aus der städtischen Müllverbrennung erzeugt werden. Energie, die zu großen Teilen aus biogenen Reststoffen stammt.
Neue Flotte
Mobilitätswende heißt auch, die Fahrzeugflotte zu modernisieren. Im Oktober 2025 unterschrieben die Rheinbahn und der Fahrzeugproduzent Alstom den finalen Vertrag. Damit konnten Mitte November die letzten beiden Hochflurfahrzeuge vom Typ HF6 ausgeliefert werden. Ab 2026 fahren dann 59 dieser klimatisierten Züge durch Düsseldorf und die Region. Sie sind 28 Meter lang, 2,65 Meter breit, wiegen 39,95 Tonnen, bieten 64 Sitz‑ und 109 Stehplätze sowie Platz für Kinderwagen, Rollatoren und Rollstühle. Außerdem verfügen sie über ein modernes Bremssystem und eine Türschließanlage, die auch sehr dünne Gegenstände zwischen den Türflügeln erkennt. Der Auftrag hat ein Volumen von 194 Millionen Euro und wird erstmals in der Flottengeschichte durch einen mehrjährigen Ersatzteilversorgungs-Vertrag abgesichert.
Club Zukunft Düsseldorf – Plattform für neue Ideen
Die Rheinbahn-Chefin ist überzeugt: Erst digitale Lösungen, Sharing-Angebote, autonome Shuttles und intelligente Vernetzung machen Mobilität flexibel und alltagstauglich. Dazu braucht es Allianzen und neue Ideen. Diese wurden im September auf dem Euref-Campus ganz offiziell geschlossen mit dem Club Zukunft Düsseldorf, einem Zusammenschluss von Stadtwerken, Rheinbahn, Flughafen und weiteren Partnern. Erklärtes Ziel der auf zehn Jahre angelegten Plattform ist es, Projekte für eine klimaneutrale Landeshauptstadt zu entwickeln. „Hier geht es nicht um Busse oder Bahnen, sondern um ein neues Zusammenspiel von Plattformen, Daten, Besitz und Zugang“, betont Grabbe. Und natürlich auch um messbare Ergebnisse. Bis 2035 will der Club Zukunft Düsseldorf jedes Jahr eine Initiative starten, die spürbare Veränderungen für Düsseldorf bringt. Der Part der Rheinbahn ist es, den urbanen Verkehr neu zu denken – vielleicht nicht mit fliegenden Autos, aber mit Bodenhaftung und Weitblick.
