Aufmacherbild: „Typed Types, 2002/2024“ | Ausstellungsansicht | Exhibition view | Sprache/Text/Bild, Draiflessen Collection, Mettingen, 2024/2025 | Courtesy die Künstlerin und |the artist and Trautwein Herleth, Berlin | VG Bild-Kunst, Bonn 2025 | Foto: Henning Rogge
Can you hear me? Can you see me? Ausstellung in Kai 10 | Arthena Foundation
Als Katharina Proksch die Mitglieder des Medienhafen Düsseldorf e.V. in einer Mittagspause durch die Stiftung KAI 10 I Arthena Foundation führt, ist es erstaunlich leise. Kein spektakulärer Kunstkrach, keine Beschallung. Stattdessen Bilder, Texte, Knoten, Linien. Kunst, die leise fragt: Wie sichtbar bin ich eigentlich Und wer hört mir zu? Die Ausstellung „Language/ Text/Image. Can you hear me? Can you see me?“ versammelt Arbeiten von den 1950er Jahren bis heute. Alle kreisen um das Verhältnis von Sprache, Text und Bild – also genau um das, worum es im Medienhafen täglich geht – in Powerpoint- Präsentationen, Mails und Social Media Posts.
Wem gehört die Sprache?
Die Spannweite reicht von Fotografien aus den amerikanischen Südstaaten der 1950er Jahre, in denen Schilder sichtbar trennen, wer wohin darf, bis zu Fotografien, auf denen Menschen ihre Gedanken auf Pappen in die Kamera halten. Dazwischen: ein riesiger Quilt, in dem Angehörige mit Stoffbahnen an Menschen erinnern, die an Aids gestorben sind. Überall spielt Sprache eine Rolle – auf Verbotsschildern, in stillen Botschaften, in aufgenähten Namen. Sprache grenzt ein, grenzt aus, schafft Nähe oder Abstand. Sie unterbricht die Stille.
Die Poesie im Kleingedruckten – Natalie Czech
Besonders deutlich wird das bei den Arbeiten von Natalie Czech, die extra für die Düsseldorfer Station ergänzt wurden. Die in Neuss geborene Künstlerin zerlegt Texte, Gedichte und Alltagsobjekte in einzelne Buchstaben und baut sie neu zusammen. In einer Serie arbeitet sie mit einem historischen Gedicht von Guillaume Apollinaire, dessen Verse wie schräg gesetzte Regentropfen aussehen. Czech lässt andere Autoren neue Texte schreiben, aber mit einer harten Bedingung: Jeder Buchstabe des alten Gedichts muss an seinem Platz bleiben. Was anfangs wie ein sprachlicher Crash wirkt, entpuppt sich als Stillleben der Informationsgesellschaft. Erst durch farbige Markierungen taucht das ursprüngliche Gedicht wieder auf. Man denkt unwillkürlich an überlagerte Ebenen im digitalen Alltag: Pushnachrichten, Kommentare, Korrekturen – und irgendwo darunter der eigentliche Inhalt. Czechs Arbeiten sind eine Metapher für Kommunikation im Zeitalter der Filter und Algorithmen.
Wenn Buchstaben zu einem Code werden – Ayşe Erkmen
Noch abstrakter wird es bei Ayşe Erkmen. Ihr Wandbild mit dem Titel „Typed Types“ (s. Aufmacherbild) sieht aus wie ein rätselhafter Code. Erst beim zweiten Blick erkennt man: Hier versteckt sich der berühmte Blindtext „The quick brown fox jumps over the lazy dog“, jener Satz, der einmal das gesamte Alphabet abdeckt. Erkmen zerlegt diesen Satz in Linien, Bögen und Klammern. Lesbar ist das noch, aber nur mit Mühe. Genau darin liegt der Punkt. Ein Text kann objektiv derselbe bleiben – und doch völlig unterschiedlich zugänglich sein. Es hängt davon ab, wer ihn liest, wo er hängt und mit welchem Vorwissen der Betrachter kommt.
Erinnerung in Knoten – Alice Bidault
Ganz anders, aber genauso konsequent arbeitet Alice Bidault. Sie greift die Technik des Quipu auf, ein jahrhundertealtes Knotensystem der Inka, mit dem einst ein ganzes Reich verwaltet wurde. Statt Tabellen und Datenbanken: Schnüre, Knoten, Verdickungen.
Alice Bidault | Ogive («Où gît le voeux.»), 2021 | Courtesy Galerie Pietro Spartà | Foto: Marc Domage
Jeder Knoten steht für Information und Zahlen. Bidault übersetzt heute Texte in diese alte Technik – etwa einen Auszug aus Henry David Thoreaus „Wild Apples“. Der Text verschwindet, übrig bleiben Fäden und Knoten, die sich dem schnellen Zugriff entziehen. Auf den ersten Blick dekorativ, auf den zweiten radikal: Wissen ist hier nicht per Klick abrufbar, sondern verschlüsselte Erinnerung.
Zwischen Medienhafen und Weltlage
Was die Ausstellung stark macht, ist der rote Faden durch die Jahrzehnte: Sprache, Text und Bild sind nie neutral. Sie steuern Verhalten, schaffen Zugehörigkeit, markieren Grenzen. In den Fotografien von Gordon Parks sind es Schilder, die schwarze und weiße Bevölkerung trennen.
Gordon Parks | Untitled, Shady Grove, Alabama, 1956 | Courtesy und | of and copyright The Gordon Parks Foundation
In den Quilts des National Aids Memorial Quilt sind es Namen, die überhaupt erst sichtbar machen, dass Menschen fehlen.
National AIDS Memorial Quilt, 1990er-Jahre│1990s | Block 2967 | Courtesy National AIDS Memorial, San Francisco | Foto: The National AIDS Memorial
In den Arbeiten von Czech, Erkmen und Bidault geht es um unsere heutige Kommunikationsökonomie, in der Sichtbarkeit zur Währung geworden ist. Wenn Katharina Proksch am Ende der Führung fragt, ob es noch Fragen gibt, wirkt der Ausstellungstitel plötzlich sehr konkret: „Can you hear me? Can you see me“?
Ausstellung "Language/Text/Image. Can you hear me? Can you see me?"
Zu sehen ist die Ausstellung „Language/Text/Image. Can you hear me? Can you see me?“ noch bis zum 7. Dezember 2025 in Kai 10 | Arthena Foundation im Medienhafen. Öffnungszeiten: Di.-So.11–17 Uhr, feiertags geschlossen
